Archive für 14. Oktober 2011

Pierluigi Billone, Wolfgang Rihm

Freitag, 14. Oktober 2011

Soeben auf SWR2 direkt live aus der Baar-Sporthalle von den Donaueschinger Musiktagen: Eröffnungskonzert.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung Emilio Pomàrico mit musikFabrik, Alda Caiello (Stimme), Lorelei Dowling (Fagott).

Pierluigi Billone: „Phonogliphi“ für Stimme, Fagott und Orchester (UA). Ziemlich interessanter Weg neuester Musik durch die Naturlandschaft, auf dem das, was man als Struktur und Form erwartet, als Schichten, Lagen und Fallniveaus erscheint.

Wolfgang Rihm: Séraphin-Symphonie (2011) für Ensemble und Orchester (UA). Das Schichtähnliche in diesem Stück, auf das der Komponist in gesendeten Gesprächsausschnitten selbst hingewiesen hat, ist eine Verfahrensweise mit der Möglichkeit, die Strukturformen, die nicht auseinander abgeleitet werden können, übereinander darzustellen, öfters durch verschiedene Tempi und Beschleunigungen. Anders als im Stück von Billone verbinden die Schichten, indem sie durchscheinen lassen und kenntlich machen, was alles im Stück zur Musik wird und keineswegs als zerfallene, möglicherweise gar ausgesonderte Natur zu denken wäre. Es bleibt hier alles Musik, der man so aufmerksam folgen will wie immer schon jeder guten & spannenden (klar, der letzte Takt ist missraten – kann passieren).

Zusatz am andern Morgen: Rihms Séraphin-Symphonie erweckt beim ersten Hören mehr Aufmerksamkeit und Spannung als Billones Stück Phonogliphi, dem in geringem Masse auch Momente der spannungslosen Ambientemusik zugehören. Aus der Distanz verbirgt Phonogliphi aber mehr an Rätselhaftigkeit, der man durch nochmaliges Zuhören auf die Spur kommen möchte. Bei Rihm ist die Vermutung manchmal gerechtfertigt, dass er Spannungsbögen willkürlich unterbricht und aufgestauter Energie da einen Weg freimacht, wo es ihm im Moment des Komponierens gerade zupass kommt. Dieses einzigartige virtuose Komponieren verbaut den Stücken das, was die angestrengteren der anderen zuweilen in ein Schlechtes kippen lässt, zuweilen indes in einen verführerischen Zauber, von dem man zu wissen glaubt, er mache die grosse Kunst aus.