Archive für 3. Juni 2012

Der Tennisarm des Lahmen

Sonntag, 3. Juni 2012

Das Fotografieren im Winter ist deswegen unmöglich, weil die Schulterpartien keine Balance auf Eispartien erlauben, wo unverhoffte Rutscher auch ohne Stürze die Konstruktion im linken Oberarm aus den Fugen zu bringen drohen, wenigstens vom Körpergefühl her, und weil der Rucksack über den zusätzlichen Kleidungsstücken der leichten und dünnen Jacke und des fadenscheinigen Schals einen Zug aufs Gewebe ausübt, dessen Folgeschmerzen auch nicht über kurze Zeiträume hinweg auszuhalten sind. Diese saisonbedingten Umstände liessen über die Jahre die Vogelfotografie an den zwei Fenstern desto stärker, für Unbedarfte wohl bereits überstark ausbauen, sowohl materiell durch sporadisches Changieren und Ergänzen der Aststücke wie praktisch durch Intensivierung der Fotozeiten und Erprobung neuer Auslöseverfahren, die die Zeiten des Lauerns erst verlängern liessen; in keinem Moment muss eine Hand oder ein Arm eine Kraft ausüben, und niemals wird auf sie eine solche ausgeübt.

Im zehn Jahre alten Arm waren Schmerzen, die durch Fehlverhalten entstanden waren, jeweils so intensiv und urplötzlich, wie sie sich auch schnell wieder verzogen. Erst dieses Jahr nach dem Besuch des Säntis am 10. März zeigten sie sich anders, indem sie erst nach einer Woche zu verschwinden begannen. Obwohl nicht extrem belastend, blieb seitdem dieses Neue, dass einmal eingesetzte Schmerzen mehrere Tage brauchten, um wieder abzuklingen. Vor zwei Wochen schien es eindeutig und klar, dass in der Konstruktion eine Veränderung stattgefunden hat, sei es in den fast parallelen, vergabelten Knochenteilen selbst oder an einer Verankerung der Titanteile. Indes dünkte es mich ausgeschlossen, dass irgendeinmal irgendwo, auch nicht im Schlaf, ein Schlag auf den Arm geschehen wäre. Aber ebenso eindeutig schien es, dass der Schmerz aus dem Knochen käme. Um so grösser das Staunen, dass er alsbald nicht nur in der Schulter, sondern auch im Unterarm und in den mittleren Rückenpartien sich zu melden begann. Also hörte ich mit dem Fotografieren auf und beobachtete bei der letzten Fotobearbeitung vor einer Woche am Computer, wie sowohl das Sitzen einen Druck auf die Schulter und einige Schmerzpunkte ausübt wie auch der Einsatz der linken Hand Drehungen im Unterarm auslöst, die wiederum Wirkungen auf die angehäuften Schmerzpunkte ausüben (aber das Schreiben der linken Hand auf der Tastatur war auch vorher nur immer vorübergehend möglich).

Eine Armschlinge in der Wohnung zu tragen ist kein Problem, und sie hilft, nicht zuletzt beim Schreiben, weil sie den linken Arm dann gänzlich von jeder Aktivität abhält. Doch beim Liegen hilft sie nicht, und in dieser Körperhaltung sind die Schmerzen gleich stark wie beim Sitzen, Gehen und sonstigen Hantieren in der Wohnung. Es findet sich eine Tennisarmbandage, die vor zehn bis zwölf Jahren im Einsatz war: siehe da, mit Mühe dem Unterarm verpasst, löst sie sofort eine wohlige Linderung aus, im ganzen Arm und in der ganzen weiteren Schulterumgebung. Das macht stutzig, so dass alle Seiten des Internets nach dem Phänomen des Tennisarms abgegrast werden, auch wenn niemals vergleichbare Bewegungen wie bei einer sportlichen Aktivität im Spiele waren. Immerhin, scheinbare Knochenschmerzen können auch aus dem Gewebe stammen, durch Degenerierung der Muskeln und altersbedingte Verkürzung der Sehnen, nur in Extremfällen ergänzt durch lokale Entzündungen. Da man therapeutische Empfehlungen bekanntlich auf die eigenen Verhältnisse anpassen kann, suche ich nach Möglichkeiten, die grossen Sehnen zu dehnen und die Muskulatur aus einer Verkrampfung zu lösen. Ich nehme eine leere Dose zur Vogelfutterausschüttung, 12 cm hoch mit 9 cm Durchmesser, drücke so fest wie möglich, hebe leicht durch Beugung des Ellenbogens den ganzen Unterarm – und habe die therapeutische Lösung sofort gefunden! Diese Praktik lässt sich nicht nur sitzend, sondern auch stehend, gehend und im Liegen durchführen, ohne Hektik und trotzdem mit ständig spürbarer Wirkung. Nach einem halben Tag zeigt sich die Wirkung nachhaltig, also beständig über den Zeitraum der eigentlichen Übung hinaus. Ob sie nun nach jedem Fotografieren oder Schreiben an der Tastatur angereizt werden muss, wird sich zeigen. Stressige medizinische Untersuchungen scheinen jedenfalls wieder einmal glücklich umgangen worden zu sein.