Archiv für den Monat Februar, 2011

Rechtsauskünfte

Montag, 28. Februar 2011

Heute hat jemand in der Disco um Einlass gebeten, der bei Google die Frage stellte: „Wieso hat Aline das Kind umgebracht, Ramuz?“

Ich hoffe, meine Kanzlei konnte mit einer Auskunft dienlich sein und ein schwieriges Problem lösen helfen.

Traumzensur

Samstag, 26. Februar 2011

Ich bin an einer Bar am Rande eines Anlasses, stehe in einer kleinen Schlange, vor mir jemand, der bedient wird und weg geht mit seinem Kaffee in einer Wegwerftasse. Dann bin ich an der Reihe, und links von mir steht unverhofft im weissen Hemd einer der grössten Schweinehunde der Schweiz – da es momentan so viele gibt, besteht keine Gefahr, dass seine Identität geleakt wird und ich gehenkt. Der Volksraser ist freundlich und nimmt seine ihm eigene joviale Aufdringlichkeit geringfügig aber spürbar zurück. Kein Problem, dass ich selbst und nicht er den nächsten Kaffee bekomme – auch wenn die Kaffeemaschine inzwischen kaputt gegangen ist. Die interne Traumzensur arbeitet so stark, dass ich den weiteren Verlauf vergessen habe. So spektakulär zu notieren, für mich, wie der Auftritt des Immernurschweizers in meiner Leibesnähe, wäre er nicht.

Zusatz: Ich benötigte fast 24 Stunden, um die Motivierung zu erkennen. In der Tat ist das Unbewusste zuweilen ein Witzbold, der mit derben Sprüchen das philosophische Bewusstsein vom hohen Ross zu werfen weiss. In Donna Quijota wurde eben erst versucht, dem Denken der Existenz Raum zu verschaffen, um es auf Gehalte zu lenken, die von der Kulturindustrie nicht in Beschlag genommen werden können (und hat Heidegger in lichten Momenten nicht behauptet, die Fundamentalontologie sei nicht metaphysisch und sei also das Einzige, das sich der Metaphysik zu entziehen vermöchte?) Solches Denken wird schnell hochtrabend, wenn es vom Leben tel quel und, natürlich, vom Tod spricht. Entscheidender ist aber, dass es auch eine alltagspraktische Seite hat, und zwar in der Form der Alltagspraxis überhaupt: das existentielle Denken ist nicht nur ein Denken, das jeder Mensch kann und von sich aus immer schon tut, sondern zeigt sich im Alltag unaufhörlich, denn es ist der Alltag des Einkaufens selbst, des Kochens, Essens, Spazierengehens, Sexträumens, Mädchen und Vögelchen Nachschauens, Wetterschwatzens etc. In diesem Bereich, der, und zur Sprache steht der Alltag, zur Gesellschaft gehört und sich von all ihren anderen wie der Politik, der Wissenschaft und der Kunst abhebt, sind alle gleich, gleichwie es ein Leichtes ist, unterwegs, in der Ferienferne oder rund ums Haus herum, sich mit Unbekannten bestens zu unterhalten und gar zu verstehen, die einem, wenn man über sie ins Bild gesetzt wird, ein Gräuel sind. Das sophistische und kleinliche Unbewusste holte im Traum einen alten Spruch aus der Trickkiste des Argumentierens hervor, nachdem es ein Monster instruierte, für einen Moment Federn zu lassen und, was mich am meistens ärgerte, ein klein wenig weniger den Widerling zu spielen: „Da hast du deinen existentiell neutralisierten Mitmenschteufel, gegen den man nicht mit Schwert und Lanze kämpfen soll!“

Sphären, Felder und gesellschaftliche Bereiche – Donna Quijota II

Freitag, 25. Februar 2011

Nach Hegels Tod reagierte auf die Theorie der einen Vernunft mit dialektisch nur aus sich selbst entwickelten unterschiedlichen Forminstanzen neben Marx, der den Grad der Vernünftigkeit, an dem sie sich zu messen hat, in die gesellschaftliche Organisierung der Ökonomie legte und Nietzsche, der dem Schein der allgemeinen Vernünftigkeit die herrschende Destruktivität der Natur entgegenstellte, der inneren als Neurose, der äusseren als blindwütiger Machtwille, auch Kierkegaard, in Texten, die wegen ihrer biederen, indes vom Autoren strategisch intendierten Langweiligkeit für uns nicht mehr zuträglich sind. (Wie das ausschaut, wenn man sich heute philosophisch mit Kierkegaard auseinandersetzt, sieht man hier:
https://picasaweb.google.com/kierkegaardlibrary/
KierkegaardAndDeathConference#)

Er unterteilt die eine, von der traditionellen Philosophie behauptete objektive Vernunft in drei Sphären, die der Einzelmensch gleichermassen, wo immer er gesellschaftlich auch stehen mag, in seinem Bewusstsein vorzustellen hat. Wie der Idiot der Computerspiele macht er die Erfahrung, dass er nicht von Anfang an auf alle Zugriff hat, sondern dass sie sich ihm als Levels und im zusätzlichen Begriff Kierkegaards als Stadien darstellen, die er nacheinander erreichen muss – der Sprung von der einen zur anderen, von der ästhetischen zur ethischen und schliesslich zur religiösen Sphäre gelingt ihm nur, wenn er gewisse moralische Qualitäten zu prästieren imstande ist. Die Anforderungen des Lebens nagen an der moralischen Integrität des Einzelnen, so dass der Sprung zur ständigen Herausforderung wird und lebenslang in Wiederholungen getätigt werden muss.

In der modernen Soziologie wird die philosophisch behauptete Vernünftigkeit in der Gesellschaft (und der Gesellschaft selbst) radikal verräumlicht, so dass zuweilen der Eindruck erwächst, sich auf den winzigen Besitztümern der Welt der alten Walliser Güterteilung zu bewegen. Wie die neobiedere Systemtheorie für jede neue Gesellschaftsfrage ein neues System mit beliebig vielen Subsystemen in den Theoriezusammenhang einführt, schafft die auf Selbstkritik ausgerichtete Soziologie Bourdieus beliebige Felder, die objektiv die Gesellschaft beschreiben wie auch subjektiv den Ort festlegen, aus dem der Akteur nicht auszubrechen vermag. Da das Begriffskorsett immer enger und unflexibler wird, in Tat und Wahrheit aber nie jemals imstande war, die objektiven Gebilde der Gesellschaft in ihrer Eigentümlichkeit und die subjektiven Impulse der Einzelakteure in ihrer singulären Kraft zu begreifen, muss vom Begriff des Feldes zu einem allgemeineren traversiert werden.

Man kann nicht sagen, dass der Begriff der gesellschaftlichen Bereiche zündend wäre, erscheint er doch als überlebt und allzu einfach, wenn auch neutral und von einer Theoriezugehörigkeit unbelastet. Seine Erscheinungsweise ändert sich aber sofort, wenn sein Zusammenhang nicht mehr auf einen unerkennbaren Gott ausgerichtet ist, auf die wilde Bestie, auf die Fabrik, die Anwaltskanzlei oder das Parlament, sondern da, wo er auftritt, programmatisch den Ausflüssen der Kulturindustrie zu widerstehen hat. An den Apparaten der Kulturindustrie wird die Welt der Wahrnehmung zum Einerlei. Im gleichen Zug, wie sie die Kommunikationsverhältnisse verflüssigen und im Wortsinne dynamisieren, jedenfalls im Namen Jasminas heute, vernebeln sie die grundlegenden Unterschiede, die die Objekte der Welt bestimmen: dem Akteur gesellschaftlicher Prozesse als Rezipienten von Sendungen erscheinen die Gehalte der Übermittlungen immer in der gleichen Form, nicht selten in einer umwerfenden Perfektibilität. Das Wichtige wird in demselben Kanal durchgeschleust, wo das viele Unwichtige es ununterbrochen tut. Der aus dem eigenen Lebenszusammenhang herausgenommene und verallgemeinerte Rezipient – Leser, Hörer, Betrachter – hat nichts in der Hand und keine Fähigkeiten, die ihm die Möglichkeit zur notwendigen Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem verschaffen würden. Wie einem Schizophrenen stürzen die Phänomene auf ihn ein – und wie Don Quijote erscheint, wer im Angebot der Kulturindustrie nach Wertvollem sucht, ohne von der Geschichte der Auswahlprodukte eine Ahnung zu haben.

Der erste Bereich, den der Einzelmensch früher oder später für sich erobern muss, ist derjenige der eigenen Existenz, indem er von allen Angeboten abstrahiert, am einfachsten in einem Initiationsritus, in dem er einen der Apparate, das Fernsehgerät, zum Fenster hinauswirft. Zuweilen ist es ein langer Weg bis zur Einsicht, dass auch dann, wenn das Bewusstsein sich mit gar nichts Speziellem beschäftigt, es sich auf etwas Wesentliches ausrichtet, das eigene Leben, und dass diese Betrachtungsweise alle möglichen anderen zu jedem beliebigen Zeitpunkt, auch im Stress hitziger oder quälender Auseinandersetzungen und Belastungen, zu unterbrechen vermag. Erst wenn eine Spur der Erkenntnis in diesen Bereich gelegt worden ist, erscheint die Behauptung einfach, dass sich alle anderen Bereiche von diesem ersten unterscheiden und dass sie Unterscheidungen auch unter sich vollziehen. Welche Bereiche im Anschluss daran als einzelne zur Sprache kommen, ist unwesentlich, weil jeder für ein einzelnes Bewusstsein dominant werden darf, sei es für eine längere oder kürzere Zeit. Sind solche gesellschaftliche Bereiche für einen Einzelnen erst einmal benannt, die wirtschaftliche Selbsterhaltung, die objektive globalisierte Ökonomie, die Tages-, Verwaltungs- und Machtpolitik, die Disziplinen der Wissenschaften, die Disziplinen der Künste und die unzähligen Vermischungen und Ableitungen, erscheinen die Objekte der Kulturindustrie nicht mehr in einem Einerlei, wie sie in ihr vermittelt werden, und nicht mehr ahistorisch gleichförmig: indem der Einzelmensch sie situiert, werden sie subjektiv für ihn und sie je einzeln unterschiedlich bedeutsam, nach langer entbehrungsreicher Zeit objektiv erkennbar und schliesslich trotz des unaufhaltsamen Stroms von Nichtigkeiten, in dem sie unterzugehen drohen, gesellschaftlich vernünftig diskutierbar. Incipit moderna: dann wäre der Platz geschaffen für eine so leichte Gesellschaftstheorie wie die Theorie des kommunikativen Handelns, und die Moderne könnte beginnen.

Opernkonzentrat ohne Werk

Mittwoch, 23. Februar 2011

Die ganze Nacht wundersam schöne Musik in den Ohren, das sogenannte Blumenduett aus der ansonsten unhörbaren Kitschoper Lakmé von Léo Delibes, gesungen von Natalie Dessay und Delphine Haidan 1997 in Toulouse. Ich hörte diesen Schlager, dessen Gehalt mindestens Downtown von Petula Clark (für Arno Schmidt) und 48 Crash von Suzi Quatro (für mich, weil Suzi den Blick von Rita aus der Nelki draufhatte) gleichkommt, schon oftmals, zuletzt gestern Morgen auf DRS2, dann abends, als ich ihm beim Anhören der ganzen Oper auf Bayern 4 zgrechtem abpassen wollte. Unsäglich die Szenerie: ein Idyll im englisch kolonialisierten Indien, französisch wie Gift parliert von einem Komponisten, der nie einen Ton indischer Musik zu hören bekam. Natürlich schlief ich nach den ersten vier Takten ein, süss geweckt in der ersten Hälfte des ersten Verses, so dass ich den Hit in der ersten Wiederholung einmal ganz, dann in der verzögerten dritten Präsentation gerade noch einmal zu hören bekam. Von nun an zehrt die ganze Oper von dieser Musik, gewebt in jeden ihrer Takte, von denen doch der einzelne in seiner Selbständigkeit gleich miserabel wäre als Teil eines Kunstwerkes. Noch vor Ende des ersten Aktes schaltete ich via France Musique nach Londres, zu zwei überflüssigen Symphonien Sibelii, die eine noch überflüssigere verstaubte Antiquität eines Deutschen einpackten, ein Geigenkonzert op 33, angeblich 1996 komponiert – miserere mihihi… Sollen mit jedem neuen Lebenstakt tausend Jasmin-Blumen blühen in den arabischen Wüsten und den dazugehörigen Dörfern und Städten – das Blumenduett möge als Ausnahme des weggespülten Kolonialismusschrottes erhalten bleiben.

Eine Aufnahme von 2006

Wo weite Wüste herrschte einst, nieselt nasser Nebel heute – Donna Quijota I

Dienstag, 22. Februar 2011

In Zeiten des Mangels sucht sich der jugendliche Mensch eine einzige oder einige wenige Fährten, die er diszipliniert für sich verfolgen und gegen aussen verteidigen muss. In Zeiten des kulturindustriellen Überflusses schlägt er sich als frühgreiser Don Quijote im Sturm der Nebeltropfen einen Weg frei, in dem es nichts zu finden gibt, weil alles immer schon auf ihn einströmt und das Ganze von niemandem betrachtet wird, der ihn in seinem Tun zur Rede stellen könnte. Weiter geht es erst dann wieder, wenn die Einsicht sich breitmacht, dass der ganze Zauber sich immer noch, wie immer schon, auf kargem Boden und in Dürre abspielt.

Kiste der Moralgefühle

Montag, 21. Februar 2011

An einer äusserst dicht und sehr schnell befahrenen Strecke, in beide Richtungen nur kurz überschaubar, wie das im übrigen bei fast allen Zugstationen der Fall ist, verkneift es sich ein Hinkender mit Stock, kaum eine Spur älter als ich, die Unterführung zu benutzen, humpelt so weit ans Ende der Station, bis die Geleiseabschrankung in der Mitte kein Hindernis mehr darstellt. Er wird den Windzug im Nacken wohl noch verspüren, als der Intercity mit hundert Sachen und Vollhupe die Stelle passiert. Er kommt auf mich zu, ohne den Hauch eines Grinsens desjenigen, der einen Fehler abtut und ihn so trotzdem eingesteht, identisch in der Mine, wie ich ihn anstarre, Herausgespülter aus dem Malstrom, und geht zum Billetautomaten. Meine Empfindungen sind ein Gemisch aus Abscheu und Mitleid. War das soeben ein gescheiterter Versuch zum Selbstmord? Oder schien das Ganze nötig, weil mein und unser Zug schnell kommen wird und es zu stark geschmerzt hätte, sich die paar Meter abwärts und dann wieder aufwärts zu bewegen? Ist der Mensch mehr im Kopf behindert als körperlich und weiss gar nicht, was er eben tat? Würde eine Beschimpfung helfen – oder umgekehrt ein ernstes Zuhören? Die Pointe und mein Ärger nehmen erst Gestalt an, als der Regionalzug kommt – und der Typ keine Anstalten macht, einzusteigen. Wozu aber Stress machen, wenn der nächste Zug bequem in einer halben Stunde führe? – Jeder Selbstmord ist ein Rätsel der Existenz, und dumm ist, wer den verachtet, der in solcher Weise unverständlich handelt; wer aber damit spielt, sich aufspielt und im dunklen Handeln andere den Garaus lehrt, gehört zur Rede gestellt. Die Station ist ohne Personal in Betrieb, der Zeuge bleibt nicht weniger dumm als der Täter.

Die animierte Schnellskizze gibt nicht exakt wieder, was ich gesehen hatte, denn zuerst bemerkte ich auf dem Perron gegenüber den Hinkenden mit einer Krücke links und einem kleinen Plastiksack mit Inhalt rechts, dann schaute ich Richtung Basel, von wo allsbald der Intercity mit Vollhupe heranbrauste, was mich veranlasste, nach rechts Richtung Luzern zu schauen, wo der Hinkende sehr weit entfernt gerade daran war, bereits auf meiner Seite nun wieder hochzusteigen, als der Zug an ihm vorbeischoss, ohne weiterhin die Sirene zu betätigen.

Die SBB werden gut

Montag, 21. Februar 2011

Nach unzähligen Fahrten auf derselben Strecke heute vor dem Umsteigen in Bern zum allerersten Male in der Lautsprecherdurchsage gehört, dass es nebst denjenigen nach Interlaken, Thun, Brig oder Münchenbuchsee auch einen Anschlusszug nach Bümpliz gibt, 15.08 Gleis 12 A. Wie warm es einem doch ums Herz wird, nicht mehr so offensiv abgeschrieben dazustehen – man kümmert sich um unser Wohl … und um das der Gäste, die seit Jahren Schwierigkeiten haben, den Zug nach Bümpliz oder weiter nach Kerzers oder Neuenburg zu finden.

Kulturstadt Bern

Sonntag, 20. Februar 2011

Eine empfehlenswerte Bilderserie des Fotografen Wittlin gefunden, wenigstens das meiste von ihm selbst, nahezu alles über ihn als Tanzmusiker Housi. Jetzt weiss ich endlich, wie viele der Gestalten heissen, die mir über dreissig Jahre lang über die Latschen stolperten, früher nachts, heute höchstens mal aus der Ferne. Auf die fidelen Groupies kann der Zattergreis stolz sein: Debbie, Jenny, Sarah, Paula, Julie, Samira, Tanja, Debie, Fabienne, Sya, Hi (sic), Jenny, Sina, Tina, Juliette, Jasmin, Bettina, Betty, Fränzi, Manu, Anastasia, eine neue Jenny, Madeleine, Terezinha, Silvia, Catherine, eine neue Julie, Barbara, Romy, Jen, Catherine, Cornelia, Carmen, Beatriz, Lou, eine neue Barbara, eine neue Tina (es paar sind ned ganz hundert – – – Centimeter gross). Und ich war an keinem der Konzerte, wo die alle anzutreffen gewesen wären…

http://www.housiwittlin.ch/33036.html

Niesen Nord über Wimmis

Sonntag, 20. Februar 2011

Hier ein zu gutes Bild vom Niesen entdeckt, als dass es in den Schubladen von Hikr verdorren dürfte. Links Eiger, Mönch, Jungfrau, unten Wimmis.

Die ganze Tour im Zusammenhang mit dem Originalbild:
http://www.hikr.org/tour/post32915.html

Georges Wild

Freitag, 18. Februar 2011

Heute in einer dreissigjährigen Einkaufstasche gefunden: ein blaues Notizbuch von Georges, Jorge oder Jorges aus Chile, ein Büchlein, leider mit nur einem einzigen Text.


Im Internet ein leichtes, sich über das Gedicht kundig zu machen:

ELEGIA A RAMÓN SIJÉ
Miguel Hernández

(En Orihuela, su pueblo y el mío,
se me ha muerto como del rayo Ramón Sijé,
con quien tanto quería.)

Yo quiero ser llorando el hortelano
de la tierra que ocupas y estercolas,
compañero del alma, tan temprano.

Alimentando lluvias, caracoles
Y órganos mi dolor sin instrumento,
a las desalentadas amapolas

daré tu corazón por alimento.
Tanto dolor se agrupa en mi costado,
que por doler me duele hasta el aliento.

Un manotazo duro, un golpe helado,
un hachazo invisible y homicida,
un empujón brutal te ha derribado.

No hay extensión más grande que mi herida,
lloro mi desventura y sus conjuntos
y siento más tu muerte que mi vida.

Ando sobre rastrojos de difuntos,
y sin calor de nadie y sin consuelo
voy de mi corazón a mis asuntos.

Temprano levantó la muerte el vuelo,
temprano madrugó la madrugada,
temprano estás rodando por el suelo.

No perdono a la muerte enamorada,
no perdono a la vida desatenta,
no perdono a la tierra ni a la nada.

En mis manos levanto una tormenta
de piedras, rayos y hachas estridentes
sedienta de catástrofe y hambrienta.

Quiero escarbar la tierra con los dientes,
quiero apartar la tierra parte
a parte a dentelladas secas y calientes.

Quiero minar la tierra hasta encontrarte
y besarte la noble calavera
y desamordazarte y regresarte.

(10 de enero de 1936)

Text von hier genommen:
http://www.orihuela-costa.eu/html/miguel_hernandez_ale.htm

„Vamos a la baila!“ oder „Vamos a la playa!“ … habe immer noch keine Ahnung…

Grossmutter, deine Tante, schimpfte noch Jahre später, dass du so aktiv & unverschämt über den Zaun zu den schönen Savioz-Töchtern spähtest, aber die Malerei der Stühle hat sie immer gelobt – oben rechts ein Bild von Edi Dill, vorne links mein erstes Fotoalbum, von der gleich alten Cecilia aus Santiago.

Bartók, Strawinsky

Donnerstag, 17. Februar 2011

Soeben via France Musique aus London das Konzert vor einer Woche in der Royal Festival Hall mit dem Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen gehört.

Béla Bartók, Cantate profane Sz.94 BB.100 (1930), dann Musique pour cordes, percussion et célesta BB.114 Sz.106 (1936). Dieses Werk zündet heute nicht mehr, nicht weil es zu wenig aggressiv gespielt würde, sondern weil es zu wenig Zündendes aus sich selbst heraus freisetzt. Mich dünkt es veraltetes Kunsthandwerk, zu leicht gestrickt.

Igor Stravinski, Le Sacre du Printemps (1911,1913). Obwohl Salonen kräftig zulangen kann und mit dieser Qualität im Schlagzeug, das zuweilen wie ein Feuerwerk explodiert, auch nicht geizt, ist dies alles andere als eine scharfe Interpretation. Die leisen Stellen sind sehr leise und die lauten sehr laut, doch dazwischen heben sich keine Gruppen voneinander und gegeneinander ab, sondern alle Instrumente spielen solistisch & musikantisch auf derselben Ebene. Das macht die einzelnen gut hörbar, ja ausserordentlich aus dem Ganzen gut heraushörbar, weil keines in einer Verschmelzung untergeht, und doch kommt es so zu zuwenigen Farben, Farbtupfern, Kontrasten und Akzenten, zumal fast ganz auf Temposchwankungen verzichtet wird. Ich habe zwar sehr gerne zugehört, und doch erscheint mir diese Aufführung negativ als leicht kunsthandwerklich: eine perfekte Musik, aber herausgeschnitten aus Raum und Zeit. Salonen muss nochmals über die Papiere.

Eine bessere und wohlwollendere Kritik dieses Konzerts gibt es hier zu lesen, wo Anne Ozorio betont, dass Salonen den Sacre in der Weise interpretiert, dass er als Quelle für Bartók kenntlich wird. Doch was machen, wenn einem Bartók als Rückschritt erscheint?

http://www.bachtrack.com/review-bartok-stravinsky

Und ein Entwurf dafür an anderer Stelle in einer anderen Textumgebung: http://classical-iconoclast.blogspot.com/
2011/02/bartok-stravinsky-salonen-infernal.html

Für Bartók maniacs:
http://www.philharmonia.co.uk/thesoundexchange/
backstage/podcasts/eps_on_bartok/

Yejin Gil

Dienstag, 15. Februar 2011

Soeben auf France Musique von einer grossartigen Pianistin drei grosse Stücke gehört. Die Südkoreanerin Yejin Gil spielte von Claude Debussy Pour les arpèges composés, Etude N°11, Ext. des Etudes Livre II (1915), von der Südkoreanerin Unsuk Chin Etude pour Piano N°1 en Ut (1999), Étude pour piano N°6, Grains (2000) und Étude pour piano N°5, Toccata (2003), schliesslich mit den Percussions de Strasbourg von Philippe Hurel Interstices pour piano seul et trios percussionistes (2009).

Orléans Concours International

http://www.yejingil.de/

Google Videos von Yejin Gil

Sierre, ville musicalisée

Montag, 14. Februar 2011

Was es zur Musik in Sitten zu sagen gibt, hat Wagner deutsch & deutlich ausgesprochen. Die Musik in der Nachbarstadt Siders ist mir nur immer in der Uniform des Architekten aus dem Leukerbad begegnet, der hier unten sein Horn blasen kam, in der Grande Géronde (ich war letzten Mittag gerade oben in einer seiner ältesten Hütten eine Computertaste drücken gehen, mit einem Hahn vor den Balken und Gletscherspalten im Innern des Wohnzimmers, dass einem schwindlig werden könnte vor der gebotenen Vorsicht) . Einmal sah ich den ganzen Troupeau sitzend spielen vor dem gelben Hôtel de Ville. Grossvater schämte sich, weil ich loslachen musste, als ich den Leukerbadner aus unserem Haus, das seines war, in der würdevollen Fasnachtserscheinung erkannte. Heute macht man gegen alle vermoderten Vorurteile Besseres, wie ich gestern Abend auf Espace 2 hörte, aufgenommen in den Halles de Sierre. Aus Anlass der neu eingerichteten Materialiensammlung des Walliser (aus Liddes) und Berner Komponisten Jean-Luc Darbellay in der Médiathèque Valais à Sion gab es am 15. Januar eben in den Halles de Sierre ein Konzert, organisiert vom Festival Forum Wallis / Valais, gespielt vom Trio Orion (Noëlle-Anne Darbellay, Francisco Sierra und Fritz Müllenbach), der grossartigen Flötistin Françoise Gyps und dem nicht weniger bewunderswürdigen Duo Fontana (Alma Maria Tedde, Alba Cadularo … aus Sion – Wagner würde anders urteilen, heute, und bleiben wollen). Die Stückeauswahl machte der porträtierte Komponist selbst, ausser demjenigen von Huber, das der Solist hat auswählen dürfen: Roger Tessier, OJMA, pour trio à cordes. Nicolaus A. Huber, In die Stille…, pour violoncelle. Marcel Dortort, If, pour violon et voix récitante. Jean-Luc Darbellay, Voile, pour flûte. Jean-Luc Darbellay, Incident Room, pour violon et voix récitante. Giorgio Tedde, Fontana, pour soprano et violoncelliste chantante. Jean-Luc Darbellay, Sadia, pour violoniste, voix et voix récitante. Jean-Luc Darbellay, Dranse, pour flûte et trio à cordes.

KomponistInnentreffen

Montag, 14. Februar 2011

Quietschfideler Traum an einem Tisch mit vielen Leuten im Raum, links von mir eine schöne, vertraute aber doch unbekannte Komponistin, rechts von mir Elliott Carter, ihm vis-à-vis ein Unbekannter, der leicht eifersüchtig wirkt. Die Komponistin erklärt mir ihr neues Stück, von dem sie schon eine Art Logo hergestellt hat, eine zehn Zentimeter breite und fünf Zentimeter hohe schwarze, sehr leichte Eisenplastik, die aus verschieden hohen auseinandernehmbaren Einzelstücken besteht, die zusammen eine nicht leicht erkennbare Vogelgruppe oder ein Vogelnest ergeben. Während die Komponistin neben mir zu komponieren beginnt, zeige ich die Figur herum und mache unböse Spässchen darüber, dass die Werbung schon vor dem Stück fertig sei. Der Typ gegenüber von Carter ist sauer auf mich, aber die schöne Komponistin vertraut mir weiterhin. Dann zeigt mir Carter, wie er am Schreiben ist, aber er verdeckt es mit dem linken Arm, aus Ungeschicklichkeit. Mich dünkt, er kritzelt nur einen Titel aufs Linienpapier. Er gibt mir etwas, und ich will es der ganzen Meute zeigen. Dem Hundertjährigen ist es gleich, weil er gleichmütig wirkt. Ich bin offenbar auf einem Rollstuhl und fahre rückwärts, mitten hinein in einen schönen Essenssaal mit vielen Tischen an hellen Fensterwänden – wo ich vorher mit der Komponistin und Carter sass, war es künstlich beleuchtet & fensterlos – und an allen Tischen sitzen vergnügt plaudernd viele Komponistinnen und Komponisten. Ich will auf dem Stuhl wieder vorwärts zurück zu meiner Nachbarkomponistin, weiss aber nicht wie mich bewegen und wache nicht unzufrieden auf.

Best as bad

Sonntag, 13. Februar 2011

Die Musiker und Musikerinnen von heute sind bekanntlich nicht aus Pappe, und der verkabelte Melomaniac macht glückliche Erfahrung mit den meisten von ihnen, zuhause, wo alles nahe zueinanderrückt, auch alle diese Besten – und das Schlechte gleichermassen. Gestern zunächst Pierre-Laurent Aimard, Klavier, mit Franz Liszt, „Les jeux d’eau de la Villa d’Este“, Maurice Ravel, Drei Stücke aus „Miroirs“ und George Benjamin, „Piano figures“, gleich danach zusammen mit Schwester Valérie Aimard, Violoncello, Claude Debussy, Sonate d-moll und Felix Mendelssohn Bartholdy, Sonate D-dur, op. 58, aus Bad Reichenhall vom 21. August 2010. Ausserhalb der Musik ist es peinlich und unwahrhaftig, in Superlativen zu reden, in ihr verschafft er Klarheit. Die drei Ravelstücke waren das beste, was ich je gehört hatte, natürlich nicht allein die Kompositionen sondern auch die Art & Kunst ihrer Aufführung, so stark, dass das Nachfolgende nicht anders konnte als abzufallen. Benjamin war immer schon ein überschätzter Komponist und einer der vielen, die nur in den Radioansagen mit aufmunternden Werbesprüchen zu bestehen vermögen. Debussy steht immer wieder in Konkurrenz zu Ravel, und dieses Mal stand er eindeutig hintenan, und Mendelssohn tröpfelte nur noch als Unterhaltung durch die Ohren. – Ein gescheiter Mensch hätte nach diesem kristallklaren Konzert die Geräte abgeschaltet und wäre in sich gegangen – ich schaltete via France Musique direkt nach New York in die Metropolitan Opera zu John Adams‘ Nixon in China (1987), unter der Leitung des Komponisten. Da gerade Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt herrschte, wurden mehrere andere Stücke von Adams angespielt, und meine Stimmung rasselte in den Keller wie sie es seit dreissig Jahren nach Aufnahme von ein paar Minuten Musik dieses Übeltäters immer macht. Vom zweiten Akt erduldete ich die zwei grossen Arien der Frauen von Nixon und Mao, dann erwürgte ich sie. Es gibt analytisch und wissenschaftlich zur Musik von Adams dasselbe zu sagen wie zu Michal Jackson, und sie verkörpert den Abfallkübel einer Gesellschaft, deren Überfluss zudem oft nur aus Produkten des Abfalls und Zerfalls besteht, in die nicht viel Vetrauen geschenkt werden darf, wenn die schlechten Verhältnisse weltweit zur Besserung gelangen sollen. Dass die Residents dieses grossen Landes es nicht merken, wenn ihnen in obszöner Blödheit Kunst nur vorgegaukelt wird? Glänzt mit Euren guten Stücken – wie Amériques!

Mubarak’s quiet

Freitag, 11. Februar 2011

Nicht nur Mubaraks Ende in Ägypten ist heute ein welthistorisches Ereignis, zumindest in der Art, wie es zustande kam, sondern auch die Uraufführung von The Quiet der Israelin Chaya Czernowin. Ahhhh, wie grossartig – eine Lawine rückwärts……..! – Soeben live & direkt gehört auf Bayern 4.

Vorher James Tenney, „Last Spring in Toronto“ für kleines Orchester und Gamelan (2000), nachher Sven-Ingo Koch, „Doppelgänger“ für Klarinette und Orchester (2009/10) sowie Friedrich Schenker, „In Höhen – Spiegellandschaft“ eine Alpenorchestermusik (2010). Chen Halevi, Klarinette, Gamelangruppe Bintang Pitu, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent Brad Lubman.

Atavismus & Unterhaltungsbrunz

Dienstag, 8. Februar 2011

Die Kulturindustrie ist ein steuerloser Kahn auf den Meeren der scheinbar aufgeklärten Weltgeschichte, die Medien eines der Teile, dessen Erzeugnisse alles andere darstellen als Gebilde, die mit Vernunft zu kritisieren wären. Man muss sie hinnehmen wie den ganzen widerlichen Unterhaltungsbrunz überhaupt. Aber man kann auf sie reagieren, reflexartig, indem man auf sie zeigt.

Bekanntlich leiden die körperlich Beschädigten existentiell, also in der Beurteilung ihres Lebens tel quel, weniger an den eigenen Defiziten als an den Bedingungen, die ihnen die Gesellschaft zugesteht, materiell, so dass die Selbsterhaltung garantiert erscheint, und ihnen zumutet, simpel mental und bös, so dass über die Selbstbehauptung hinaus nichts Entscheidendes getätigt werden soll. Das beschädigte Leben fühlt sich an wie unter einem Kugelhagel, und es tut nichts anderes als verzweifelt zu versuchen, sich nach ausserhalb vorwärts zu bewegen, nach einem Ausserhalb der Gesellschaft.

Der schlimmste der Stösse, der gesellschaftlichen Verstösse, ist derjenige der Schuld, wie er seit unvordenklichen, atavistischen Zeiten sich hat erhalten können. Dem Journalisten des Berner Bunds hatte es gestern wieder einmal gefallen, einfach so zum Spass, bei der Titelgebung in diese unterste Schublade zu greifen – wie man sich denken kann, ganz ohne Entsprechung im vorgeführten Interview. Der befragte Krebsspezialist betont in Wiederholungen, wie ungeklärt es ist, Krebs auf Ursachen zurückzuführen – trotzdem behauptet die Fälschung im Titelzitat, dass jeder als seines eigenen Krebses Schmied gesehen werden soll.

Xenakis, Verklärte Nacht

Sonntag, 6. Februar 2011

Gestern Abend zuerst auf Bayern 4 eine ausführliche Sendung von Max Nyffeler über Iannis Xenakis, die mit statistischen Facts auf YouTube beginnt, ohne sie weiter zu problematisieren. Die Zahlen heute Morgen zeigen 1.770 Videos über Xenakis, eingeschränkt auf Iannis Xenakis immer noch 850. Die meisten ZuschauerInnen hat ein Video mit Metastasis, 237’092 (die „Vorschläge“ in der Anzeige rechts machen schnell klar, dass der Meister der Neuen Musik nicht Xenakis sondern John Cage heisst und sein 4’33“ exakt 1’826’297 Male durchgehört worden ist). Es gibt noch drei Iannis Xenakis Videos, die mehr als hunderttausend Male aufgerufen wurden, viele andere immer noch über zehntausendmal. Klar, man kann hier vom Status eines Popstars sprechen, gelangt aber sofort in Schwierigkeiten, wenn man dem Namen Xenakis den von Boulez gegenüberstellt, da ein Ausschnitt seiner Walküre Cageausmasse erreicht (über eineinhalb Millionen Aufrufe) und eines seiner eigenen Werke, Le Soleil des Eaux, immer noch 62’318. Wieso Nyffeler bereits am Anfang der Sendung die Zahlen frisiert und davon spricht, der stochastische, antiserielle Xenakis käme bei der Jugend besser an als der serielle Komponist Boulez, ist nicht nachvollziehbar, ebenso wenig, dass er den Ereignissen auf YouTube selbst keinen Kick zu geben gewillt ist. Nicht unwahrscheinlich, dass auch das Format der Videos, im Zusammenhang mit dem Kabelempfang mehrerer Radiosender gleichzeitig, deren Programme sowohl am Internet studiert werden müssen wie auch teilweise im Nachhinein daselbst wiedergehört werden können, der Vermittlung der Neuen Musik Auftrieb gibt. Trotzdem sollte der gesunde mürrische Verdacht nicht unter den Teppich gewischt werden, dass es auch heute nur die Ebene von Gags ist, die massenweise reizt. Ob es gut ist, Xenakis‘ Werk dem von Boulez gegenüberzustellen, möchte ich bezweifeln, denn erstens war Xenakis der Herausforderer, und zweitens waren die beiden nach Mitte der achtziger Jahre keine Halbstarken mehr, die meinten, weiterhin gegeneinander polemisieren zu müssen. Xenakis hatte eine Fährte gefunden, der er folgte, und an den Werken ist zu hören, wie sie für späterhin einzuschätzen wären. Ich hatte viele Xenakis-Platten mit viel Vorfreude immer nach Hause getragen, aber keines seiner Stücke hat sich in mir so festgesetzt, dass ich hätte sagen wollen, hier würde es weitergehen müssen – das Problem der reinen Konstruktion hat diese Musik nie genügend abstreifen können, und die Versicherung des jungen Komponisten, seine Musik wolle existentielle oder natürliche Empfindungen provozieren wie ein unverhoffter Abgrund vor den Schuhsolen oder ein Sturmgewitter auf weiter Flur, blieb, jedenfalls im Vorwurf gegen die serielle Musik, die solches nicht zuwege brächte, frommer Wunsch.

Dann ab ins Chaos von Radio France, an die Folle Journée de Nantes. Zuerst Beethoven, eindeutig – und doch nicht wirklich bestimmbar, wie wenn der Musik ein zusätzlicher Dreh verpasst worden wäre. Ah! Streichquartett 11, op. 95, bearbeitet von Mahler für Streichorchester. Nach Hindemiths Trauermusik schliesslich Schönbergs Verklärte Nacht mit dem Nerderlands Kamerorkest unter Gordan Nikolitch. Ein Leben lang hatte ich gelernt, auf dieses Stück gereizt zu reagieren, wenn es irgendwo auf dem Programm stand, weil es den echten Schönberg durch den zahmen und noch zaudernden dem Publikum vorenthalten würde. Heute wurde ich von dieser Musik überrumpelt, als würde ich sie zum erstenmal hören. Was für eine kompositorische Kraft, wieviel unendliche Vielfalt in den Details und welcher Reichtum an musikalischer Phantasie! Man wird den KomponistInnen als Zuhörer nie gerecht, und man empfindet Reue.

Esa-Pekka Salonen

Samstag, 5. Februar 2011

Gestern ein kleiner Versager auf Radio France Musique, das Programmfeld fürs Konzert um 20 Uhr fehlt – siehe da, auch heute Morgen bleibt es leer:
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Macht nichts, ich wollte sowieso nur brüten. Zur rechten Zeit setze ich trotzdem die Kopfhörer auf und werde von der besten Ansagerin der Radiowelt beglückt (die anderen besten wie Irene, Noëmi, Patricia und Sara können von ihr immer noch etwas dazulernen, wenn auch nur im Bereich dessen, was sie ansagen). Für Esa-Pekka Salonen gibt es vom 3. bis 19. Februar ein eigenes Festival in Paris, mit nicht weniger als 35 Aufführungen eigener Werke… Beim ersten Stück des Konzerts heute, Olivier Messiaens Un sourire, seinem letzten Werk und hier in der Ur- oder französischen Erstaufführung, muss ich an Boulez und die Tourangalîla-Sinfonie denken, weil in letzter Zeit einfach zu viel Mozart zu ertragen war. Dann aber, und jetzt erwachen meine letzten verborgensten Zellen, in die absolute Unvorbereitetheit hinein, Insomnia (2002). Meine Ohren öffnen sich wie mein Kiefer, und ich gaffe ins Zimmer wie beim ersten Probehören von Varèses Amériques in den Plattenladen vor nicht ganz 40 Jahren. Mich dünkt, da könnte auch der verbiestertste Depressive wieder zum Blühen kommen. Ich fühle mich frisch geputzt – und frage mich unter den geregelten Kopfhörern, wie laut die Musik sein muss, bis das Pariser Publikum davonzulaufen beginnt…

Musik und Nationalität ist eine schlechte Begriffskombination, ausser bei den Finnen. Aus keinem Land gibt es so viele KomponistInnen, die beste Musik schreiben und die sich gleichzeitig schlechte und kitschige nicht vergönnen. Dona nobis pacem ist ein solches Kitschwerk, für Kinderchor. Wir sprechen Deutsch, Französisch, Englisch – nur die bigotten Finnen huldigen dem Latein der fremden Christenheit. Dreht man die Sache um und stellt sich vor, dass in Schulen solche Musik eingeübt wird, sei es in einer gelebten oder in einer abgelebten Sprache, ist das Werk bewundernswert.

Ligetis Requiem (1965, revidiert 1997) hat in keiner Sekunde gealtert (was man bekanntlich von den Schülern Ligetis nicht sagen kann). Man möchte wünschen, dass es gegen Ben Ali, Mubarak und die ganzen obersten Etagen in den arabischen Staaten gesungen wird, bis zum ersehnten Zerfall.

Näheres wurde schliesslich doch noch aufgestöbert: http://sites.radiofrance.fr/chaines/concerts09/presence/index.php?IDA=2130

Man lese genau, was da steht:
Salonen Présences 2011 – 13 concerts g r a t u i t s ………!!!

Amselzwitschermaschine frühlings

Samstag, 5. Februar 2011

Soeben um 5.40 Uhr das erste Zwitschern von ein paar Amseln im Quartier. (Vielleicht machen sie es schon seit ein paar Tagen vorher, aber dann waren zurzeit die Fenster nicht offen – letztes Jahr war die erste Amsel zwei Wochen später zu hören, auch in der Uhrzeit später.)