Archiv für den Monat Januar, 2014

Pascal Dusapin, Aufgang (Violinkonzert)

Donnerstag, 30. Januar 2014

Soeben live auf SRF2 Konzert vom 10. Januar 2014 in der Victoria Hall Genf, Pascal Dusapin: Aufgang. Konzert für Violine und Orchester, Orchestre de la Suisse Romande, Leitung: Osmo Vänskä, Solist: Renaud Capuçon, Violine.

Ein Katzensprung noch, und Dusapin frömmelt musikalisch wie Pärt. Wir vergreisen früh in dieser Zeit. Aufgang heisst das Stück? Ein Schwanengesang ist es.

Eine Stunde vorher sendete SRF2 eine Frauenband aus Finnland, die weit mehr vom musikalischen Aufblühen träumen lässt: http://www.sudenaika.com/

Béla: Crumb, Stroppa, Ligeti, Mozart

Montag, 27. Januar 2014

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 18 janvier 2014 dans l’amphithéâtre de la Cité de la Musique avec le Quatuor Béla: Frédéric Aurier, violon, Julien Dieudegard, violon, Julian Boutin, alto, Luc Dedreuil, violoncelle.

George Crumb (né en 1929), Black Angels. – Das dünkt mich heute ein verkanntes Zwillingsstück zu Star Spangled Banner von Jimi Hendrix. (Wenn ihr für den Unterricht euch für ein einziges der beiden entscheiden müsst, nehmt Jimi. Denn wenn es nur um euch selbst geht und ihr noch ein paar Tassen im Schrank habt, nehmt ihr sowieso Crumb.)

Marco Stroppa (né en 1959), Spirali, Serge Lemouton, réalisation informatique musicale Ircam. – Das Stück enthält ein paar Passagen zuviel, in denen es schwach oder geradezu kindisch klingt. Zuweilen tönt es wie falsch instrumentiert oder instrumentatorisch, also gattungsmässig falsch konzipiert: die Musik verlangte unerhört nach einem Orchesterausbruch.

György Ligeti (1923-2006), Quatuor n°1 „Métamorphoses nocturnes“. – Eine Musik, deren Beginn aus einer bruchlos-stetigen Steigerung besteht, zeugt von viel Selbstvertrauen, und die Komposition aus den Nachfluchtjahren in Österreich beweist uneingeschränkt im ganzen Zug dieselbe; beim Hören zeigt sie sich als ungebrochenes naives Vergnügen. … Ein Mensch nach der Flucht und so gut drauf: Depressive, hört die ligetischen Signale! (Und überhaupt, in meinem Alter klingt das wie Zappa.)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Adagio pour glassharmonica K.356. – Bravo, hübscher Zirkuswitz!

Adorno in der Kioskauslage

Montag, 27. Januar 2014

Letzte Woche erhielt ich den neuesten Germanistenadorno zugespielt: Martin Mittelmeier, Adorno in Neapel – Wie sich eine Sehnsuchtslandschaft in Philosophie verwandelt, Diss. 2012, München 2013. Unter Umgehung aller Anstrengung der Theorie und in Verschwiegenheit, trotz des Untertitels, gegenüber dem geschichtlichen Ort der Philosophie wird einem Schriftsteller der deutschen Hochkultur in die Heimarbeit hineingeleuchtet, wie es das deutsche Volksblatt Stern jede Woche auf gleiche Weise neu nicht besser oder schlechter macht (in der letzten Ausgabe blätterte ich vor vierzig Jahren). Fintenreich werden von Anfang bis zum Schluss mögliche Einwände gegen die Kryptohypothese ironisiert, Ferienreisen könnten auch in einem so komplexen Werk wie dem Adornos eine entscheidende Bedeutung haben, sodass man sie gar als den Kern ihres Aufbaus verstehen müsste. Dabei wird der Begriff der Konstellation aus den Feldern seines gewöhnlichen und vielfältigen Gebrauchs herausgenommen und in die neapolitanische Ferienlandschaft der 1920er Jahre eingelassen, als hätte der Seilbahnfahrer Wiesengrund-Adorno ihn sich auf der untersten Decke des Vesuv-Kraters höchstpersönlich angeeignet.

Wird den Gehalten der Theorie Adornos durch paradigmatische Privatgeschichten ausgewichen, folgt der Aufriss der akademischen Dissertation einem Verfahren, das erst seit kurzem technisch möglich ist und dem Ausweichen einen zusätzlichen Schub verpasst: Mittelmeier verzichtet darauf, die wenigen ausgewählten Werke Adornos an isolierten, einheitlichen Stellen zu explizieren, zu diskutieren und zu deuten. Vielmehr folgt er dem seitengemässen Output, den ihm der Algorithmus der digitalen gesammelten Werke Adornos aufs gewählte Suchwort der Konstellation hin anbietet und verknüpft die Stellen mit den Erlebnissen, bis erst nach der umständlichen Reihung der Bruchstücke, die als vereinzelte Adornos Intentionen nur noch schwach erahnen lassen, ein Ganzes dasteht, das Mittelmeiers These rechtfertigt. Von einer Notwendigkeit, die die Theorie mit der geschichtlichen Wirklichkeit verbindet, kann dann nicht mehr die Rede sein, und Adorno wird peu à peu zu einem jener gehobenen und vornehmen Gesellschaftsautoren, aus deren Leben die Kioskliteratur parallel zur astrologischen einmal diese Facette beleuchtet wie ein anderes Mal eine andere.

Helmut Lachenmann, Das Mädchen

Sonntag, 26. Januar 2014

Soeben live auf SWR2 vom September 2013 bei der Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle Bochum Helmut Lachenmann / Robert Wilson: „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, Musik mit Bildern nach Texten von Hans Christian Andersen, Gudrun Ensslin und Leonardo da Vinci. Angela Winkler (Performance), Hulkar Sabirova, Yuko Kakuta (Sopran), Yukiko Sugawara, Tomoko Hemmi (Piano), Mayumi Miyata (Sho), Noemi Peters, Paula Stelte, Marlen Tyburzy (Kind), ChorWerk Ruhr, hr-Sinfonieorchester, Musikalische Leitung: Emilio Pomarico, Klangregie: Norbert Ommer.

Endlich habe ich dieses Meisterwerk zu hören bekommen – und endlich wieder einmal eine Musik, deren Gehalte sich als wahrhafte auf die gegenwärtige Gesellschaft beziehen lassen. Bewundernswert der Spannungsbogen im Grossen der zwei Stunden und der klare, die Fasslichkeit stützende Farb- und Dynamikwechsel in den kleinen Momenten. Nichts von Angestrengtheit in keinen Teilen, nur grosses, grossartiges und spannendes Spiel sowohl bei den Stimmen wie den Instrumenten.

Berlioz, Requiem, Notre Dame de Paris

Mittwoch, 22. Januar 2014

Soeben direkt live auf France Musique de Notre-Dame de Paris, l’Orchestre Philharmonique de Radio France, l’Orchestre Simon Bolivar, le Choeur de Radio France et la Maîtrise Notre-Dame de Paris sous la direction de Gustavo Dudamel interprètent le Requiem (Grande Messe des Morts) d’Hector Berlioz.

Die geologisch fachkundige Panoramaphotographie der Notre Dame in Paris innen wie aussen ist bekanntlich spannend zu verfolgen, die musikalische Nutzung der ehrwürdigen Gesteine indes ist auch eine gute Sache, der Zauber tönt bis nach Bern in all seinen wundersamen Weisen.

Nono, Abbado (gest. heute), Pollini

Montag, 20. Januar 2014

Soeben live (?) auf Bayern 4 Luigi Nono, „Como una ola de fuerza y luz“ (Slavka Taskova-Paoletti, Sopran; Maurizio Pollini, Klavier; Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent Claudio Abbado), München 1972 (?). (Vielleicht war es auch nur die Schallplattenaufnahme, die Absage hat’s verschwiegen.)

Wie kräftig nur & frisch auferstanden die Musik dieser Alten heute wirkt, als ob zum ersten Mal…

Prokofiev 2. Violinkonzert

Dienstag, 14. Januar 2014

Soeben live auf France Musique Concert donné au Théâtre des Champs-Élysées le 20 décembre 2013 avec Patricia Kopatchinskaja, Violon, Orchestre Philharmonique de Londres, Vladimir Jurowski, Direction.

Serge Prokofiev, Concerto N°2 en so mineur Op.63 (1935).

Serge Prokofiev gehört wegen seiner sterilen, reaktionären Ästhetik und seiner primitiven Kompositionsweise nicht zur ersten Klasse der Musik des 20. Jahrhunderts, trotzdem verfolge ich häufig die Liveübertragungen im Radio und besitze auch einige CDs von ihm (sie stammen allerdings aus der frühesten Zeit der CD-Käufe, als das Angebot generell noch bescheiden war). Die eben gehörte Aufführung des zweiten Violinkonzerts sticht auf bemerkenswerte Weise hervor, weil ihm Patricia Kopatchinskaja das einhauchte, was Prokofievs Musik gewöhnlicherweise abgeht: heisses Leben anstelle debiler Maschinizität.

Isis und Osiris de Jacques Lenot

Montag, 13. Januar 2014

Soeben direkt live auf France Musique aus dem IRCAM Jacques Lenot (né en 1945), Isis & Osiris – 2013, création mondiale, Installation sonore pour septuor à vent et environnement électronique, d’après un poème de Robert Musil. Ensemble Multilatérale, Serge Lemouton, réalisation informatique musicale Ircam.

Man hätte besser die Übung nach drei Minuten abgebrochen und den verantwortlichen Elektrotechniker in die Wüste des Pariser Nachtlebens geschickt: während einer Stunde war zu erleiden, wie die Tonübernahme der einzelnen Instrumente sporadisch, aber mindestens zweimal in der Minute kurz wie zerrissen erschien, mit einem Knacken aus vorsintflutlichen elektromusikalischen Zeiten zerfetzt, wie ein akustischer Versatz. Ob mit anderem technischem Personal die Komposition besser klänge?

ur I und ur II gratulieren ur III

Samstag, 11. Januar 2014

Viel Glück zum ersten Geburtstag, mit den besten Dankeswünschen an die Teams von Matthias Zumstein und Charles Dumont am Inselspital Bern 2013! Gut gemacht!

„If Grief Could Wait“

Donnerstag, 9. Januar 2014

Soeben auf Bayern 4 Aufnahme vom 15. November 2013 im KulturForum Fürth: Werke von Henry Purcell, Leonard Cohen, Nick Drake und Susanna Wallumrød mit Susanne Wallumrød, Gesang, Jane Achtman, Viola da gamba, Giovanna Pessi, Harfe, Marco Ambrosini, Nyckelharpa.

Je länger das – allerdings winzige – Konzert dauerte, desto mehr machte sich das Gefühl breit, dass es nie mehr enden dürfte, als wäre es eine Lebensform, in der man heimisch werden könnte.

Gut gerutscht ins 2014?

Mittwoch, 1. Januar 2014

Kurz vor 9 Uhr gab es am Indermühleweg eine schöne Neujahrsstimmung, mit Sonnenstrahlen quasi von schräg unten durchs Tännchen auf dem westlichen Fenstersims unter einer riesigen grauen Wolkendecke, aus der es unaufhaltsam regnete, aus der unaufhaltsam kristallklare Tropfen herabprasselten. Der Blick über die Vogelinstallation hinab aufs Dach bestätigte die Vermutung, dass ich hier im Trockenen einen Eisregen geniessen konnte, wie es sie in letzter Zeit des öfteren gab, mit bedenklichen Folgen schon knapp ausserhalb des Wohnhauses.

Meteoschweiz hat dieses Ereignis verschlafen und zeigt für diesen Zeitraum völlige Trockenheit an. Der Metradar seinerseits zeigt präzise im Raum Bern, dass man hier in der Spätrutschzeit des Jahresanfangs mit nicht zu unterschätzender Eisglätte rechnen muss.