Archiv für den Monat November, 2015

Gérard Grisey, Les Espaces Acoustiques

Dienstag, 24. November 2015

Soeben live auf WDR3 Aufnahme aus der Philharmonie Essen vom 7. November 2015, Geneviève Strosser, Viola WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung: Brad Lubman.

Gérard Grisey, Les Espaces Acoustiques (Prologue für Viola / Périodes für 7 Musiker / Partiels für 16 Musiker / Modulations für 33 Musiker / Transitoires für Orchester / Épilogue für 4 Hörner und großes Orchester). – Ein Klangwerk mit grossem Volumen, in der horizontalen Fortschreitung zuweilen leer und etudenhaft. Die Musik wirkt eigentümlich gealtert, fast wie aus einem fernen 20. Jahrhundert, das uns fremd geworden wäre und momentan nicht mehr zutraulich werden will.

Olga Neuwirth, Le Encantadas

Montag, 23. November 2015

Soeben live auf France Musique Concert enregistré le 21 octobre dernier, à la Cité de la Musique – Philharmonie 2 dans le cadre du Festival d’Automne. Ensemble Intercontemporain, Matthias Pintscher, direction, Livia Rado, soprano (Eglise San Lorenzo, Venise), Athos Castellan, trombone (Eglise San Lorenzo, Venise), Johan Leysen, récitant (studio de l’Ircam), Andrew Watts, contre-ténor (studio de l’Ircam), Gilbert Nouno, réalisation informatique musicale IRCAM, Markus Noisternig, conseiller scientifique Ircam.

Olga Neuwirth, Le Encantadas o le avventure nel mare delle meraviglie. – 70 Minuten beste Unterhaltung, I like it. Wenn die Radioleute nicht noch mehr Fehler machen, wird das Stück nicht nur ein begeistertes, sondern auch ein grosses Publikum finden.

Janácek, Intime Briefe

Donnerstag, 5. November 2015

Soeben live auf Bayern 4 Aufnahme vom 15. Mai 2015 in Neunkirchen am Brand mit dem Armida Quartett.

Leoš Janácek, Streichquartett Nr. 2 – „Intime Briefe“.

Ich bin kein Freund der Funktionalisierung der Musik, aber diese Interpretation von Janáceks Intimen Briefen hat meinem Seelenhaushalt wieder Freiden gebracht, gleichwie ein paar Stunden vorher der neue Film der NASA in HD-Qualität über die beobachtbaren Vorgänge auf der Sonne im Projekt Solar Dynamics Observatory.

Ich plante die Nacht zuvor, wie ich die beste Aufnahme im Wallis von diesem Jahr heute zu bewerkstelligen hätte, die Hochsteig- und darauf folgenden Runtergehenszeiten in die Bergdämmerung hinein ziemlich knapp. Doch die SBB vereitelte das Unternehmen, indem der Zug in Thun über zehn Minuten stehenblieb, so dass man dem Anschlusszug in Visp Richtung Sion und weiter nach Les Haudères und Coutaz nur noch nachwinken konnte. Wäre das Konzert nicht gewesen, hätte ich dem SBB-Meyer ein Ticket Richtung Sonne gewünscht. Keine Meldung nirgends unter „Bahnverkehrsinformationen“, als wäre der Anschluss von 100 und mehr Leuten im Wallis dem Unternehmen hundewurst. Nein wirklich, mir geht’s wieder gut.

Unsuk Chin 2

Montag, 2. November 2015

Soeben live auf Radio France concert enregistré le 10 octobre 2015 à la Maison de la Radio dans le cadre du Festival d’Automne avec Nieuw Ensemble Amsterdam, Ed Spanjaard, direction.

– Unsuk Chin, Cosmigimmicks – pantomime musicale pour ensemble (composition 2011-2012).

– Unsuk Chin, Akrostichon-Wortspiel – sept scènes de conte de fées, pour soprano et ensemble (composition 1991), Yeree Suh, soprano.

– Jeongkyu Park, INTO… pour sheng et ensemble (composition 2015), Wu Wei : sheng (orgue à bouche).

– Unsuk Chin, Gougalon, scènes de Théâtre de rue, pour ensemble (composition 2009-2011).

Wieder drei Stücke von Unsuk Chin, die mir sehr gut gefallen (auch das von Park hat eine ähnliche materielle Ästhetik, bei ihm zentriert um liebliche Rockmuster herum). Wenn ich beim Prozess des Hörens von Unsuk Chin zu einer Kritik ansetze, verändert sich die Musik, und die Komponistin zeigt sich einsichtig. Die Künstlerin weiss, wie weit sie gehen kann und wie weit sie sich gehen lassen darf. Es zeigt sich bei Unsuk Chin ein starker, gänzlich neuartiger Typus von Subjektivität, eine souverän gemeisterte Subjektivität – alles andere als ein Es, das sich durch die banalen Autoritarismen des Überichs dirigieren liesse.

Sobald eine Musik gegensätzliche Tendenzen enthält, die ästhetisch oder materiell kompositorisch bewusst auf die Spitze getrieben werden, ist sie ernst – und diskutabel.

Gestern im Frühabend bei kompletter Übermüdung während einer Pause der Bildbearbeitung von goldenen Eringerbildern ein Violakonzert gehört, völlig fasziniert und am Schluss ebenso radikal überrascht, dass es vom geschmähten Schnittke stammt. Plötzlich in ihm der Gedanke, der wohl auf die Übermüdung zurückzuführen ist: ich liebe diese Musik mehr als Berg, dessen Engel in ihr ständig anklingt. Genau die erwähnten gegensätzlichen Tendenzen hörte ich, jede für sich an wildfremden Orten plazierbar und im Gesamten so wunderbar neu, dass sich nie die Frage stellte, von wo das Einzelne wirklich herkommt.

Zur Musik von Unsuk Chin habe ich einen unmittelbaren Zugang, zu derjenigen von Schnittke einen vermittelten. An irgendeinem Punkt scheinen sie vergleichbar zu werden.