Archiv für den Monat Juni, 2016

Palumbo, Saunders, Manoury

Montag, 27. Juni 2016

Soeben live auf France Musique l’Ensemble Linea sous la direction de Jean-Philippe Wurtz: concert enregistré le jeudi 16 juin 2016 dans la Grande Salle du Centre Pompidou à Paris.

Emanuele Palumbo (né en 1987), Artaud Overdrive, pour ensemble, trois dispositifs Listen et électronique (2015-2016). – Salonzappa mit viel Aufwand und viel fruchtbarem Fleiss.

Rebecca Saunders (née en 1967), Fury II, concerto pour contrebasse solo et ensemble (2009, création française), Florentin Ginot, contrebasse. – Ich werde immer stetiger zum Fan von Saunders: hoch dosierte Dynamitsalvenmusik in einer Stärke, die in Lumpy Gravy nur versprochen worden war. Es ist nicht der Lärm, der beeindruckt, sondern das kompositorische Können, das die Eruptionen immer unter Kontrolle hat.

Philippe Manoury (né en 1952), B-Partita (in memoriam Pierre Boulez) pour violon solo, ensemble et électronique, Hae Sun Kang, violon. – Tonal gedachte Skizzen mit doppeltem Kapellenhall. Boulez wird in Baden-Baden nie so viel Schwarzwäldertorte gegessen haben wie in dieser Confiseriemusik stecken geblieben ist.

Cattaneo, Ferneyhough, Furrer, Maresz

Montag, 20. Juni 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 10 juin 2016 à La Philharmonie de Paris avec L’Ensemble intercontemporain, sous la direction de Matthias Pintscher. Sébastien Vichard, piano.

Aureliano Cattaneo, Corda pour piano et électronique, (création mondiale, commande de Annie Clair). – Überraschende Klangereignisse über einer kompositorisch leicht fahrigen Struktur. Tonale Akkordfolgen, jazzig kadenzierende Ton(ab)läufe. Wäre es von Keith Emerson improvisiert, tät ich’s liken: Moog, nicht Midi ist bei diesem Stück angesagt. Das letzte Viertel ist aber so oder so gut. (Es macht verlegen, ein Stück teilweise gut, teilweise schlecht zu finden: man meint, das kompositorische Subjekt sei wohl nicht gut drauf, aber ansonsten im Bereich der Kunst voll kompetent.)

Brian Ferneyhough, Inconjunctions, pour vingt instrumentistes (création française). – Der Komponist ist altersmilde geworden (hoffentlich auch im Bereich der Anforderung an die InstrumentalistInnen): man folgt den kompositorischen Strukturverläufen nun leichter als früher; sie sind spielerischer. Ein schönes Werk, regelrecht. Auch hier ist der letzte Teil leichter und fasslicher als das heranwachsende Stück.

Beat Furrer, linea dell’orizzonte, pour ensemble. – Furrer ist manchmal akademisch und leicht überkorrekt (leicht, he, nicht wirklich!). Bei diesem Stück aber sicher nicht: es funkelt, fordert die sinnliche Neugierde heraus (man will sich endlich gehen lassen…) und macht einen sogar träumen. Wenn Zappa auch ausserhalb der Mothers gut hätte komponieren können, hätte es möglicherweise so getönt. Ein vifes Stück, und Zappa hätte mitspielen und mitwürzen können.

Yan Maresz, Tutti, Tutti pour ensemble et dispositif electronique. – Der Schmarren kommt mir schon einmal gegessen vor. Durchs Band Effekte ohne musikalischen Begründungszusammenhang.

Machault, Notre Dame

Sonntag, 19. Juni 2016

Soeben direkt live auf Deutschlandradio Kultur aus der Friedenskirche Berlin das Ensemble Organum, Leitung Marcel Pérès.

Guillaume de Machault, Messe de Notre Dame. – Umwerfend!

Haas und Klaus: Koma

Sonntag, 12. Juni 2016

Soeben live auf SWR 2 vom 27. und 28. Mai 2016 in Darmstadt, Ensemblemitglieder des Staatstheaters Darmstadt, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Leitung: Jonathan Stockhammer.

Georg Friedrich Haas: „Koma“, Oper mit einem Text von Händl Klaus. – Wegen der auf Harmonie ausgerichteten Mikrotonalität, der fetten Harmonie des Naturjodels, wirken die explosiven Partien arrangiert wie in einer TV-Show. Eine leichte Musik zu einem aktuellen, schweren Thema, dem missratenen Selbstmord.

Sebastien Tinguely

Freitag, 10. Juni 2016

Der Unterwalliser Biologe und Fotograf Tinguely hat seine Website neu gemacht. Mein Favorit unter den Bildern ist eine Gruppe von Rebhühnern mit einem Steinbock:

Sebastien Tinguely

Man sollte einen kühlen Oeil de Perdrix zu trinken haben.

Maresz, Lindberg, Lutoslawski

Montag, 6. Juni 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 4 juin 2016 à l’Auditorium de la Maison de la Radio avec l’Orchestre Philharmonique de Radio France, sous la baguette de Julien Leroy.

Yan Maresz, Répliques (Nicolas Tulliez harpe, Thomas Goepfer, réalisation informatique musicale Ircam). – Maresz soll der einzige Schüler von John McLaughlin gewesen sein. Für Doppelhalsgitarre statt für Harfe wäre das Stück ein Zacken besser. Da Maresz bei einigen anderen Leuten Komposition studierte, ist er gänzlich frei von McLaughlins Ästhetik. Er sollte etwas schneller arbeiten.

Magnus Lindberg, Corrente II. – Alte Stahlwerkmusik mit viel Sibelius darin eingeklemmt. Lindberg hätte diese metallische Sache nie verraten dürfen. Zur selben Zeit der Aufnahme war ich in Luzern an einer Familienparty, die in einer Töff- und Autogarage abging (und einen anderntags beim Aufwachen, immerhin wieder 100 Kilometer vom Alptraumort entfernt, denken liess, man hätte soeben in einer Öllache geschlafen) – und nur wenige hundert Meter nebenan spielten nach Hörensagen die braven Eisern jungfräulich gebliebenen Mägde ihre Show, als wären sie bei Lindberg in die Schule gegangen.

Witold Lutoslawski, Symphonie n° 4. – Lutoslawskis Musiksprache wird nie richtig modern gewesen sein; sie tönte immer schon wie vom Dachstock heruntergeholt.

Zusatz: Zur selben Zeit wie Lindbergs Corrente II in Paris gespielt wurde und ich in einem Machinotop von Motorenöl Wein eingoss, spielten in der räumlichen nächsten Nähe nicht die Iron Maidon, sondern ein Akteur unter dem Bannspruch Einmal Deutsch Immer Nazi, dessen Gruppennamen wie von vielen Akteuren der Öffentlichkeit unter Vernünftigen heute nicht weiter ausgesprochen werden soll.

Kaija Saariaho mit Spätwerkproblemen

Montag, 6. Juni 2016

Gestern Abend live auf SWR 2 drei Konzerte vom 20. Mai 2016 an den Schwetzinger Festspielen mit Claudia Barainsky (Sopran), Robert Koller (Bariton), Schola Heidelberg, Camilla Hoitenga (Flöte), Héloïse Dautry (Harfe), Nicolas Hodges (Klavier), Florent Jodelet (Perkussion), Sarah Saviet (Violine), Anssi Karttunen (Violoncello), Charlotte Testu (Kontrabass), Jean-Baptiste Barrière (Elektronik), Leitung: Walter Nußbaum.

Ausser dem letzten, einer Art Urfassung der Oper L’amour de loin, alles junge Stücke von Kaija Saariaho ab 2000 für kleine Besetzungen: „Light and Matter“, Klaviertrio, „Aure“ für Violine und Violoncello, „Serenatas“ für Violoncello, Klavier und Perkussion, „Terrestre“ für Flöte, Perkussion, Harfe, Violine und Violoncello, „Tocar“, Fassung für Flöte und Harfe, „Sombre“ für Bariton, Flöte, Harfe, Perkussion und Kontrabass, „Tag des Jahrs“ für Chor und Elektronik, „Changing Light“ für Sopran und Violine, „Écho!“ für Vokalensemble und Elektronik, „Lonh“ für Sopran und Elektronik.

Nach den drei Konzerten in zweieinhalb Stunden wurden noch zwei frühere Stücke auf CD gesendet. Beeindruckend, wie Orion gegenüber den soeben gehörten Konzertstücken frisch und avanciert erscheint, als ob ungefähr seit dem Jahr 2000 Saariaho mit der Tendenz, auf Momente der Tonalität zurückzugreifen, ein bequemeres, aber eben auch grösseres Publikum ins Auge fassen möchte. Triviale Dur-Moll-Komplexe sind keine zu auszumachen, umso mehr frivole Sequenzierungen, dialektische Wiederholungen (keine Repetitionen) und ganz auffällig unterhaltsame Akkordbrechungen als durchgehendes Formprinzip bei Solobegleitungen.

Frühsommer 2016

Sonntag, 5. Juni 2016

https://www.anzere.ch/tourismus-ski-spa/webcams-anzere-135.html