Archiv für den Monat Dezember, 2013

Konkurrenzkapitalismus

Dienstag, 24. Dezember 2013

Mit Architektur hatte ich mein Leben lang nichts zu tun, ausser wie auf der Biographieseite dokumentiert 1968 beim Bau eines Ître auf der Elsigenalp und neuerdings beim fotografischen Dokumentieren der Walliser Alpenställe (wo es nicht um die Bauten selbst sondern um ihr veritables Umfeld als Grenzland zwischen Natur und Kultur geht) sowie sporadisch, falls das Fisheye-Objektiv mitgeschleppt wurde, der Innenräume von Kirchenbauten – keineswegs, weil sie mich materiell oder intellektuell interessieren würden, sondern weil sie als gewichtige Möbel der Landschaft tel quel aufgezeichnet werden wollen.

Vor nicht ganz zwei Wochen wurde mir die japanische Originalausgabe der Architekturzeitschrift „approach“, Winter 2013, zugesandt, mit dem Abdruck eines meiner Bilder von Evolène in einem Artikel von Yoshiaki Amino. Die ganze Zeitschrift widmet sich Fragen des Bauens mit Holz, sowohl in Asien wie in Europa. Vor ein paar Tagen wurde auch die englische Ausgabe zugänglich gemacht, online unter dieser Adresse, die auch mein Bild von Evolène enthält (der Artikel „The Promise of Wood – Sustainability in Austria“ befasst sich mit dem österreichischen Vorarlberg, die zwei erläuternden Bilder stammen aus Deutschland und aus der Schweiz).

http://www.takenaka.co.jp/takenaka_e/about/pr_magazine/
2013win/book/#page=17

Nun ist heute eine Post eingetroffen, von der ich nicht weiss, wie ich ihr Adressat habe werden können, über deren Motivierung ich also spekulieren muss. Es ist ein handfestes, 110-seitiges grünes Buch mit dem auf drei Seiten verteilten Titel „Ansichten und Einsichten: B / NEUE PERSPEKTIVEN ZUR ARBEIT MIT BETON / ARCHITEKTUR + BETON = NACHHALTIGKEIT“. Ob man bei Betonsuisse die japanische Druckfassung oder die jüngere englische online der letzten Nummer von „approach“ gelesen hat, wo nota bene die Nachhaltigkeit einen prominenten Platz einnimmt – so oder so scheint man ungeheuer schnell bemerkt zu haben, dass meine Interessen, die mit Architektur nun wirklich nie etwas am Hut gehabt hatten, Gefahr laufen, sich ganz auf eine solche mit Holz zu fixieren. Mich dünkt indessen, genügend ausführlich von Stallbauten aus dem 19. Jahrhundert berichtet zu haben, die kein einziges Holzstück in ihrer Konstruktion nötig haben; dass sie mit Beton in Berührung gekommen wären, kann man dagegen ebenso wenig als Argument ins Feld des kuriosen Streites um meine eigentümliche Kuriosität führen.

Arnold Schönberg, Violinkonzert op. 36

Freitag, 20. Dezember 2013

Soeben live direkt auf SWR2 SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Michael Barenboim (Violine), Leitung: Michael Gielen.

Arnold Schönberg: Violinkonzert op. 36.

Merci! Eines meiner Lieblingsstücke von Schönberg. Eine Musik, die einen von Beginn bis Schluss denken lässt, durchaus passagenweise, in winzigen Winkeln, auch gegen sie – natürlich nur versuchsweise. Ich habe sogar unter den Kopfhörern geklatscht…

Jérôme Combier, Terres et cendres

Montag, 16. Dezember 2013

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 20 novembre 2013 à la Scène Nationale d’Orléans: Dialogue persan par Jérôme Combier.

Dialogue persan – fragments de Terres et cendres de Jérôme Combier, sur un texte de l’écrivain afghan Atiq Rahimi – 2012 I. Guerre : Récit, Les Lits déserts, Moquam-e Shur, Dialogue de guerre. II. Exil : Dar Dâman-e Sabra, Terre natale, Beshanau az Nay, Récit, Du côté des montagnes. III. Amour : Récit, Gar Shekayat, Berceuse, Saqi ba khoda, Naghma-e Kaboli.

Ensemble Cairn: Sarah Breton, mezzo-soprano, Cédric Jullion, flûte, Ayumi Mori, clarinette, Fanny Vicens, accordéon, Sylvain Lemêtre, percussion, zarb, Alexandra Greffin, violon, Frédéric Baldassare, violoncelle.

Ensemble Khaled Arman: Khaled Arman, rubâb, dilrubab, Mashal Arman, voix, Siar Hachimi, zeirbagali, tablas, Aroussiak Guevorguian, qanun.

Endlich eine intelligente musikalische Verwebung zeitgenössisch-europäischer Musik mit afghanischer, der man auch noch länger folgen möchte.

Zorn, Manoury, López

Freitag, 13. Dezember 2013

Soeben live direkt auf Bayern 4 Konzert der musica viva, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Brad Lubman, Solisten: Andreas Grau und Götz Schumacher, Klavier

John Zorn: Orchestra variations (Deutsche Erstaufführung). – Ein farbiger Musikgenuss. Wenn man die Widmung ignoriert, eine beeindruckende Ästhetik. Die elektrische Gitarre, die ich bei Zorns Musikern einstens lernte, fehlt.

Philippe Manoury: „Zones de turbulences“ (Uraufführung). – Selbst der zweite, nur knapp 15 Sekunden dauernde Satz ist tonal gedacht. Der vierte ist Boulez, zurückbuchstabiert in die Tonalität. Der fünfte beginnt spannend und bleibt dann auch halbwegs gut. Nicht immer zu vereinfachen wäre besser, und Tanzmusik machen wollen ist definitiv doof. (Merde, dieser unverdiente unendlich andauernde Applaus…) Zorn le Turbulent findet’s missraten.

Jorge E. López: Symphonie Nr. 3 (Uraufführung). – In der Erscheinung vielleicht elegant, im Gehalt aber wohltuend kratzbürstig. Auf der Oberfläche handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit Beethoven und Scrjabin, im Innern meldet sich zuweilen Varèse. Nicht selten sind Streckenabschnitte allerdings zum Erschrecken banal. Möglicherweise ist López konservativer als er sich geben will.

Autotelekommunikation

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Gestern war ich unterwegs, das Handy abgeschaltet in der Jackentasche. Ein halbe Stunde von zuhause entfernt spüre ich durchs Vibrieren in der Jacke die Anzeige eines SMS-Eingangs. Ich wundere mich, sehe, dass das Handy eingeschaltet ist, wenn auch ohne neu dazugekommenes SMS. Ich schalte es wieder aus, ohne weiteres Nachsinnen, da ich es gewohnt bin, dass sich das Gerät während den Aufenthalten in den Bergen zuweilen selbst einschaltet.

Abends in Bümpliz sehe ich, dass mich jemand aufs Festnetz angerufen hat, eine unbekannte Handynummer. Das kümmert mich nicht gross. Später kontrolliere ich die Combox, und siehe da, es gibt eine neue Meldung durch die unbekannte Nummer. Es spricht kein Mensch auf der Comboxmeldung, die so lange dauert, bis die Combox voll ist. Man hört nur verwischte Geräusche wie auf einer Zugfahrt. Okay, jemand hat angerufen und vergessen, den Ruf durch den erforderlichen Tastendruck wieder zu beenden. Fast am Ende dann eine bekannte Zugsdurchsage: „Werte Fahrgäste, wir treffen in Bern ein. Endstation. Die BLS wünscht Ihnen…“ Ich kontrolliere die Zeit des Anrufes, komme ins Staunen und vergleiche endlich die Nummer mit derjenigen meines Handys: klar, es ist dieselbe.

Mein Handy hat sich für einmal nicht nur selbst eingeschaltet, sondern sofort auch seinen alten Kumpel zuhause, den Festnetzapparat, angerufen. Lassen wir den beiden ihre Freude. Was aber, wenn ein Handy eine Nummer wählt aus dem Innersten des Feindeskreises? Vielleicht sollte ich wie die Anderen, Schlaueren, in der Öffentlichkeit das Handy an die Hand nehmen und keinen Moment lang mehr aus den Augen lassen. Ganz ungleich meiner Meinung scheint es eine allgemeine Unsitte der mobilen Geräte zu sein, selbsttätig hinter dem Rücken Faxen zu machen, indem sie zusammenspannen.

Hugues Dufourt, Lucia Ronchetti

Montag, 2. Dezember 2013

Soeben live auf France Musique Concert enregistré le 8 novembre 2013, Cité de la Musique, Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher, direction, Hidéki Nagano, piano, Grégoire Simon, alto.

Hugues Dufourt, L’Asie d’après Tiepolo. – Eine rituelle, aber bewegte Musik, die sich an exotischen Figuren entlangangelt, ein buntes Exerzitium, das zu verfolgen nicht nur gefällt, sondern auch anrührt. Ein Exotismus der glaubwürdigen Art.

Hugues Dufourt, L’Origine du monde. – Noch einmal viel Farbigkeit, und noch einmal das Ganze in einer angehaltenen Zeit: rhythmisch akzentuierte Musik tempolos.

Lucia Ronchetti, Le Palais du silence – Drammaturgia d’après Claude Debussy, commande de la Cité de la musique, du Festival d’Automne à Paris et de l’Ensemble intercontemporain, création mondiale. – Ein Überfall des Postzuges, dann Schleppen des Zasters durch die Wüste, dann Verprassen desselben im Saloon. Der Sheriff trifft auf Schnapsleichen.

Hugues Dufourt, Les Chardons d’après Van Gogh – pour alto et ensemble. – Ein bedrängter Solist behauptet sich virtuos. Über die Selbstbehauptung geht nichts hinaus. Trotz des inszenierten Chaos das traditionellste Stück des Konzerts.