Archiv für den Monat Juni, 2012

Peter Eötvös, Konzert und Levitation

Freitag, 22. Juni 2012

Soeben direkt live auf SWR2 Direktübertragung aus der Stuttgarter Liederhalle Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Dirk Altmann und Sebastian Manz (Klarinette), GrauSchumacher Piano Duo, Leitung: Peter Eötvös.

Peter Eötvös: Konzert für 2 Klaviere und Orchester. – Das altertümliche Stück verbreitet schlechte Laune. Da ist nichts drin, was einen aufwecken würde, als ob ein billiges Computerprogramm den Mist zusammengeschrieben hätte. Ein Abschiffer.

Peter Eötvös: „Levitation“ für 2 Klarinetten, Streicher und Akkordeon. – Quiquelebendig und farbig, zu erwarten von Eötvös immerzu. Eine wunderschöne frische Musik wie ein Bergsee zum Hineintauchen frühmorgens.

Alter Post

Montag, 18. Juni 2012

Montags um 12.30 Uhr bin ich bei den Eltern, um ihnen bei einer Tätigkeit zu helfen, die sie nur noch weniger gut vollbringen können als ich. Heute läuft der TV, dessen Vorgänger sie sich als ersten viele Jahre nach der Pensionierung leisteten: „Komm schau, der Pöstler managet die Sprengung des Felsabsturzes bei Gurtnellen. Kennst ihn noch?“ Unter dem Helm mit den Bändern ums Kinn schaut er aus wie unter einen Pfadfinderhut geklemmt. Schnell schon gibt er das Signal, und die Steine purzeln wie geplant in kleinen Stücken zu Tal, ohne unberechenbare Grossbrocken, ohne zusätzliche Störung des Restfelsens. – Nun denn, was war spannender, die Sprengung (Vater) oder der Fernsehauftritt des Pöstlers (Mutter)? Ich lasse mir erzählen, wie er vor sechzig Jahren seinen ersten Auftritt hatte, mit seiner Mutter im selben Zimmer, da meine eigene zum ersten Mal niederkam. Sie behauptet, ihn nicht wiedererkannt zu haben, wenn ihr nicht gemeldet worden wäre, dass er bei diesem Ereignis mitzuspielen hätte. Ha ha! Wir trinken mit Kaffee auf die zwei Sechzigjährigen der zweiten Juniwoche an.

Zusatz: Von ihm hatte ich von der dritten bis zur siebten und letzten Gymnasialklasse den teuren Stowasser ausgeliehen gehabt, unbedingt nach Gebrauch wieder zurück, wie mir Frau Müller in jenen dunklen Lateinzeiten zu verstehen gab.

Giorgio Battistelli: Richard III

Sonntag, 17. Juni 2012

Soeben live auf Espace 2 Giorgio Battistelli, Richard III, Dramma per musica en 2 actes, enregistré le 30 janvier 2012 au Grand Théâtre de Genève.

Zu ertragen war eine einfältige Polizeicorpsmusik mit Schauerromantikzusätzen, in ewig gleichbleibender Instrumentierung und in kaum je akzentuierten Lautstärkegraden. Es möge das Denken tunlichst ausschalten, wer dem musikalischen Verlauf mit Verstand folgen will, denn es gibt in diesem Breisound nichts musikalisch Komponiertes zu entdecken, auch nie je etwas Kontrapunktisches im Kleinen: man hat nur mehr als zwei Stunden lang das Ende abzuwarten.

James Joyce: Ulysses

Sonntag, 17. Juni 2012

Soeben auf SWR2 Ulysses in Hörspielfassung, Regie Klaus Buhlert, gestern Bloomsday von 8 Uhr durchgehend bis heute 6 Uhr, unterbrochen meinerseits nur von 21.30 bis 1.30 Uhr, zwecks Neuladung der eigenen Akkus und derjenigen des Funkkopfhörers, und für einige Passagen gestern Nachmittag.

Merci für die Gedächtnisauffrischung der ersten Lektüre vor 35 Jahren und des Sauflebens damals.

Ensemble Graindelavoix

Donnerstag, 14. Juni 2012

Soeben auf Bayern 4 Aufnahme vom 27. Mai 2012 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg im Rahmen der Reihe Musica Antiqua: Konzert mit dem Ensemble Graindelavoix, Leitung: Björn Schmelzer.

Wer mit Musik um 1500 etwas anfangen kann, sollte sich unbedingt mit dieser Band vertraut machen, in der Stimmen tätig sind, die nicht auf vokale Homogenität ausgerichtet wurden, sondern ihrer eigensinnigen Qualität folgen. Das musikalische Resultat ist umwerfend, die alte Musik lebendig wie selten.

Philippe Manoury, Yann Robin

Mittwoch, 13. Juni 2012

Soeben direkt live auf France Musique de la Cité de la musique, Paris: Hae-Sun Kang, Violon, Orchestre Philharmonique de Radio France, Jean Deroyer, Direction.

Philippe Manoury, Passacaille pour Tokyo. – Eine Musik wie alte Telefonkritzeleien in Serie gesetzt, insgesamt ein bisschen schläfrig und mit Répons händchenhaltend. Nach knapp 15 Minuten geschieht ein akustischer Wechsel, der einen glauben macht, vorher hätte es einen Aufnahme- oder Übertragungsfehler gegeben. Schade für das zwanzigminütige Stück.

Philippe Manoury, Synapses, concerto pour violon et orchestre, Création Française. – Auch in diesem Stück will die Musik nicht recht wach werden, sie geht nur gehemmt vorwärts, als ob sie in Kinderstiefelchen stecken würde und ständig nach Pfützen Ausschau hielte, Partien aus Répons auch hier, die das Stück wiederzubeleben vermöchten. Obzwar wenig anstrengend, ist das Zuhören dennoch genüsslich. Sehr gut hat mir die Coda gefallen, wie ein Troupeau junger Staren, der vom Fenstersims auffliegt, wo alle zusammen sich eine Woche lang vollfüttern liessen, mit kostbaren Pinienkernen und teuren Tiroler Kirschen, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

Yann Robin, Inferno, pour grand orchestre et électronique basé sur la Divine Comédie de Dante, Création mondiale. – Der Komponist behauptet noch wenige Minuten vor der Uraufführung, der Titel sei nur metaphorisch gemeint, man steigt aber mit der Musik nicht ungefährliche steile Schritte in Echtzeit hinab in eine Hölle, wo einem zum ersten Mal im Leben, und wohl auch zum letzten Mal, musikalisch das Fürchten gelehrt wird. Ein fast sechzigminütiger Hochgenuss wie einstens das Sonntagsschuleschwänzen im Regenmäntelchen.

Nordine Mimaroglu Gudnadottir Carson Bosetti

Montag, 11. Juni 2012

Soeben auf France Musique ein Konzert mit unpräzisen Angaben, kürzlich in Paris präsentierte elektronische Stücke.

Arne Nordine, Warszawa (1970). – Musik wie von Staren gemacht, gut passend zu meinen jetzigen Bildern.

Ilhan Mimaroglu, Préludes N°12,9,1,10 (1966-1996). – Elektronische Musik tonal gedacht und für Filme. Pfui Deibel. Das, was der Spiesser zu recht befürchtet, wenn von elektronischer Musik gesprochen wird (wurde wäre heute wohl besser…). Reiner Antistockhausen. To delete those sounds.

Hildur Gudnadottir, Haloes, Création. – Man träumt vom Val d’Anniviers und von Laurence Revey. Das Stück entfaltet im Verlauf eine enorme Schönheit, und so ich hab’s im Herzen gespeichert.

Philippe Carson, Turmac (1961). – Als Teen war ich intensiv auf der Suche nach solchen Stücken – es wäre eines der besseren gewesen, trotzdem heute nur schwerlich als interessant zu bezeichnen – es ist historisch frühreif.

Alessendro Bosetti, MaskMirror 2.0, Création. – Ich war noch in der weiten Welt herumgereist, um Schallplatten von Demetrio Stratos aufzutreiben. Ah, das waren noch Zeiten einer geliebten Musik!

Pigor und Eichhorn

Freitag, 8. Juni 2012

Soeben auf DRS 2 das Dreiminutenstück „Sportliche Grossereignisse“ von Pigor und Eichhorn gehört: seit langem wieder einmal etwas aus der Unterhaltungsmusik, das sowohl textlich wie musikalisch überzeugt.

http://www.pigor.de/

Kletterlust

Mittwoch, 6. Juni 2012

Ziemlich umwerfend, das Bildli. Unten rechts dann auf „Siehe in Originalgrösse“ klicken:

http://www.hikr.org/gallery/photo796690.html?post_id=50794#1

Ligeti, Manoury, Mahler

Montag, 4. Juni 2012

Soeben live auf France Musique Concert enregistré le 1er juin Salle Pleyel à Paris, pour l’ouverture du festival ManiFeste, Orchestre de Paris, Ingo Metzmacher, direction.

György Ligeti (1923-2006), Atmosphères (1961). – Trotz eigenwilliger Knebelung von Metzmacher, die durch Auftrennung des Stoffes einen Romantizismus durchscheinen lassen will, enthält das Stück immer noch alle Impulse der sechziger Jahre, die einen ins Träumen über das Vorwärtsstreben der Musik hin zu neuen Welten bringen.

Philippe Manoury (né en 1952), Echo-Daimonon, Concerto pour piano, orchestre et électronique en temps réel, création mondiale, Jean-Frédéric Neuburger, piano, Thomas Goepfer, réalisation informatique musicale Ircam, Julien Aléonard, ingénieur du son Ircam. – Man muss das luxuriöse Stück zu hören suchen gehen. Als eine unterhaltende Festmusik erscheint es mir wie Händel sie schrieb zu Ehren des englischen Königshauses. Ihr Fliessen ist ein Genuss – aber es treibt gleichwenig irgendwohin in ein Neues wie Händels Dümpeln von London West nach London Ost. Ich liebe diese Musik, weil sie gut ist, aber ich misstraue ihr, weil sie es nicht wagt, etwas zu versprechen zu haben. Sie ist positivistisch und zwingt einen, bei ihr zu sein, und sie gibt einem nichts, das man auf seinen weiteren Weg mitnehmen könnte. Im Innersten denkt der Komponist, den man vielleicht gar genial nennen darf, verstaubt tonal.

— Comblement de programme (entracte)

Philippe Manoury (né en 1952), En écho pour soprano et système électronique en temps réel, I. La rivière, Donatienne Michel-Dansac, soprano, Enr. 1998. – Vordersatz und Nachsatz, wie es den für einen winzigen Moment unaufmerksamen Adorno in dunklen Tagen nicht mehr und weiter hätte freuen können: eine Musik, die schwierig in unsere Zeit hereinzudenken ist. Aber schön und gar sehr schön allemal.

Philippe Manoury (né en 1952), Inharmonies, Accentus, Laurence Equilbey, direction, Enr. 2009, Naïve V 5217. – Inharmonies war vor langer Zeit der Titel eines Buchgeschenkes, das mir ein Fribourger Freund übergab und das ich nie recht verdanken konnte, weil ich die Texte wegen des komplizierten Französisch und ihrer eigenwilligen theoretischen Richtung nicht verstand. Das Stück von Manoury verstehe und schätze ich aber auf Anhieb. Es gibt Bücher, vor denen man sich schämt, Inhamonies dünkt mich ein solches. —

György Ligeti (1923-2006), Lontano. – Metzmacher zieht dem guten Stück einen wollenen Pullover über. Wie kann ein Dirigent, der Nono so grossartig zu inszenieren wusste, andere Trouvaillen des zwanzigsten Jahrhunderts nur so in die Knie zwingen wollen? (Beim Notieren bekomme ich Zweifel: die Interpretation hat bessere Seiten als ich sie allgemein benennen kann, der Mittelteil erscheint mir tadellos. Er hat kein Vertrauen darauf, dass im Schmelzklang Energien auf unterschiedliche Richtungen abzielen können. Er sollte diese Dirigentenangst therapieren lassen und endlich an die revolutionäre Idee glauben wollen.)

Gustav Mahler (1860-1911), Adagio de la Symphonie n° 10. – Metzmacher dirigiert Mahler wie Strauss: das ist Verrat. Aber einen so leichten Mahler habe ich selten so gerne genossen. Metzmacher versteht es, sich durchzusetzen. Man nimmt ihm ab, was er tut – und ist in der gleichen atmosphärischen Idylle gerne dagegen.

Der Tennisarm des Lahmen

Sonntag, 3. Juni 2012

Das Fotografieren im Winter ist deswegen unmöglich, weil die Schulterpartien keine Balance auf Eispartien erlauben, wo unverhoffte Rutscher auch ohne Stürze die Konstruktion im linken Oberarm aus den Fugen zu bringen drohen, wenigstens vom Körpergefühl her, und weil der Rucksack über den zusätzlichen Kleidungsstücken der leichten und dünnen Jacke und des fadenscheinigen Schals einen Zug aufs Gewebe ausübt, dessen Folgeschmerzen auch nicht über kurze Zeiträume hinweg auszuhalten sind. Diese saisonbedingten Umstände liessen über die Jahre die Vogelfotografie an den zwei Fenstern desto stärker, für Unbedarfte wohl bereits überstark ausbauen, sowohl materiell durch sporadisches Changieren und Ergänzen der Aststücke wie praktisch durch Intensivierung der Fotozeiten und Erprobung neuer Auslöseverfahren, die die Zeiten des Lauerns erst verlängern liessen; in keinem Moment muss eine Hand oder ein Arm eine Kraft ausüben, und niemals wird auf sie eine solche ausgeübt.

Im zehn Jahre alten Arm waren Schmerzen, die durch Fehlverhalten entstanden waren, jeweils so intensiv und urplötzlich, wie sie sich auch schnell wieder verzogen. Erst dieses Jahr nach dem Besuch des Säntis am 10. März zeigten sie sich anders, indem sie erst nach einer Woche zu verschwinden begannen. Obwohl nicht extrem belastend, blieb seitdem dieses Neue, dass einmal eingesetzte Schmerzen mehrere Tage brauchten, um wieder abzuklingen. Vor zwei Wochen schien es eindeutig und klar, dass in der Konstruktion eine Veränderung stattgefunden hat, sei es in den fast parallelen, vergabelten Knochenteilen selbst oder an einer Verankerung der Titanteile. Indes dünkte es mich ausgeschlossen, dass irgendeinmal irgendwo, auch nicht im Schlaf, ein Schlag auf den Arm geschehen wäre. Aber ebenso eindeutig schien es, dass der Schmerz aus dem Knochen käme. Um so grösser das Staunen, dass er alsbald nicht nur in der Schulter, sondern auch im Unterarm und in den mittleren Rückenpartien sich zu melden begann. Also hörte ich mit dem Fotografieren auf und beobachtete bei der letzten Fotobearbeitung vor einer Woche am Computer, wie sowohl das Sitzen einen Druck auf die Schulter und einige Schmerzpunkte ausübt wie auch der Einsatz der linken Hand Drehungen im Unterarm auslöst, die wiederum Wirkungen auf die angehäuften Schmerzpunkte ausüben (aber das Schreiben der linken Hand auf der Tastatur war auch vorher nur immer vorübergehend möglich).

Eine Armschlinge in der Wohnung zu tragen ist kein Problem, und sie hilft, nicht zuletzt beim Schreiben, weil sie den linken Arm dann gänzlich von jeder Aktivität abhält. Doch beim Liegen hilft sie nicht, und in dieser Körperhaltung sind die Schmerzen gleich stark wie beim Sitzen, Gehen und sonstigen Hantieren in der Wohnung. Es findet sich eine Tennisarmbandage, die vor zehn bis zwölf Jahren im Einsatz war: siehe da, mit Mühe dem Unterarm verpasst, löst sie sofort eine wohlige Linderung aus, im ganzen Arm und in der ganzen weiteren Schulterumgebung. Das macht stutzig, so dass alle Seiten des Internets nach dem Phänomen des Tennisarms abgegrast werden, auch wenn niemals vergleichbare Bewegungen wie bei einer sportlichen Aktivität im Spiele waren. Immerhin, scheinbare Knochenschmerzen können auch aus dem Gewebe stammen, durch Degenerierung der Muskeln und altersbedingte Verkürzung der Sehnen, nur in Extremfällen ergänzt durch lokale Entzündungen. Da man therapeutische Empfehlungen bekanntlich auf die eigenen Verhältnisse anpassen kann, suche ich nach Möglichkeiten, die grossen Sehnen zu dehnen und die Muskulatur aus einer Verkrampfung zu lösen. Ich nehme eine leere Dose zur Vogelfutterausschüttung, 12 cm hoch mit 9 cm Durchmesser, drücke so fest wie möglich, hebe leicht durch Beugung des Ellenbogens den ganzen Unterarm – und habe die therapeutische Lösung sofort gefunden! Diese Praktik lässt sich nicht nur sitzend, sondern auch stehend, gehend und im Liegen durchführen, ohne Hektik und trotzdem mit ständig spürbarer Wirkung. Nach einem halben Tag zeigt sich die Wirkung nachhaltig, also beständig über den Zeitraum der eigentlichen Übung hinaus. Ob sie nun nach jedem Fotografieren oder Schreiben an der Tastatur angereizt werden muss, wird sich zeigen. Stressige medizinische Untersuchungen scheinen jedenfalls wieder einmal glücklich umgangen worden zu sein.

Kyburz: A travers, Touché

Freitag, 1. Juni 2012

Gestern Abend live auf France Musique Concert donné le 5 mai 2012 avec Cornelia Horak, Soprano, Daniel Kirch, Ténor, Alain Damiens, Clarinette, Jean-Guihen Queyras, Violoncelle, Orchestre Philharmonique de Radio France, Lothar Zagrosek, Direction.

Robert Schumann, Manfred Op.115, Ouverture (1848,1849).

Hanspeter Kyburz, A travers (1999).

Robert Schumann, Concerto en la mineur Op.129 (1850).

Hans-Peter Kyburz, Touché (2006).

Die zwei Stücke von Hanspeter Kyburz wirkten selbstgenügsam und ganz ohne Drang, in neue musikalische Welten vorzudringen. Die Musik erscheint wie für ein nobles Publikum der herkömmlichen Oper herausgeputzt und geglättet, ohne je ein Stadium durchlaufen zu haben, in dem es etwas zu glätten gegeben hätte.