Archiv für den Monat Mai, 2013

Holliger: Scardanelli

Donnerstag, 30. Mai 2013

Soeben direkt live auf France Musique de la Cité de la Musique, Paris: Heinz Holliger, Scardanelli-Zyklus (1975-1985), komplett und ohne Pause.

Sophie Cherrier, Flûte, Choeur de la Radio Lettone, Ensemble Intercontemporain, Heinz Holliger, Direction.

Tief wirkendes Chor- und Flötenkonzert, (t)air(e) äusserst meisterhaft gespielt!

Taiye Selasi: Ghana Must Go

Montag, 27. Mai 2013

Gestern auf SRF2 Gespräch von Hansueli Probst mit Taiye Selasi über ihr deutsch übersetztes Buch „Diese Dinge geschehen nicht einfach so“, Fischer 2013. Schon eine Ewigkeit lang bin ich nicht mehr in einem Literaturgespräch von einem Autor oder von einer Autorin so stark gefesselt worden. Was für eine neue Intelligenz sich da zeigt! Hoffnung ist doch das beste Stück des Lebens – wenn sie frisch erweckt wird.

Georg Friedrich Haas (Schwetzingen)

Samstag, 18. Mai 2013

Soeben live auf SWR 2 Schwetzinger Festspiele 2013, Komponistenporträt Georg Friedrich Haas, Konzert vom 9. Mai im Mozartsaal. Kairos Quartett, Mitglieder des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR, Schola Heidelberg, Sarah Wegener (Sopran), Tianwa Yang (Violine), Leitung: Walter Nußbaumer.

Georg Friedrich Haas:

„Dido“ für Streichquartett und Sopran (UA)

„Hertervig-Studien“ für 6 Stimmen

„de terra fine“ für Violine solo

„ATTHIS“ für Sopran und 8 Instrumente (daran angeschlossen: Franz Schubert, Oktett für 2 Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass, Klarinette, Fagott und Horn F-Dur D 803 – ich habe diesen supplementären Sprung in eine andere Zeit eher als Nötigung denn als Notwendigkeit empfunden)

„SCHWEIGEN“ für Stimmen, I. Fukushima, II. Lampedusa, III. Mlake/ Laaken (wurde leider nur im Programm angekündigt, nicht gesendet)

Allesamt in ihrer Wirkung starke Stücke, nicht zuletzt wegen den präzisen Einführungsworten des Komponisten, die das Hören auf gute Bahnen lenkten.

Hauseinsturz

Dienstag, 14. Mai 2013

Bin in einem Haus gleich dem, wo ich die ersten elf Jahre in Bern verbrachte, zuoberst, aber nicht in der winzigen, verwinkelten Wohnung, sondern in einer Kneippe. Es hat nur wenige Gäste, und die Stimmung ist anödend. Ich verlasse den Ort, trete ins Treppenhaus, und in dem Moment wanken die Wände: ein veritables Erdbeben! Ich bin vollkommen gefasst, schaue zu, wie das Dach, die Holzbalken und die Wände wie in einem Kartenhaus auf mich einstürzen. Im Moment, wo ich zusammengedrückt werden sollte, wache ich angstfrei auf.

Zusatz: Der Traum braucht nicht zu verwundern, da ich abends a) der Idee nachhing, dass man den Werken vieler junger KomponistInnen anmerkt, dass sie aus Gründen falscher Verwöhnung keine innere Dringlichkeit mehr aufweisen und zum blöden Luxusobjekt verfallen wie ganz anders noch die Zweite Klaviersonate von Boulez, die ich in der Wohnung des Traums zum ersten Mal hörte, als ich am Staubsaugen war, dieses Tun abstellte und während zwanzig Minuten den Kiefer beinahe aufs Knie klappen liess und b) beim Einschlafen mich mit der alten Idee quälte, dass die Sprache als Haus des Seins in ihren diskursiven Qualitäten derart ramponiert dasteht, dass kein Umgang mit ihr Kommunikation noch gewährt und sie Stück für Stück in Weisen der Projizierung transformiert werden muss, wie Bilder von Panoramen oder in Winkelmassen grösser als dem menschlichen Blick gewohnt, also aus höheren, nämlich gedachten Dimensionen auf eine zweidimensionale Fläche projiziert werden müssen.

Saariaho und Sibelius (2)

Dienstag, 7. Mai 2013

Soeben live auf France Musique vom 18. April 2013 aus der Cité de la Musique: Récital Quatuor Meta4.

Kaija Saariaho, Sept Papillons (2000). – Starke Sologeigenmusik, ganz auf der Höhe von L’Amour de Loin, von der sie zehrt. Zuweilen an die uralte Maultrommel, den Trümpy erinnernd.

Kaija Saariaho, Serenatas (2012), Création française. – Keine dümmliche Filmmusik, sondern eine, die einen ganzen Film in die Vorstellung hervorruft. So sollten Volkes Filme sein!

Kaija Saariaho, Terra memoria (1987). – Zweites Streichquartett, schön zum Tod, aber oftmals sehr einfach und nur knapp nicht trivial.

Jean Sibelius, Quatuor en ré mineur, Voces intimae (1909). – Die finnischen Wendungen schützen die dahertrottende Musik vor dem Hinfallen. Auf kompositorische Rafinesse wartet man vergeblich. Der Mann muss sein Publikum arg verhungert vorgestellt haben.

Kaija Saariaho, Mirage (2008). – Schamanenmusik für California Freaks & Fans. Wenn schon ein Programm, dann lieber eines über ernsthafte Medizin.

Haas, Bluthaus

Sonntag, 5. Mai 2013

Soeben auf SWR 2 Georg Friedrich Haas, Bluthaus, Oper mit einem Text von Händl Klaus, live die Uraufführung von den Schwetzinger SWR Festspielen 2011, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Leitung: Stefan Blunier.

Dem Fernsehpublikum auf den Leib geschrieben, als Musikwerk leicht langweilig, über einzelne Passagen hin ohne innere Zwangsläufigkeit. Wo das Stück gut ist, trieft es aufdringlich.

Sgt. Poulenc’s Lonely Hearts Club

Samstag, 4. Mai 2013

Soeben direkt live aus New Yorks Metropolitan Opera auf Bayern 4 Francis Poulenc, Dialogues des Carmélites, Chor und Orchester der Metropolitan Opera, Leitung: Louis Langrée.

Offenbar unmöglich, im Verlauf eines Lebens nicht für einmal ins Kloster der Karmelitinnen gezogen zu werden und sich dem Unsinn Paranoider ausgesetzt zu sehen, für eine blosse Idee statt fürs Leben der anderen zu sterben. Wäre das musikalische Stück vor der Französischen Revolution und nicht Mitte des 20. Jahrhunderts geschrieben worden, würde es wegen der musikalischen Gleichgültigkeit zwar ebenfalls als schlechtes rezipiert werden, nichtdestotrotz als Kunstwerk, in dem es Lust machen würde, das Negative in der Unterhaltung nachzuweisen. Heute erscheint es nur als Geschmeichel für Ohren alter einsamer Herren, ausserhalb der Kunst in den Abwassersystemen der Kulturindustrie dahertreibend. Die Ideen der Beatles wären wahrhaftiger.

Neue Bahnlinie

Samstag, 4. Mai 2013

Langer Traum in den Bergen, offenbar Familienausflug, gegen das Ende hin. Ich bin mit dem über neunzigjährigen Vater auf einem steilen Chaletdach aus rostigen Platten, versteige mich, so dass wir auf den harten, scharfen Kanten zurückklettern und, immer noch auf dem komplizierten, verwinkelten Dach, einen neuen Weg finden müssen. Wir gelangen auf einen Balkon, wo uns die Besitzerin überrascht, uns aber freundlich den Ausweg zeigt. Dann sitze ich im Intercity, zuvorderst, es ist tiefe blaue Dämmerung, vor allem links, aber auch ein wenig noch rechts spiegelndes Licht, auf dem Genfersee von St-Gingolph Richtung Lausanne unter tiefliegenden, im Westen offenen Wolken. Der Zug ist äusserst schnell, ich brülle wegen der Schönheit, vor mir nur die schönste Walliserin, die ich gestern im Zusammenhang eines Wettbewerbes im Internet entdeckte, auf einem eigenen Sitz oder nicht, durch ihre langen Haare sehe ich über die Zugspitze hinaus, wie wir über den See brausen als gäbe es keine Brücke.