Archiv für den Monat Oktober, 2013

Filidei, Ammann, Aperghis, Harvey

Montag, 28. Oktober 2013

Soeben auf France Musique Concert enregistré le 5 octobre 2013 au Palais de la Musique et des Congrès de Strasbourg, l’Orchestre symphonique de la Radio de Cologne, dirigé par Emilio Pomárico.

Francesco Filidei (né en 1973), Fiori di fiori – 2012. – Ziemlich interessantes, jedenfalls ungewöhnliches Stück, Appetit nach mehr auslösend.

Dieter Ammann (né en 1962), Unbalanced instability – 2012-13, Carolin Widmann, violon. – Der Titel ein Witz, ist es eine Musik ohne Brüche, tonal gedacht, stabil tonal, und das flache Feld der Big Band-Ästhetik nie verlassend. Heute noch nicht ganz hier angekommen. Die Geige passte besser in ein Kurorchester in einem finsteren Krachen, hier schläft sie unter der Feldmusik.

Georges Aperghis (né en 1945), Quatre Etudes – 2012. – Besseres als von ihm bekannt. Aperghis sollte nicht mehr für Stimmen schreiben.

Jonathan Harvey (1939-2012), Body Mandala – 2006. – Kulturimperialistischer Edelkitsch eines Klostertouristen. Man lasse die Religionen endlich ruhen.

Sebastian Rivas, Aliados

Montag, 21. Oktober 2013

Soeben live auf France Musique vom 4 octobre 2013 au théâtre de Hautepierre de Strasbourg:

Sebastian Rivas, Aliados (Alliés), un opéra du temps réel.

Esteban Buch, livret, Robin Meier, réalisation informatique musicale Ircam, Julien Aléonard, ingénieur du son Ircam, Ensemble Multilatérale, Léo Warynski, direction, Nora Petrocenko, Lady Margaret Thatcher, mezzo-soprano, Lionel Peintre, Général Augusto Pinochet, baryton, Mélanie Boisvert, l’infirmière, soprano
Thill Mantero, l’aide de camp, baryton, Richard Dubelski, le conscrit, acteur-musicien.

Eine kleine Erzähloper über eine Militärgroteske im 20. Jahrhundert, den Falklandkrieg 1982, und eine Begegnung zwischen dem chilenischen Faschisten Pinochet und der damaligen britischen Premierministerin Thatcher etwas später. Die Musik begleitet anekdotisch unterschiedliche Arten von Statements, die beim blossen Zuhören nicht nachvollzogen werden können; sie wirkt so leer und rein unterhaltend. Schon möglich, dass auf diese Weise bei Leuten, die den Bereich der Unterhaltung nie verlassen, Momente der Geschichte bewusst gemacht werden können.

Posadas, Mantovani, Manoury

Sonntag, 20. Oktober 2013

Soeben direkt live auf SWR2 Donaueschinger Musiktage – LIVE, Abschlusskonzert, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Bläsertrio recherche, Ensemble Modern, SWR Vokalensemble Stuttgart, Leitung: François-Xavier Roth.

Alberto Posadas: „Kerguelen“, Tripelkonzert für ein Trio verstärkter Holzblasinstrumente und Orchester (2013) (UA). – Das erste Stück des Festivals, dem ich gebannt und ohne Widerspruch zuhöre. Es dürfte ruhig doppelt so lange sein.

Bruno Mantovani: Kantate Nr. 3 für Chor und Orchester (2012/2013) (UA). – Auf einem Carl Palmer nahestehenden Schlagzeugboden, der den Spieltrieb des Publikums, wenigstens meinen eigenen, unmittelbar anspricht, bewegt sich eine bis in die Einzelheiten solide Chor- und Orchestermusik. Ein Meisterwerk, das nie etwas Neues verspricht, von dem aber viele lernen könnten, wie sie bessere Musik grossformatig zu komponieren hätten. Mantovanis Stück bezieht sich musikalisch nachvollziehbarer auf Beethoven als Langs The Saucy Maid auf Bruckner. Es kann nur gut sein, wenn man sich angeregt fühlt, auf längere Zeit hin beide miteinander zu vergleichen. (Das beste Stück des Festivals, und so viele Buhrufe – ich verstehe das deutsche Fernseh- und Jazzpublikum wohl nimmermehr…)

Philippe Manoury: „IN SITU“ für Orchester und Ensemble (2013) (UA). – Die Treicheln, also sehr grossen geschmiedeten Blech- und Kupferkuhglocken erinnern schnell an Rituel von Boulez, ebenso gewisse eruptive Tuttipassagen. Immerhin ist die Grundbewegung doch eine ganz andere, eine, die das Ziel nicht vorwegnimmt. Musik zum Geniessen.

Georges Aperghis

Sonntag, 20. Oktober 2013

Soeben direkt live auf SWR2 Donaueschinger Musiktage – LIVE, Ensemblekonzert II, Klangforum Wien, Leitung: Emilio Pomàrico.

Georges Aperghis: „Situations“, Soirée musicale für 24 Musiker (2013) (UA). – Ich habe musikalisch nichts verstanden und es hat mir an dem Leerlauf nichts gefallen

Enno Poppe

Samstag, 19. Oktober 2013

Soeben direkt live auf SWR2 Donaueschinger Musiktage – LIVE, Ensemblekonzert I, Klangforum Wien, Leitung: Enno Poppe.

Enno Poppe: Speicher I-VI (2008-2013) (UA). – Die letzten zwanzig Minuten beeindrucken und sind interessant, doch der lange Weg dorthin ist so verwüstet wie einer nach Eggerbergs Gorbji.

Hèctor Parra, Raphaël Cendo

Samstag, 19. Oktober 2013

Soeben live auf SWR2 zeitversetzt vom Mittag Donaueschinger Musiktage Chor-Ensemblekonzert.

Hèctor Parra: „I have come like a butterfly into the hall of human life“ (2009), 5 elektroakustische Szenen nach Khlebnikov, Produziert am Ircam-Centre Pompidou, Musikinformatik: Thomas Goepfer, (UA 2. Oktober 2009 in Londres – Kings Place). – Ohne die fernsehpublikumsgerechten und also infantilen Slapstickeinlagen fünf Minuten nach Beginn und ganz am Schluss ein gemütliches Stück elektronischer Musik.

Raphaël Cendo: „Registre des lumières“ für Chor, Ensemble und Live-Elektronik (2013) (UA). SWR Vokalensemble Stuttgart, Ensemble musikFabrik, Musikinformatik: Grégory Beller, Klangregie: Maxime Le Saux, Leitung: Marcus Creed. – Eine schöne Musik, gut geeignet, um daneben – Musik zu machen. Allerdings erstunlich viel des technischen und organisatorischen Aufwandes, um ein Musical von warmer Luft zu produzieren. Die Nerven werden kribbelig, wenn sie einer während so langer Zeit anspricht und doch nur dreist unterfordert.

Walter Zimmermann, Bernhard Lang

Freitag, 18. Oktober 2013

Soeben live direkt auf SWR2 Donaueschinger Musiktage – LIVE, Eröffnungskonzert, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung: Pascal Rophé / Wolfgang Lischke / Christopher Sprenger

Walter Zimmermann: „Suave Mari Magno“ „Clinamen I-VI“ für 6 Orchestergruppen (1996-1998/2010-2013) (Uraufführung der Neufassung). – Rituelle Wiederholungen mal so, mal anders. Tatatta(taa) tüüütürüü als Werkzelle für eine Stunde lang Musik? Merde, am schlimmsten ist mir der Gestank von Myrthe & Weihrauch. Anhaltender Applaus der Premieregemeinde.

Bernhard Lang: Monadologie XIII „The Saucy Maid“ für 2 Orchestergruppen im Vierteltonabstand nach Anton Bruckners Linzer Sinfonie „Das kecke Beserl“ (2013) (UA). – Das könnte Musik sein nach meinem Gusto, als würde ein Panorama zu einem Planetenpanorama zusammengefaltet. Der Hörgenuss dünkt mich ziemlich gross und Bruckner als Vorwurf gut geeignet. Möglicherweise tut sich hier etwas Neues auf, das sich in die Breite entfalten kann. Habe ich gut zugehört oder hat umgekehrt meine Aufmerksamkeit nachgelassen, wenn ich peu à peu die beiden Orchester unter den Kopfhörern als gleichgestimmte wahrgenommen habe?

Harvey, Zimmermann, Pintscher

Montag, 14. Oktober 2013

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 27 septembre à la Cité de la Musique, Paris.

Jonathan Harvey, Two Interludes and a Scene for an Opera – 2005. Claire Booth, soprano (Prakriti), Gordon Gietz, ténor (Ananda), Ensemble Intercontemporain, Matthias Pintscher, direction, Gilbert Nouno et Carl Faia, réalisation, informatique musicale Ircam, Franck Rossi, ingénieur du son Ircam. – Klammert man die semantischen Bezüge aus, hört man ein gutes Stück nicht wenig farbiger Musik. Die männliche Gesangspartie macht allerdings keinen grossen Appetit auf die ganze Oper. Wie peinlich nur zuweilen die englische Sprache in der Musik erscheint, als wäre sie der Inbegriff der Ware tel quel.

Bernd Alois Zimmermann, Sonate pour violoncelle seul – … et suis spatiis transeunt universa sub caelo (L’Ecclésiaste III, 1) – Rappresentazione, Fase, Tropi, Spazi, Versetto – 1960, Pierre Strauch, violoncelle. – In der Tat ein Werk, das erst heute redlich, also unaufgeregt, gewürdigt werden kann. SolocellistInnen müssten es jederzeit zum Betsen geben können. Es erscheint wie ein Funkenhaufen, der vom Monolithen Bach abspringt.

Matthias Pintscher, Bereshit – 2011-2013, Ensemble Intercontemporain, Matthias Pintscher, direction. – Schönes Beginnen, und man möchte, es würde sich nicht weiterentwickeln und nur immer so weiter beginnen. Wider Erwarten erscheint Schöneres, Interessanteres, Dialektisches: eine spannende Musik!

Phänomenologie des Berggängerblicks

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Das Gärsthorn ist eine nackte Flanke, an deren rechtem Rand man aufsteigt. Gestern ging ich den Weg nach vierzehn Jahren zum zweiten Mal, jetzt den ganzen Tag im dicken Nebel, früher bei klarem Wetter. Die Aussicht auf dem Gipfel ist umwerfend, da man quasi auf Augenhöhe dem Bietschhorn gegenübersteht. Auch wenn die Gipfelrundsicht und also der explizite Sinn der anstrengenden Wanderung gestern sabotiert worden war, erscheint das Erlebnis im ganzen doch eindrücklich. Denn auch wenn man bis zuoberst immer einer bequemen Wegspur folgen darf, gibt es drei Partien, die bei Lichte besehen nicht ganz ohne sind: man muss steile Felsplatten auf dünnen, unterbrochenen, parallel weiter zu verfolgenden Rinnen, die mit rutschigen Kieselsteinen gefüllt sind, überqueren (Bildpunkte 1 und 4, in abgeschwächtem Masse auch 5 (2 zeigt den Platz des Kreuzes auf 2400 m, 3 die falsche Einzeichnung desselben auf der Karte)). Auch wenn die Platten nur zehn Meter breit sind, liegen sie in einem steilen Hang, und sie lassen sich weder oberhalb noch unterhalb umgehen. Bei schönem Wetter erscheinen nicht nur diese Partien steil, sondern der ganze Blick sitzt in einem einzigen, fast randlosen Feld der Steilheit. Je höher gelegen die Passage einen knurrend erwartet, desto riesiger wirkt das Feld der Steilheit, und auch ein Schwindelfreier wird sich gewahr, wie seine übergrosse Vorsicht den Boden der Angst unverhofft schon am Betreten ist. Bleibt einem dieses Feld aber in der dicken Nebelsuppe verborgen, spaziert man über die Platten wie das Kind auf einem gemalten Strich, den es sich als Seil in der Zirkuskuppel vorstellt und wo es sich beim ganzen Vorgang damit brüstet, dank seiner heroischen Selbstsicherheit niemals abstürzen zu müssen. Geschieht dieses Spiel einen Tag lang in einem Gelände, das einem veritabel in die Knie fährt, geht einem auf, wie beschaffen das Sehvermögen derjenigen BerggängerInnen sein muss, die festen Schrittes steilere Passagen mit winzigeren und brüchigeren Rinnen ohne Wimpernzucken tagelang durchsteigen. Das ist nur möglich, weil sie das äussere Blickfeld, die visuelle Protention, je nach Notwendigkeit bis über das eigentliche, fokussierbare Blickfeld hinauszuverschieben vermögen. Sobald sie in einen Steilhang geraten, fahren sie ihre virtuellen Scheuklappen hoch und können es sich nicht verkneifen, dem Weitsichtigen das Zögern als Schwäche vorzuhalten. Sie triumphieren aber nur über ihre eigene Schwäche, das objektive Sehfeld nicht im ganzen nutzen zu können.

Claudio Monteverdi: Marienvesper

Dienstag, 8. Oktober 2013

Soeben live auf France Musique concert donné en l’Abbatiale d’Ambronay dans le cadre du Festival d’Ambronay, les 13 et 14 septembre 2013, Cappella Mediterranea, Choeur de Chambre de Namur, Leonardo Garcia Alarcon, Direction.

Claudio Monteverdi, Vêpres à la Vierge (1610). – Vierhundert Jahre alt und, in dieser Aufführung, so jung und frisch, als wäre sie vor ein paar Jahren erst geschaffen worden.

Ivo Malec

Montag, 7. Oktober 2013

Soeben live auf France Musique concert enregistré au Centquatre (Paris) en décembre 2012 dans le cadre d’un week-end consacré à la Croatie. Françoise Kubler, soprano, Frédérique Garnier, harpe, Ying-Yu Chang, percussions, Christian Eloy, direction du son.

Ivo Malec, Week-end, 1. Cloches proches et lointaines, 2. A Wagner (1984). – Rave aus einer Zeit, als es noch etwas zu versprechen gab: Elektrosounds in schönen Gewändern.

Ivo Malec, Cantate pour elle (1966). – Eine Kunstattacke auf Berio & Berberian, die man beide um alle Ecken hört.

Ivo Malec, Attacca – concerto pour percussion solo et partie électroacoustique, (1985-1986). – Hübsche Tafelmusik, nicht sehr schwierig, aber mit Passagen, die aufhorchen lassen.

Zusatz: Begleitet mit Kommentaren der Musikwissenschaftlerin Michèle Tosi wurde nach dem Konzert Musik von Ivo Malec ab CD gespielt, die zugleich eindrücklicher, eigenwilliger und verbindlicher wirkte. Es scheint, als ob das Konzert „dans le cadre d’un week-end consacré à la Croatie“ unter low budget Bedingungen hätte organisiert werden müssen und deswegen nicht wirklich als Portraitkonzert, das einen Einblick ins Gesamt der Ästhetik des Komponisten gewähren soll, verstanden werden kann.

Kaija Saariaho: Cloud Trio

Freitag, 4. Oktober 2013

Soeben live direkt auf Oe1 das Trio Zebra aus Graz (Ernst Kovacic, Steven Dann und Anssi Karttunen).

Kaija Saariaho, Cloud Trio. – Eines ihrer eingängigsten Werke, einheitlich, impulsiv und tief packend wie ein Tag auf dem Glishorn im September 2013.

Vorher: Friedrich Cerha, Zebra und Miroslav Srnka, The Tree of Heaven (mit Webern dazwischen).