Archiv für den Monat November, 2014

Sophia Gubaidulina: In tempus praesens (2)

Donnerstag, 20. November 2014

Soeben live auf SRF 2 Konzert vom 25. Oktober 2014, Opernhaus Zürich, Philharmonia Zürich, Fabio Luisi, Leitung, Bartek Niziol, Violine.

Sophia Gubaidulina, Violinkonzert Nr. 2 In tempus praesens (1987).

Helle Begeisterung auch heute vom ersten bis zum letzten Ton. Ein Stück, das einen herausfordert, über alle seine Partien detailliert zu sprechen. Die Mittel sind alt, was sich in ihnen aber zeigt neues Unerhörtes.

Iannotta, Grisey, Lanza, Bailie

Montag, 17. November 2014

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 24 octobre 2014 en l’église Saint-Merri (Paris 4ème) par l’ensemble soundinitiative, sous la direction de Leonhard Garms.

Clara Iannotta (née en 1983), D’après pour flûte, clarinette, piano, percussion, violon, alto et violoncelle. – Ein neuer Wind in der Musik, ziemlich kompakt und aufgeweckt.

Gérard Grisey (1946-1998), Berceuse des Quatre chants pour franchir le seuil (transcription de Brice Pauset), pour mezzo-soprano et ensemble (création française), Fabienne Séveillac, mezzo-soprano. – Zu leicht und zu luftig für unsere dumpfe Zeit. Vielleicht könnte man das Stück etwas präziser spielen?

Mauro Lanza (né en 1975) / Andrea Valle (ordinateur), Regnum Animale, pour trio à cordes et objets électromécaniques (création française). – Ich kann gut auf Humor in der Musik verzichten, hier ist er aber gelungen. Eine musikalische Tierwelt, die auch die Jüngsten interessieren dürfte. Das Stück aber ein zweites Mal hören? Eher nicht, da die ausgedehnten Zeitverhältnisse es aufdringlich machen.

Joanna Bailie (née en 1973), StreetSouvenir, pour flûte, clarinette, piano, violon, alto, violoncelle et contrebasse (nouvelle version, création française). – Aufgewärmter Satie, mit Ferrari gewürzt. Hübsche Effekte ohne kompositorische Anstrengung.

Mauro Lanza (né en 1975), Vesperbild, pour grand ensemble, instruments jouets et électronique. – Der Wille ist da, aber in der Ökonomie hapert es. Am besten gegen den Schluss hin, wo wieder die Nachttiere aufscheinen.

Heimatklänge

Mittwoch, 12. November 2014

Vorgestern Abend live auf WDR 3 Konzert vom 25. Schaffhauser Jazzfestival 2014 mit New Bag: Christy Doran, Sarah Buechi, Vincent Membrez, Lionel Friedli.

Christy und später Brigeen und Dave Doran bewachten seit dem Om-Konzert in der Aula Tribschen mehrere Luzerner Hintereingänge zur Musik. Ihre Konzerte besuchte man der Gier folgend auch auswärts wie ihre Platten im 20. Jahrhundert allesamt in der Familie als feiertägliche Kulturgüter hin- und hergeschenkt wurden (Google Bilder zeigen kein unbekanntes Cover aus der genannten Zeit). Das Tribschenkonzert in den frühen siebziger Jahren geschah noch vor der Konfrontation mit Hendrix und McLaughlin, weshalb es wie ein einzigartiger & scheinbar einmaliger Initiationsritus in die Musik als unantastbares Fundstück der Erinnerung gänzlich ausserhalb der kritischen Reflexion erhalten bleibt, als Ort von Heimat. Gerade weil diese Musik neben derjenigen Schönbergs & Co. ein so grosses Gewicht bekam, hätte ich mir die Läufe auf Dorans Gitarre länger und entschieden mehr in die Länge gezogen gewünscht, befreit von der Last aller Bescheidenheit. Beim Geniessen des Schaffhauser Konzerts dünkte es mich nun klar, dass es sich keineswegs um eine Frage der materiellen Disposition, sondern um eine des ästhetischen Willens handelt. Die ganze, mit Freude genossene Zeit fragte ich mich, warum die Band nichts Neues entstehen lassen will, warum die Einsätze gleich wie die Abgänge meistens leicht auseinander plaziert sind und sich kein erweiterter Raum bildet, in dem sich eine intellektuelle Spannung doch endlich aufbauen müsste. New Bag zeigt sich wie die Ästhetik in den neuen Medien heute, die gemeinhin als etwas Ärgerliches beschrieben wird, als ein Geflecht von Impulsen, die das Publikum, also die Gesellschaft des Alltags dazu verführt, nur Muster mehr wahrzunehmen, die Welt der Kunst, der Musik und des Lebens zerstückelt in Müsterli, wie sie früher neben der Kasse in den Läden als Reizwerbung beiläufig mitzunehmen waren. Aber Dorans Musik ist nicht ein Effekt der aktuellen Medientechnologien. Man muss den Willen ernsthaft ins Auge fassen und die Sachlage gänzlich umstülpen: die musikalische Ästhetik ist älter als die Technologien, mit denen sie bruchlos korrespondiert. Doran gehört zu den Pionieren der Zerstreuung, indem er von Anfang an einen regelrechten, zuweilen irisch, zuweilen innerschweizerisch geprägten mürrischen Unwillen darüber demonstrierte, dass sich die Teile seiner Stücke fortspinnen und verknüpfen liessen, auf dass ein erweiterter, spannungsgeladener musikalischer Zusammenhang entstehen würde. Eine solche Ästhetik, die im deutlichen Willen, der den Abhub will, von jedem Zufall frei ist, hat man in gleicher Weise hinzunehmen wie den Ort, an dem man geboren wurde, weil er für einen selbst als reiner Zufall dasteht.

Dann noch in derselben Radioaufnahme von Schaffhausen das Lucien Dubuis Trio & Spacetet mit dem Stück Albumblatt für Herrn Schprögel. Keine Sache, die sich hinter dem Bag verstecken müsste: Grandioses aus dem Jura! Klar, ohne den Disziplinierungsschub des Streichquartetts erschiene einem ein alter musikalischer Sack und die Ohren täten langsam gähnen.

Dean, Herrmann, Carter, Birtwistle

Dienstag, 4. November 2014

Soeben live auf Bayern 4 Konzert der musica viva, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung Stefan Asbury, Aufnahme vom 24. Oktober 2014 im Herkulessaal der Münchner Residenz.

Brett Dean: „Three pieces for eight horns“. – Umwerfend, luxuriös, sinnlich.

Arnulf Herrmann: „Drei Gesänge am offenen Fenster“ (Uraufführung). – Die gleichen Attribute wie beim ersten Stück: faszinierend, farbig und mit räumlicher Tiefe, bestaunenswert – und Erwartungen freisetzend.

Elliott Carter: „Epigrams“ für Klaviertrio. – Die Spontaneität des über Hundertjährigen erinnert an die ungestüme Subjektivität eines Jugendlichen. Auch ein letztes Stück kann frech klingen und als Herausforderung daherkommen.

Harrison Birtwistle: „Responses. Sweet disorder and the carefully careless“ (Uraufführung). – Mindestens so stark die Wirkung hier wie bei den anderen Stücken des Abends, so dass man dasitzt und einem die Kinnlade aufs Knie zu fallen droht. Sinnlichkeit ohne die geringste Anbiederung an eine vermeintliche Blödheit des Publikums wie bei den zwei Österreichern vor zwei Tagen.

Iannotta, Nono, Lachenmann

Montag, 3. November 2014

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 17 octobre à la Cité de la Musique (Paris) dans le cadre du festival d’Automne. L’ensemble Intercontemporain est dirigé par Matthias Pintscher.

Clara Iannotta (née en 1983), Intent on Resurrection – Spring or Some Such Thing pour dix-sept musiciens (2014, création, commande de l’Ensemble Intercontemporain et du Festival d’Automne à Paris).

Luigi Nono (1924-1990), Omaggio a György Kurtag, pour contralto, flûte, clarinette, tuba et électronique, Lucile Richardot, contralto, André Richard, projection du son.

Helmut Lachenmann (né en 1935), Concertini.

Nach dem ärgerlichen Kitsch gestern der zwei Österreicher auf Ö1 nun wieder sehr gute und wahrhaftige Musik.