Archiv für den Monat Oktober, 2011

Tribune internationale des compositeurs 2

Sonntag, 30. Oktober 2011

Soeben auf Espace 2 Teil 2 der Senderauswahl der Tribune internationale des compositeurs aus Wien vom 7. bis 10. Juni 2011. Wenn ein unbedarfter Bürger und eine brave Bürgerin mit dieser Sendung zum ersten Mal mit Neuer Musik in Kontakt kommen, werden sie eine solche ihr Leben lang meiden und ihre herkömmlichen Pippisounds mit Fug als das nehmen, was sie werbetechnisch von sich behaupten, Musik für sie zu sein, die besser nicht erträumt werden könnte. Was die Radiosender hier tun, ist radikales Abwürgen aller anstehender Musikvermittlung im Keime.

Francesco Filidei, Macchina per scoppiare Pagliacci, dir. Orchestre national de la Rai, Pascal Rophé. – Expressionistische Artikulation einer gesellschaftlichen Erstickung, wie ein eingeschwärztes Bild. Trotz des Hangs zu einer konkretistischen Erzählweise faszinierend.

Tatjana Kozlova, Disintegration chain, dir. Curious chamber player, Rei Munakata. – Eine Atmosphäre beschreibend, in der alles hell gestimmt ist: Ländlerkitsch.

Julieta Szewach, Como el rayo que estalla en los aires, se quebraran las estrellas, dir. Chorus of the Orchestra of Indigenous Instruments and New Technologies, Alejandro Iglesias Rossi. – Chormusik für Indianerinnen. Ländlerkitsch von der Konzeption her, in der Realisation aber schön & ergreifend wie Herbstbilder aus dem Wallis.

Raminta Serksnyte, Midsummer song, dir. Kremerata Baltica Orchestra, Gidon Kremer. – Ländlerkitsch schon wieder? Tut jedenfalls nicht weh. So schön wie die Komponistin ist die Musik niemals, und das rettet sie.

Jasna Velickovic, Last song, dir. José García, Diego Espinosa, Lester Rodriguez, Juan Martinez. – Hübscher Kuhglockensound auf der Alp, vom üblen Strauss ab Platte unterbrochen.

Niels Rosing-Show, Chimere, dir. Danish National Symphony Orchestra, Thomas Sondergard, Andreas Brantelid. – Schläfrige Gartenlaubenmusik.

Daniel Bjarnason, Bow to String, dir. Saeunn Porsteinsdöttir. – Nur wenig unterhaltsame Kinderzimmermusik. Let’s go to Björk!

Hafdis Bjarnadottir, A day in February. – Schlechter Geschmack in den Ohren.

Danny mc Carthy, Mick O’Shea, magnetic field rotation, dir. Danny mc Carthy, Mick O’Shea / The quiet club. – Noch schlechterer Geschmack, wie in einem Frankfurter Jazzclub.

Friedrich Cerha: Spiegel I-VII

Freitag, 28. Oktober 2011

Soeben auf OE1 Wien Modern 2011 live – Eröffnungskonzert.

Friedrich Cerha: Spiegel I-VII für großes Orchester und Tonband (1961). Übertragung aus dem Großen Konzerthaussaal in Wien. ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Cornelius Meister.

Eine spannende und körperlich packende Musik gänzlich ausserhalb der Strukturmomente von tänzerischen Bewegungsimpulsen und Liedmotiven. Die Glissandotechnik erinnert weniger an Ligeti und Xenakis als an eine immer noch unerkannte der Leitmotivik ohne Motivteile. So weit von Wagner entfernt ist er es doch immer wieder, der einem beim Begreifen des ganzen eineinhalbstündigen Meisterwerks in den Sinn kommt.

Tribune internationale des compositeurs 1

Montag, 24. Oktober 2011

Gestern Abend auf Espace 2 Teil 1 der Senderauswahl der Tribune internationale des compositeurs aus Wien vom 7. bis 10. Juni 2011. Selten habe ich soviel schlechte neue Musik auf einem Haufen gehört, als ob man eine Jekami-Veranstaltung einer Grundschule dokumentiert hätte. Die Denkhaltungen und Ästhetiken dieser Leute bewegen sich gänzlich ausserhalb des historischen Horizontes, aus dem sie kommen. Am meisten geärgert hat mich das Werk Dislokationen der Komponistin Iris ter Schiphorst, weil sie vor einer Woche in Donaueschingen positiv herausragte, hier aber um so mehr das Übel des Mainstreams repräsentierte, so zu agieren, als ob es gelte, in einer Disco obenauf zu schwimmen. Nehmt endlich zur Kenntnis, dass man in der Kunst und in der Musik nicht wie in der Finanz- und Industriewelt alles darf. Ein Minimum an geistiger und kompositionstechnischer Selbstkontrolle ist gefordert.

Sven Sosnitski, Solara ( dir. Kristi Mühling , Helena Tuuling , Indrek Pjus , Sven Sosnitski ).

Benjamin Attahir, N’Zah ( dir. Orchestre Ntional de France , Florian Gassagne , Giani Caserotto ).

Alberta Navickas, Blanche t’a vu ( dir. Egle Sirvydyte ).

Juan Pablo Nicoletti, Abismo al abismo.

Iris ter Schiphorst, Dislokationen ( dir. Christop Grund ).

Miroslav Srnka, Les adieux ( dir. Ensemble Modern , Matthias Pintscher ).

Sebastian Fagerlund, Ignite ( dir. Finnish Radio Symphony Orchestra , Sakaro Oramo ).

Anthony Pateras, Flesh and ghost ( dir. Speak percussion , Eugene Ughetti ).

Judith Ring, …within an egg of space ( dir. Concorde Ensemble ).

Pli selon pli (2)

Montag, 17. Oktober 2011

Soeben auf France Musique live vom 27 septembre à Paris, Salle Pleyel:

Pierre Boulez (né en 1925): Pli selon pli (Portrait de Mallarmé pour soprano et orchestre).

Barbara Hannigan, soprano, Académie du Festival de Lucerne, Ensemble Intercontemporain, Pierre Boulez, direction.

Die letzte übetragene Aufführung erfolgte am 30. September aus München, direkt live, also später als die heute gehörte. Eine Wonne auch jetzt, ebenso wie immer unter Kopfhörern.

Luca Mosca, L’Italia

Sonntag, 16. Oktober 2011

Soeben auf Espace 2 live vom 15 mai 2011 au Teatro Goldoni de Firenze:

Luca Mosca, L’Italia del destino.

L’orchestre du Maggio Musicale Fiorentino est placé sous la direction de Marco Angius

Diese Pfadfinder-Oper ist so unspannend, unlustig und unsinnig wie eine Schlagerparodie, die niemals etwas anderes ist als die Zehrung des Parodierten.

Haddad, Hagen, Dohmen

Sonntag, 16. Oktober 2011

Soeben auf SWR 2 live direkt von den Donaueschinger Musiktagen aus dem Mozart Saal der Donauhallen: Abschlusskonzert.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Nina Janßen (Klarinette)
Gjermund Larsen (Hardanger Fiddle)
Leitung: François-Xavier Roth

Saed Haddad: „Kontra-Gewalt“ für Klarinette und Orchester (UA). Sehr früh schon verwirrende Sequenzierungen, dann beim Hören zunehmend Sehnsucht nach den Stücken für die Stuttgarter VokalsolistInnen, die ernster waren und auch in scheinbar schwachen Passagen mehr Drive zeigten.

Lars Petter Hagen: „To Zeitblom“ für Hardanger Fiddle und Orchester (UA). Nichts auszusetzen, ausser an den nachäffenden Textstellen zum Gedenken Adornos.

Andreas Dohmen: „zirckel / richtscheyt / felscher“ für großes Orchester (UA). Die verdiente saftige Antwort aufs Adornospiel Hagens: Eine zeitgenössische Hausmusik der Investmentbankers. Für Bettler langweilig, buhwürdig: undichter Neoskrjabinismus.

Nemtsov, Walshe, Maïda, Schiphorst

Sonntag, 16. Oktober 2011

Soeben auf SWR 2 live von den Donaueschinger Musiktagen, Vokalkonzert vom Vormittag aus dem Bartók Saal der Donauhallen.

Neue Vocalsolisten Stuttgart.

Sarah Nemtsov: „Hoqueti“ für 6 Solo-Stimmen mit Zusatzinstrumenten zu Traum-Texten von Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Bert Brecht (UA).

Jennifer Walshe: „WATCHED OVER LOVINGLY BY SILENT MACHINES“ (UA).

Clara Maïda: „X/Y“ für 7 Stimmen (UA).

Iris ter Schiphorst: „Studien zu Figuren, Seria A“ (UA).

Gar nicht so unhübsche & unmusikalische Döskunst, mit Ausnahme der Studien von Schiphorst, die einen nicht nur munter, sondern auch ernsthaft aufmerksam werden lassen.

Rebecca Saunders: Stasis

Samstag, 15. Oktober 2011

Soeben direkt live von den Donaueschinger Musiktagen aus dem Strawinsky Saal der Donauhallen: Ensemblekonzert 2.

musikFabrik, Einstudierung: Rebecca Saunders.

Rebecca Saunders: Stasis für Ensemble und Raum (UA). Eine abgründig schöne Musik.

Sergej Newski, Wolfgang Mitterer, Hans Thomalla

Samstag, 15. Oktober 2011

Soeben auf SWR 2 live direkt von den Donaueschinger Musiktagen aus dem Bartók Saal der Donauhallen: Ensemblekonzert 1.

Experimentalstudio des SWR, musikFabrik, Sarah Maria Sun (Koloratursopran), Leitung: Enno Poppe.

Sergej Newski: „Arbeitsfläche“ (UA). Musik ohne Drive und ohne Dichte, eine nur für sich.

Wolfgang Mitterer: „Little Smile“ für Ensemble und Live-Elektronik (UA). Die Post geht ab, das Leben ist kurz – und die Musik das Beste. Nur enden hätte das Stück oder der Auftritt nicht sollen.

Hans Thomalla/William Lamson: „The Brightest Form of Absence“, Multimedia Komposition für Stimme, Ensemble, Live-Elektronik und Videoprojektion (UA). Man muss gerne herumdösen, wenn man mit dieser Art eines Naturthemas in der Kunst viel anfangen will. Schön ist das Stück allemal, zumindest in der virtuosen Handhabung der Technologien. Die Erinnerung ans Fernsehen dünkt mich zu aufdringlich.

Pierluigi Billone, Wolfgang Rihm

Freitag, 14. Oktober 2011

Soeben auf SWR2 direkt live aus der Baar-Sporthalle von den Donaueschinger Musiktagen: Eröffnungskonzert.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung Emilio Pomàrico mit musikFabrik, Alda Caiello (Stimme), Lorelei Dowling (Fagott).

Pierluigi Billone: „Phonogliphi“ für Stimme, Fagott und Orchester (UA). Ziemlich interessanter Weg neuester Musik durch die Naturlandschaft, auf dem das, was man als Struktur und Form erwartet, als Schichten, Lagen und Fallniveaus erscheint.

Wolfgang Rihm: Séraphin-Symphonie (2011) für Ensemble und Orchester (UA). Das Schichtähnliche in diesem Stück, auf das der Komponist in gesendeten Gesprächsausschnitten selbst hingewiesen hat, ist eine Verfahrensweise mit der Möglichkeit, die Strukturformen, die nicht auseinander abgeleitet werden können, übereinander darzustellen, öfters durch verschiedene Tempi und Beschleunigungen. Anders als im Stück von Billone verbinden die Schichten, indem sie durchscheinen lassen und kenntlich machen, was alles im Stück zur Musik wird und keineswegs als zerfallene, möglicherweise gar ausgesonderte Natur zu denken wäre. Es bleibt hier alles Musik, der man so aufmerksam folgen will wie immer schon jeder guten & spannenden (klar, der letzte Takt ist missraten – kann passieren).

Zusatz am andern Morgen: Rihms Séraphin-Symphonie erweckt beim ersten Hören mehr Aufmerksamkeit und Spannung als Billones Stück Phonogliphi, dem in geringem Masse auch Momente der spannungslosen Ambientemusik zugehören. Aus der Distanz verbirgt Phonogliphi aber mehr an Rätselhaftigkeit, der man durch nochmaliges Zuhören auf die Spur kommen möchte. Bei Rihm ist die Vermutung manchmal gerechtfertigt, dass er Spannungsbögen willkürlich unterbricht und aufgestauter Energie da einen Weg freimacht, wo es ihm im Moment des Komponierens gerade zupass kommt. Dieses einzigartige virtuose Komponieren verbaut den Stücken das, was die angestrengteren der anderen zuweilen in ein Schlechtes kippen lässt, zuweilen indes in einen verführerischen Zauber, von dem man zu wissen glaubt, er mache die grosse Kunst aus.

Für John Cage: Wilhem Latchoumia, piano

Montag, 10. Oktober 2011

Soeben live auf Radio France Musique Konzert vom 26. September in Paris im Théâtre Bouffes du Nord mit dem präparierten Klavier von Wilhem Latchoumia.

John Cage (1912-1992)
Daughters of the Lonesome Isle

Oscar Bianchi (né en 1975)
Schegge

John Cage
Radio Music

Karl Naegelen (né en 1979)
Piano guiro

Thierry Blondeau (né en 1961)
Redshift

John Cage
Radio Music

Francesco Filidei (né en 1973)
Filastrocca girardina

Pierre Jodlowski (né en 1971)
Série „C“

John Cage
Suite for toy piano

Alex Mincek (né en 1975)
Pendulum VIII : „TKS I“

Gérard Pesson (né en 1958)
Cage in my car

John Cage
Radio Music

Ich habe nach den Daughters of the Lonesome Isle nicht viel von diesem Konzert gehört, mehr aber von einem ganz anderen. Ich stehe mitten in einem Orchester, ziemlich direkt vor dem Dirigenten, Pierre Boulez. Mein Instrument ist die riesige Sitar, umgehenkt wie eine Gitarre – und vollkommen ungestimmt. Mir ist es äusserst peinlich, dass erstens das Instrument nur falsche Töne von sich gibt, ständig und dank den Resonanzsaiten selbständig, zweitens ich es nicht spielen kann und drittens ich demnächst unter seiner Last zusammen brechen werde. Ich komme auf die Idee, normal auf den Boden zu sitzen, weil ich so wenigstens das Instrument halten und ihm gleichzeitig sozusagen den Mund stopfen kann, ohne dass man dies, mit Ausnahme des Dirigenten, zu sehen bekäme. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie ich mit dem riesen Instrument unter allen MusikerInnenbeinen durchkrieche, das böse Ding im Schlepptau, ständig durch Antippen darum bittend, den Stuhl ein wenig zur Seite zu schieben. Endlich plaziere ich mich wieder vor dem Dirigenten – keine Ahnung, wieso ich nicht auf der nämlichen Stelle mich niedergelassen hatte. Ich gebe mir Mühe, so zu tun, als wäre ich nicht nur ein dummer August, sondern in Wirklichkeit auch ein Musiker wie die anderen, und wache auf. Arnaud Merlin sagt gerade das erste Stück von CD nach dem Konzert an.

Alfred Schnittke: Sinfonie Nr. 5

Samstag, 8. Oktober 2011

Gestern Abend auf SWR2 Konzert vom 10. Juni in Stuttgart, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Leitung: Vassily Sinaisky.

Alfred Schnittke: Sinfonie Nr. 5

Mit Schnittkes Musik konnte ich mich nie recht anfreunden, weil mir der Bezug zur Vergangenheit als Feigenblatt erschienen war, das den Komponisten davor bewahren sollte, zur Gegenwart Stellung zu nehmen – sie dünkte mich unredlich. In dieser negativen Haltung hörte ich gestern die fünfte Sinfonie, und sehr auffällig schien mir, wie sie ganz altertümelnd Melodien folgte, deren ruppige Aneinanderreihung das Fehlen konstruktiver Innovationen offenbar zu übertünchen hatte. Es dauerte indes nicht lange, bis mein grimmiger Blick wie eine falsche Maske zu Boden fiel und ich merkte, dass ich dieser Musik völlig gespannt folge. Denn offenbar tut diese Musik nur an ihrer lauten Oberfläche so, als ob sie wie in einem Geneleralbass der Melodie oder Melodiefetzen nachgeordnet wäre. In einem stetigen Prozess, nicht unähnlich einer permanenten Variation, geschieht ein Verschmelzungsprozess, in dem das Ganze zu einer Konstruktion erwächst, die erst am Schluss auf es zurückblicken lässt. Der Vorgang im ästhetischen Werk dünkte mich zunehmend unergründlich und deswegen immens spannend. Die Musik erzeugt keine positive Erwartungshaltung, in der sich eine Spannung aufbaut, die sich an einem Kulminationspunkt zu entladen hätte, aber am Schluss ist man darüber verblüfft, was für ein wunderbares Ganzes sich ergeben hat, das einer eigenen, keineswegs veralteten Sprache folgte – und in der Tat wäre ich ihr ganz gerne noch weiter gefolgt. Vielleicht sollte man diesen Komponisten wieder vermehrt zu hören bekomme

Vipernzeichnungen

Samstag, 1. Oktober 2011

Yves Brunelli hat auf einer Seite ausschliesslich Walliser Vipernköpfe von oben zusammengestellt, die ihre Zeichnungen gut unterscheiden lassen, wie sie an den jeweiligen Lokalitäten anzutreffen sind:

http://vipere-passion.over-blog.fr/article-la-carte-d-indentite-des-viperes-que-j-observe-85537270.html