Archiv für den Monat Juli, 2012

Letzte Fahrt fürs Postauto

Montag, 30. Juli 2012

Lange Passfahrt in einem Postauto, die Strasse ist sehr breit, wie eine Autobahn, ohne Haarnadelkurven. Es ereignen sich viele Beinaheunfälle, in denen nur mit Glück nichts und niemand zu Schaden kommt. Nun eine Konstellation in Schnellfahrt, in der das Unglück geschehen muss, und ich verfolge es vom Sitz hinten links durch die Scheibe. Im letzten Moment das Ganze im Zeitlupentempo: man sieht den Entgegenkommenden, in den frontal geknallt werden muss, wie er im letzten Moment rückwärts (!) hinter den Wagen zurückspurt, den er am Überholen ist. Es ist ein SOS-Auto des Touring-Clubs, mit einem Meister des Fahrens also. Nun scheint sich unser Postautochauffeur zu verwandeln, ohne angehalten zu haben. Beim nächsten, bereits geschehenen Unfall auf der Gegenfahrbahn fährt er zu, als ob er halten möchte, gibt aber dem Auto einen letzten Ruck, so dass es über die Leitplanken hinweg oder hindurch hinter dem Wagen, der zertrümmert im Bord liegt, mit Achsbrüchen und sonstigen Schrammen zu stehen kommt. – Ich sehe mich ausserhalb des Postautos auf der Fahrbahn bei den anderen Unfallwagen, die vor unserem simulierten, gewissermassen selbstmörderischen Unfall ineinandergeputscht zum Stehen kamen, schaue über die zertrümmerte Leitplanke hinab zum Postauto im Hang mit Felsblöcken und Gestrüpp, betrachte den desertierten Chauffeur in halbweiter Distanz: er erscheint als Held, der trotzdem mit Fug auf seine Verhaftung wartet.

Fehler in WordPress

Samstag, 28. Juli 2012

Wer einen Blog betreibt, bereitet zuweilen einen Eintrag vor oder, was eher zum Regelfall gehört, schreibt einen neuen Eintrag, der mehr oder weniger deutlich auf einen anderen Bezug nimmt, der erst vor kurzem geschrieben worden war. Haben solche Einträge ein gewisses Alter erreicht und stehen nicht mehr auf der Eingangsseite des Blogs, werden sie von den Suchmaschinen als Vereinzelte angezeigt. Stehen in ihnen keine Hinweise auf den oder die angespielten anderen, gehen das Beziehungsverhältnis und der hintergründige Zusammenhang gänzlich verloren, die den isolierten Schreibpassagen den Sinn, also ihren mehrfachen oder doppelten Sinn, erst ermöglichen – das Lesen bleibt notgedrungen oberflächlich und ahnungslos.

Es müsste also in der Präsentation eines Einzeleintrags oder Blogs, wie sie auf die Googlesuche folgt, ein Link dastehen, dessen Betätigung den Eintrag nochmals zeigt, nun aber in der Mitte plaziert zwischen den fünf bis zehn Einträgen zeitlich zuvor und zeitlich danach veröffentlichten, von denen eben vielleicht einer oder zwei konzeptuell als gleichwichtig zum gesuchten zu verstehen wären.

Dritter Gewalttraum

Freitag, 27. Juli 2012

Nach zwei Stunden endlich Einschlafen (die Stäbe geben keine Ruhe, als ob sie sich wie Brennstäbe nicht mehr kühlen liessen, trotz Rucksack- und Computerabstinenz). Man wird aus dem Haus gelockt und merkt erst später, dass man keines mehr betreten darf. Alle werden zusammengetrieben, bekommen die unterschiedlichsten Uniformen. Zeugnisse sind Makulatur und werden als solche gedeutet, dann zerrissen. Die in den schönsten Uniformen sind die Entschiedensten, „Entschlossensten“. Man wird gewahr, dass man es zu spät gemerkt hat. Es ist kein Unglück geschehen: es sind nur die einen, die die anderen treiben.

Zweimal Gewalt

Donnerstag, 26. Juli 2012

Ich bin mit jemandem, jung oder alt, Mann oder Frau unbekannt, in einer Hütte; wir müssen raus aus der Bretterbude, die ich genau so verschliesse wie hier unten mein Kellerabteil, mit einem Klämmerli (damit keine Katze die Türe aufstossen und im Innern scheissen gehen kann), wo wir sofort von der Polizei verfolgt werden. Aufwachen, bevor das Glück entschieden ist.

Sofort wieder eingeschlafen. Ich bin, ungewissen Alters, mit einem Mädchen in einem Spitalzimmer, uns gegenüber eine Frau, nicht unschön, leicht älter, knapp über 25. Sie droht uns, sagt, es geschähe etwas, wenn sie zurückkommt, sie kille U. Also verlässt sie das Zimmer. Wir bewaffnen uns mit Haselstecken, ziemlich dünnen und kaum nützlichen. Trotzdem bekämpfen wir sie unerbittlich, nachdem sie beim Wiederintreten sofort auf U. mit leuchtender Munition einschiesst, und ich versuche, mit dem dünnen Stecken ins Auge zu treffen. Sie ist wendig und spottet im Kampf. Ich ziehe wie beim Fussball oder Kungfu auf und kicke ihr, ob aus dem Bett oder im Zimmer stehend ist ungewiss, mit voller Kraft filmreif in die Kinnlade. Da es heiss ist, liege ich nicht unter der Decke und knalle meinen wirklichen rechten Fuss voll in die Wand linker Seite. Es macht einen grossen Bumm, von dem das ganze Haus erwacht, ich höre Türen im Treppenhaus – für sie ist allerdings kaum schon Schlafensnacht.

George Benjamin: Written on Skin

Sonntag, 22. Juli 2012

Soeben auf France Musique concert donné le 5 juillet au Grand Théâtre de Provence: George Benjamin, Written on Skin (Création mondiale). Orchestre Mahler Chamber Orchestra, George Benjamin, Direction.

Aufgewärmter Strauss-Mist, nie über eine Musik hinausgehend, die sich zu einer überlebten nachäffend verhält. Die schlecht komponierten Gefühle und Empfindungen stehen wie abgesägt da, wie als Gegenteil der Musik von Marco Stroppa, in der stellenweise die Expressivität dank der Elektronik grandios über das Menschenmögliche hinausgezogen wird – das wäre es, was man in der Kunst erwarten möchte, kein Verfahren, das auch im Kinderzimmer Erfolg haben dürfte.

Glanert : Huelgas Ensemble

Donnerstag, 19. Juli 2012

Gestern direkt live auf Ö1 Detlev Glanert, „Solaris“, Prager Philharmonischer Chor, Wiener Symphoniker, Dirigent Markus Stenz, Uraufführung an den Bregenzer Festspielen. – Zum Windeln Wechseln.

Nach einer halben Stunde, ohne einen Ton des Kommenden verpasst zu haben, Wechsel auf Bayern 4, live vom 30. Juni 2012 am Festival de Granada: Huelgas Ensemble, Leitung: Paul van Nevel, Spanische und franko-flämische Werke des 16. Jahrhunderts. – Grandios die Auswahl der Stücke, grandios die Interpretation. Hier spürt man den Druck der Zeit, wie er in guter Musik wütet, als das Versprechen auf eine Zukunft immer schon, wenn denn musikalisch in der Kompostion überhaupt etwas gedacht worden ist.

Zusatz 26. Juli, 21.30 Uhr: Soeben auf Südwest 2 dasselbe Konzert, im Gegensatz zu der Sendung auf Bayern 4, wo das Konzert ohne Unterbruch gebracht wurde, hier vor fast jedem Stück eine endlos ausführliche Ansage, so dass der Reiz der kompositorischen Rekonstruktion und also das hörende Aufeinanderprallen der unterschiedlchen Ästhetiken und Techniken in dem einen Konzertguss nicht mehr geschehen konnte.in der Kompostion überhaupt etwas gedacht worden ist.

Ur II, 10

Dienstag, 17. Juli 2012

Ur I gratuliert ur II zum runden Zehnten.

– Gibt es ein schönes Geschenkli?

– Es gibt eine Taxifahrt weit hinein in die wilde Zone der Westgrenze, nahe der Krächen der Zähne des Südens, ganz knapp unter den weissen. Am Schluss geht es im Tigersprung über den Mauvais Pas tief runtunter, wie man es schlimmer nie fürchten musste.

Heinz Holliger

Sonntag, 15. Juli 2012

Soeben live auf Espace 2 concert de l’ensemble Contrechamps dédié au compositeur suisse Heinz Holliger donné le 17 janvier 2012 de la saison 2011/2012 au studio Ansermet de Genève.

Heinz Holliger, Ma’mounia pour percussion et quintette instrumental (2002).

Heinz Holliger, Partita (1999).

Elliott Carter, Figment VI [Invention VI] pour hautbois solo (to Heinz 1.12.2011).

Heinz Holliger, Puneigä, dix lieder d’Anna Maria Bacher avec intermèdes, pour soprano et ensemble (2000-2002). (Vgl Blognotiz 31. 12. 2011)

Grossartiges Konzert mit Stücken, die einen dazu aufforden, ernsthaft mehr & ausführlicher über sie zu diskutieren als durch eine blosse Meinungsabgabe zu erledigen wäre.

José M. Sánchez-Verdú

Donnerstag, 12. Juli 2012

Gestern auf DRS 2 eine Sendung von Thomas Meyer über den Komponisten José M. Sánchez-Verdú: ein Name, den man sich merken sollte.

Warum nur schafft es der selbstgerühmte Kultursender der Schweiz nicht, Kunstmusik über die Grösse des Müsterlis hinaus zu senden? Dieser Geiz hier und diese Abwehr, um sich nicht um das Bisschen Geld zu kümmern, das man braucht, damit Konzerte oder wenigstens einzelne ganze Stücke gesendet werden können. Aber wir warten und lesen täglich die Programme der Radiosender der umliegenden Länder, um parat zu sein, wenn Musik dieses Komponisten zu hören sein wird.