Archiv für den Monat September, 2007

Panorama herstellen mit Autostitch

Donnerstag, 27. September 2007

Ein Panorama ist nur selten eine 360° Ansicht; schon zwei zusammengefügte Fotos setzen aber ein kompliziertes Verfahren voraus, das auch jenes erst ermöglicht. Und was sind denn bloss zwei oder drei zusammengefügte Einzelfotos anderes als ein Bild im Weitwinkelformat? Eine gute Panoramatechnik ist demnach auch ein billiger Objektiversatz. Da Autostitch in vielen Fällen auch mit der Kombination von waagrechten und senkrechten Serien zurande kommt, erlaubt es selbst die Herstellung von Bildausschnitten, die vorher nur Grossformatkameras zustande brachten.

A) Programminstallation

Autostitch hier oder sonstwo downloaden, entpacken, den Ordner auf ein Laufwerk kopieren, wo er mit dem Explorer leicht zu erreichen ist, den Unterordner mit allen Beispieldateien löschen. Im Ordner Autostitch sind nur noch drei Dateien. – Autostitch ist winzig klein, geht bei der Installation, die mit dem Entpacken schon fertig ist, nicht zu den grossen Programmen und macht keine Registry-Einträge.

B) Voraussetzungen

1. Beim Fotografieren darauf achten, dass alle Bilder mit derselben Blenden- und Verschlusszeitenkombination und demselben Weissabgleich gemacht werden. Man holt die Belichtung bei der hellsten Zone, die noch Zeichnungen enthalten soll (meine Panoramen werden oft unterbelichtet, aber das ist weniger schlimm als ein Himmel mit weissen Flecken anstelle von Wolken). Meistens mache ich mit der Olympus sp-550 Weitwinkel-Senkrechtaufnahmen. Ein Stativ ist überflüssig: Wenn man zügig fotografiert, bleibt man gut auf der Horizontalen, und dass jeweils ein Drittel der Bilder sich überlappen sollen, ergibt sich mit der Übung von alleine. Am heikelsten ist, in steilem Gelände beim blinden Drehen des Körpers nicht abzustürzen.
2. Alle Panorama-Dateien in den Autostitch-Ordner kopieren (sRGB, eventuell etwas verkleinert – ich verkleinere 7M-Pixel Bilder auf 75%). Pro Fototag habe ich zwischen 20 und 30 Panoramen, also sind dann bis über 100 Dateien darin (ich mache auch kleine, denn zwei Bilder mit Zoom zusammengesetzt ergeben ein schärferes Gesamtbild als eines im Weitwinkelformat). Die Arbeit mit Autostitch dauert dann über eine Stunde – und nachher müssen die Bilder noch im Grafik- oder Bildverarbeitungsprogramm geschnitten und für die Internetpräsentation oder den Ausdruck weiter angepasst werden. – Zuweilen produziert Autostitch einen Fehler, der darin besteht, bei Kanten wie längeren Graten eine Art Schatten zu zeichnen; er lässt sich aber leicht wegkopieren, weil es zwischen ihm und der Kante selbst eine Lücke gibt.

C) Panorama herstellen

1. Mit Explorer im Ordner Autostitch das Programm autostitch.exe starten.
2. Edit/options
a) Output Size Scale auf 100%
b) Matching Options auf Scale (unverändert 25%)
c) Unten rechts Other Options System Memory 0.5 und JPEG Quality 100% (Nach jedem neuen Programmstart müssen diese Optionen neu gesetzt werden.)
3. File Open und Dateien wählen.
4. Warten. Bei 10 Dateien kann es auch mit einem schnellen Computer zehn Minuten dauern. 360° Panoramen funktionieren nicht richtig, weil das Programm den Mittelpunkt selbst bestimmt. In diesem Fall eine Datei weglassen – oder schon beim Fotografieren daran denken und das erste Bild entsprechend positionieren (es wird dann zum Mittelpunkt).
5. Es erscheint das fertige Bild in der Windows-Bildanzeige. Hier unten aufs Speichern-Symbol, TIFF-Format wählen und dem Panorama einen eigenen Namen geben.
6. File Open und die weiteren Dateien wählen, falls mehrere Panoramen gemacht werden sollen.

Wenn mehr als 5 Panoramen gemacht werden, empfiehlt es sich, vorher mit der Unterstützung eines Bildarchivierungsprogramms wie ThumbsPlus, ACDC oder der XP-Bildanzeige etc. von Hand auf einem Papierzettel eine Liste zu machen: 3-5; 15-22; 45-51; 112-123, etc., alles untereinander. Läuft ein Stitch-Prozess, macht man hinter die betreffende Dateiengruppe ein Lehrerhäckchen. Wenn nur eines oder nur sehr wenige Panoramen gemacht werden sollen, wäre das Unsinn, bei vielen ist es aber sehr sehr wichtig und entlastet einen mächtig.

Zusatz: Seit Juli 2011 benutze ich Hugin, ein schwierigeres Programm mit Eingriffsmöglichkeiten, das die Panoramen schärfer und deutlich weniger verzerrt darstellt.

W. G. Sebald

Mittwoch, 26. September 2007

Sebalds Werk beschreibt eine Flugbahn, deren Ausgangspunkt eindeutig dasteht, deren Zielgebiet in der Lektüre zuweilen nur unklar seine Konturen zeigt. Die Kurve zwischen den beiden Polen bildet eine Spannung, die sowohl die Lektüre der Einzelstücke als ganze wie in den Einzelpassagen bestimmt. Obzwar nur selten, reisst die Spannung einige Male, und man fragt sich, ob der Text nicht schon, vielleicht, in den Kitsch abgeleitet ist. Da der Spannungsbogen aber nie vollends bricht, bleibt es bei der stillen Frage, und man folgt nach einer Krise den Spuren in den Stücken weiterhin vertrauensvoll.

Geboren im allgäuischen Wertach 1944, grenznah zu Österreich, mit Umzug nach acht Jahren nicht weit nach Sonthofen, macht Wilfried Georg Sebald ein Studium der Germanistik und der Allgemeinen Literaturwissenschaft zuerst im deutschen Freiburg, dann im schweizerischen Fribourg. Mit kurzem Unterbruch als Gymnasiallehrer in St. Gallen ist er ab 1966 in Manchester, ab 1970, ebenfalls mit kurzem Unterbruch, im englischen Norvich. Schon die Magisterarbeit von 1968 erregt Aufsehen, und die Kontroverse über sie hilft ihm nicht wenig, sich über seine Befunde mehr Klarheit zu verschaffen als es die Ausführung der Hausarbeit alleine vermocht hätte. Zwei Punkte bleiben entscheidend, dass erstens nur schwächere literarische Werke tel quel sich soziologisch deuten lassen, um sie, wie er 1968 in einer spontanen Anfrage an Adorno hervorhebt, aus ihrer Trostlosigkeit herauszulösen und dass zweitens Störungen in der Sprache weniger als Fortschritt im Umgang der Sprache als künstlerischem Material denn als Anzeichen eines psychischen Defektes zu begreifen wären.

Es ist klar, eine Auseinandersetzung mit James Joyce und Arno Schmidt würde diese Voraussetzungen nicht lange als gültige bestehen lassen, und sie findet sich bei ihm auch nirgends. Man denkt an die Musik und an die Eigenwilligkeit von KomponistInnen, die eine Abwehr gegen die serielle Musik entwickelt haben und von einem Fortschreiten der Kunst nur augenzwinkernd reden. Die Magisterarbeit zerpflückt Carl Sternheim, die Dissertation analysiert Döblin und die Habilschrift widmet sich kleinen Passagen von Kafka, Canetti, Bernhard, Handke und wenigen anderen, die derart eine Psychoanalyse-nahe Lektüre anvisieren, als ob die künstlerische Produktion immer schon die Grenze zum Wahn, zum Tod und, wie man ergänzen müsste, zum Tier auszuloten hätte.

Bis zum Tod 2001 durch einen Autounfall erscheinen vier überaus erfolgreiche, und zwar in verschiedenen Sprachregionen sehr schnell gefeierte Prosawerke: Schwindel. Gefühle (1990), Die Ausgewanderten (1992), Die Ringe des Saturn – Eine englische Wallfahrt (1995) und Austerlitz (2001). Der Übergang zu ihnen von den akademisch-essayistischen Texten geschieht kaum merklich, so dass dem Genuss der literarischen Werke ohne Trübung ein solcher der ersten Arbeiten folgen kann. Als Zusätze erscheinen der Autor selbst – zuweilen ein ganzes Knäuel von Erzählenden – und die Lüge. In allen Stücken gibt es einen Icherzähler, der zu einem realen Zeitpunkt, meistens nach 1980, entweder sich an einem realen Ort aufhält, den er beschreibt, oder sich in einem Raum bewegt als Reisender, als Verreisender, als Wanderer, als Auswanderer, als Rückkehrer, als Heimatloser. Sebald gibt seiner gewöhnlichen biographischen Herkunft aus einem bayrischen Voralpenkaff eine Bedeutung, von der er nicht lassen will: Auch diese abgelegenen Flecken der Welt waren Nester des Faschismus, auch ihre verstreute Bevölkerung von Armen stellte zuhauf Akteure der Schuld des Faschismus (nach 1970 unterdrückte er seine deutschtümelnden Vornamen und liess sich Max rufen). Orte und einzelne Menschen, Räume und erinnerte Lebensgeschichten – das sind keine komplexen Beziehungs- und Gedankengebilde, die ein gesellschaftliches Gefüge besser verstehen lassen würden. Anstoss zum Erzählen bilden Einzelheiten, die in einen Verlauf gestellt werden. Und so sind Sebalds Stücke idealtypische Verlaufsgeschichten, zuweilen linear und kurz, dann gebrochen, aufgeschichtet oder mit Einschüben versehen, die selbst auch vielfältig auswachsen und komplex dastehen dürfen, zumal alle Prosatexte mit Fotos des Autors durchsetzt sind, entweder die äussere Wirklichkeit abbildend oder bloss Dokumente, die im Text zur Sprache kommen, also auch Fotos beziehungsweise Bilder und Zeichnungen aus Dokumenten. Meine erste Lektüre waren Die Ringe des Saturn, die unmittelbar daran anschliessende Austerlitz. Erst in der zweiten Hälfte des zweiten Buches entstand eine gewisse Mulmigkeit: Je verzweifelter und abgründiger sich die Lebensgeschichte und der Terror gegen sie entfalteten, desto mehr machte sich ein Misstrauen breit. Die Bestätigung dann im Internet, dass Sebald in allen Prosatexten die Fakten mit Phantasien erweitert, brachte wieder Ruhe in den Lesefluss, so dass ganz der objektiven Erfordernis der Stücke gefolgt werden konnte, die Darstellung von Stimmungslagen genau ins Auge zu fassen und nicht die Einzelfakten auf ihre Verlässlichkeit hin zu überprüfen. Man akzeptiert, dass in einem Text konstruiert wird, um einen komplexen Zusammenhang wie den Lebensverlauf (recte: Sterbensverlauf) im Holocaust als Gesamtbild darzustellen, dessen Grauen nicht durch die Summe empirischer Gegebenheiten als verständliches Gebilde füglich gezeichnet werden könnte; denn das Grauen selbst ist nicht mehr verständlich und zuinnerst also die Lüge selbst.

Doch wie weit darf ein Autor im literarischen Erfinden der Lüge Raum geben? Wenn erst einmal deutlich geworden ist, dass die Lüge als Fiktion ihren Platz im Textgefüge innehat, wo immer sie hineinpasst, wird die Lektüre strapaziert, weil es meistens nicht möglich ist, sie zu durchschauen oder dann, wenn man eine vermutet, ihren Sinn klar zu erkennen. Da die Fotos keine Quellenangaben enthalten, betrachtet man sie des öfteren mit Verärgerung, insbesondere in den zwei Büchern Austerlitz und Die Ausgewanderten, da sie Authentizität suggerieren sollen, zuweilen aber, ist man erst dem Trick auf die Schliche gekommen, in aller Offensichtlichkeit vom Autor fingiert worden sind, manchmal launisch und ohne rechte Intention, manchmal den Gang der Geschichte erst konstituierend. Dieses schuldhafte, lügenhafte Phantasieren kippt in Phantasterei um, wenn Ereignissen und Gegebenheiten Koinzidenzen und Beziehungen unterschoben werden, wo es peu à peu doch allen LeserInnen dämmert, dass weder die eine noch die andere Seite solcher Beziehungen der Realität entnommen ist. Nur der Autor scheint unverfroren an seine Texte zu glauben, in denen er sich hütet, aus einer zwar warmen und angenehmen, nichtsdestotrotz wabernden Sprache der Romantik auszubrechenden und in ihr selbst anzudeuten, wie denn dem Geschilderten begegnet werden müsste. Alles geht in den Texten seinen normalen, realen Gang, der das Reale selbst darstellen soll. So wundert es denn mit der Zeit nur wenig, dass das Unglück der gejagten Juden nicht mehr aus den Handlungen bestimmter gesellschaftlicher Akteure abgeleitet wird, sondern als Unglück an sich in der Existenz überhaupt gesehen wird (dem historischen Existentialismus hatte der junge Sebald noch widersprochen), ganz aus dem romantischen Abhub herausgefischt in der unendlichen und abgründigen Natur des Menschen. Es gibt aber das Recht nicht, die Dialektik von Natur und Geschichte ausser Kraft zu setzen. Man muss benennen: es sind die brüllenden Führer, die die Parolen ausgeben, es sind die Medien, die sie wie Mist übers Volk verzetteln, und es sind im Staatsapparat die WissenschafterInnen, TechnikerInnen, Ärztinnen und Dienstpersonen, die die immer faschistischer werdenden Regeln in den Alltag überführen. Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, alles als schlecht zu qualifizieren, wenn das gesellschaftliche Schlechte zur Sprache kommen soll. Bei Sebald, der das Unglück von Anfang an zum Thema hatte, dünkt es einen in zunehmendem Masse vernebelt.

Wandern und Vergessen

Sonntag, 23. September 2007

Vorgestern Abend bei der Bärenfalle in Saas Fee dieses Schild gesehen und reflexartig mir gesagt, jetzt übertreiben sie wieder, die Deutschen oder Österreicher, und wandern nur noch glücklich, wenn sie hinter einem Wanderführer nachwandern dürfen, mit eigenen Karten und eigens für sie geschaffenen Wanderwegen. Mal schauen im Internet, wer das ist, der Herr Carl Rückmayer. Google ist schlauer und fragt mich unverzüglich, ob der Mensch nicht vielleicht Carl Zuckmayer heissen soll? Uff, und momentan lese ich doch gerade einen prominenten Literaturwissenschaftler…

Sur incises

Donnerstag, 20. September 2007

Gestern Nacht trotz der üblichen Abwehrstrategie von Schweizer Radio DRS2, alles daran zu setzen, dass ernste Musik nur im zeitlichen Abseits und ohne jede Ankündigung in einem Programm als üble Pflicht gesendet wird – am liebsten würden sie’s tonlos machen – endlich Sur Incises von Pierre Boulez gehört, aufgenommen in den letzten Wochen in Luzern. Dass es solche Musik noch gibt, spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde, gut über eine halbe Stunde lang! Man könnte neu geboren werden wollen.