Musik im alten Wallis
Sonntag, 25. August 2013Beim planlosen Herumspionieren in den Gemäuern des Grand St-Bernard bin ich auf einen Schatz gestossen, von dem ich nicht einmal weiss, seit wie lange und in welcher Form er der Musikwissenschaft bekannt ist. Es handelt sich um sehr alte Handschriften, die Musik schon seit dem 12. Jahrhundert aufbewahren und sehr schöne und umfangreiche Materialien aus dem 14. Jahrhundert und folgenden präsentieren. Man kann nur hoffen, dass diese Seiten mit den Handschriftenscans im Internet bestehen bleiben.
Ich klaue ein Müsterchen aus dem 12. und eines aus dem 14. Jahrhundert, damit man sieht, wie man sich auch ohne musikalische Forschungsgier diese Text- und Musikpassagen vorzustellen hat.
http://www.gsbernard.ch/60/618_01.html
Zusatz 1: Ich habe sieben Handschriften und vier Fragmente mittels WebSpider komplett heruntergeladen, aus jedem Teil einen einzigen Ordner mit den grossen Scans gemacht und jeden Ordner zusätzlich mit der ganzen verlinkten Seite als Zusatzbild versehen. Nun kann ich mit einem Bildviewer wie Faststone störungsfrei diese wunderbaren Handschriften als ganze Werke durchblättern. Obwohl ich im Nebenfach Musikwissenschaft studiert hatte, bin ich nicht imstande, die oben gestellte Frage zu beantworten, ob die Stücke allesamt zum gängigen Repertoire gehörten oder ob es unter ihnen auch singuläre und originäre Kompositionen geben könnte.
Zusatz 2: Unter den Fundstücken verdient Fragment 8 besondere Aufmerksamkeit, das Übrigbleibsel zweier Kompositionen von Guillaume Dufay (ca. 1400 bis 1474), einem Meister der Zeit wie Boulez heute. Jürg Stenzl hat im Aufsatz „Un fragment de Dufay au Grand-Saint-Bernard“ in der Revue musicale de la Suisse Romande 24, Seiten 5-7 schon 1971 diese zwei Ruinen beschrieben, musikhistorisch eingeordnet und erläutert, und er hat auch plausibel gemacht, dass sie durchaus von diesem Komponisten für dieses spezielle Haus hatten komponiert sein können. Wenn so der Grosse Sankt Bernhard nun musikalisch wenigstens phasenweise als kleines Zentrum der Produktion und Reproduktion dasteht, gilt dasselbe nicht fürs Wallis tel quel – denn die Beziehungen des Hauses waren immer nach Savoyen, wo Dufay eben auch angestellt war, ausgerichtet, einem Terrain, das mit Fug als gesellschaftlicher Antipode zum alten Wallis begriffen werden muss und keineswegs als einer seiner repräsentativen Plätze missdeutet werden darf.