Archiv für den Monat Oktober, 2012

Pintscher, Cummings & Montalvo

Dienstag, 30. Oktober 2012

Soeben live auf SWR2 Konzert vom 27. Juli in Schloss Montabaur, RheinVokal 2012

Marisol Montalvo (Sopran), Erik Nielsen (Klavier)

Mathias Pintscher: Lieder und Schneebilder für Sopran und Klavier nach Texten von E.E. Cummings. – Eine präzise Poesie steckt in dieser Musik, nicht nur weil Cummings der Dichter ist.

Filidei, Mitterer, Cendo

Montag, 29. Oktober 2012

Soeben auf France Musique Concert enregistré le 22 septembre à Strasbourg, Cité de la Danse et de la Musique, dans le cadre du festival Musica, Ictus (Orchestre), Georges-Elie Octors, direction.

Francesco Filidei (né en 1973), Ballata n° 2 (2012, création française). – Tonalitätsabhub, durchwegs tonal gedacht.

Wolfgang Mitterer (né en 1958), Little Smile (2011, création française), Wolfgang Mitterer, électronique en direct. – Eitle Fernsehmusik.

Raphaël Cendo (né en 1975), Carbone pour trompette, flûte et guitare (2012, création mondiale, commande d’État). – Bäumig beeindruckt bin ich wie aus einer Totenstarre wiederwerwacht. Unbedingt hinreisen, wenn das Stück an einem erreichbaren Ort wieder aufgeführt werden sollte! Musik wie ein Krimi, dessen Innerstes man bei einer Lobpreisung gefälligst zu verschweigen hat.

Grüsse von oben mittags

Samstag, 27. Oktober 2012

Ich spaziere und münde, wie auf dem Schulweg gehend, in die Wohnstrasse der ersten acht Lebensjahre ein, nachmittags bei grossem Sonnenschein, als ich in den Himmel schaue und ein Flügelstück eines Flugzeugs sehe, wie es schnurstracks auf mich runtersaust und mich haargenau getroffen hätte, wenn ich eine kurze Pause vorhin nicht früher abgebrochen hätte. Ich nehme es als gutes Zeichen und dafür, dass man manchmal auch mit einer Schramme davonzukommen vermag.

Lumpenschläfer

Dienstag, 16. Oktober 2012

Aufgestanden, nachdem ich merkte, Opfer einer musikalischen Täuschung geworden zu sein: ich lauschte im Halbschlaf dem unmusikalischen Donnern eines Discostücks aus der Ferne irgendwo im Gebäude, wunderte mich ob der Aktivitätsfreude der Leute um diese Frühmorgenszeit und kapierte endlich, dass ich mich über den eigenen Herzschlag zu ärgern begann.

Seit Wochen gibt es keine durchgeschlafenen Nächte mehr, sondern wie um 2002 nur noch den Bewältigungsversuch einer unendlich langen Serie von Schlaffetzen, mitunter bloss zweiminütigen Schlafstücken, gefüllt mit Träumen, heute ausnahmsweise ohne Alpdrucke. Viele Träume sind so kurz wie die Schlaffragmente selbst und nicht der Rede wert, andere in längeren Schlafpartien wie Einblicke in ein ganzes Parallelleben, Mitte Nacht einer mit Frau und Tochter in einem schlossähnlichen Wohnhaus mit hohen Wänden, sehr verliebt die ganze Traumstrecke, in der die Tochter, kaum zwanzigjährig, die Züge von Di annahm, die den grossen Tigersprung der Karriere schaffte und mir kürzlich, noch schöner als je, ausserordentlich glücklich erschien, geradewegs so, wie sie es auch mit festem Willen und Entschluss geplant hatte. Andere sind debil wie der übliche Traumsatz und stellen Rätsel, die einen nur weiter in die Bedrängnis stossen. Soeben gewann ich den ersten Preis in einem Rennen, das ich offenbar seit Jahren mitzumachen pflege. Ohne gelernt zu haben, zwischen Gas- und Bremspedal zu unterscheiden, bin ich der Fahrer eines der schwersten Lastwagens der Welt, mit mehreren grossen Anhängern hintereinandergekuppelt. Es ist die Aufgabe in diesem Rennen, die höchste Brücke ausfindig zu machen und mit dem schwerstmöglichen und längsten Lastwagen zu überfahren. Als Kenner der Berge war mir das Aufstöbern der Brücke eine leichte Sache, doch wie ich zum Manoeuvrieren eines Fahrzeugs komme, ist mir schleierhaft. Nichtsdestotrotz kurvte ich virtuos das Gebirge hinauf und überquerte sicher die Brücke, jedenfalls mit der Nase des Lasters. Auf der anderen Seite blieb ich dann stecken, weil ich zu viele Anhänger hatte, die alle miteinander die Kurven nicht zu bewältigen vermochten. Trotzdem wurde mir der erste Preis zugesprochen, den ich indes nicht lange behielt, kaum länger als ein paar Sekunden. Vor der Brücke ist, auch jetzt der Allgemeinheit noch einsehbar, eine Fahrverbotstafel aufgestellt. Merde!

Alberto Posadas, Sombras

Montag, 15. Oktober 2012

Soeben auf France Musique live Concert enregistré le 16 septembre à l’Abbaye de Royaumont avec Le Quatuor Diotima: Yun Peng Zhao, violon, Guillaume Latour, violon, Franck Chevalier, alto, Pierre Morlet, violoncelle .

Alberto Posadas (né en 1967), Elogio de la Sombra, pour quatuor à cordes (2012).

Alberto Posadas, La Tentacion de las Sombras, pour soprano et quatuor à cordes sur le texte Ispita Umbrelor, extrait de l’ouvrage Le livre des leurres d’Emil Cioran (2011), Caroline Stein, soprano.

Alberto Posadas, Del Reflejo de la Sombra, pour clarinette basse et quatuor à cordes (2010), Alain Billard, clarinette basse.

Dann von CD: Alberto Posadas, Oscuro abismo de llanto y de ternura (2005) pour ensemble, Ensemble Intercontemporain, François-Xavier Roth, direction, Enr. 2009, Kairos 0013112KAI.

Merde! Nicht nur das Wetter zeigt sich solidarisch mit dem Siechenden, sondern auch die wenige gute Musik, die es dieses Jahr zu hören gibt. Die Stücke von Posadas haben keine äussere Form, der man folgen und die ein Ganzes umfassen würde, sondern befinden sich in einem Terrain ähnlich einem nuklearmedizinischen oder computertomographischen Staging, das einen Durchgag durchs Körperinnere erlaubt, in dem den Vulkanen sowohl als Nester, wenn sie ruhig sind, oder als kleinere oder grössere Feuerwerke, wenn sie aktiv sind, begegnet werden kann. Sie enthalten eine Spannung, die in keiner Sekunde unterbrochen scheint. Grossartige, düstere Werke!

Tutuguri

Samstag, 13. Oktober 2012

Soeben direkt live auf Bayern 4 Konzert der musica viva, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent Kent Nagano:

Wolfgang Rihm: „Tutuguri“ (1981-82).

Musik für mich. (Rihm im Pausengespräch: „Eine Asymmetrie im Stück, als würde aus einem Körper ein Skelettteil herausragen. … Das ist ein Wesen, dem man nicht ungestraft begegnet.“)

Mittagsschläfchen

Freitag, 12. Oktober 2012

Powernap vor der zweiten Tagesrunde des Neustitchens der Panoramen mit Hugin (Beginn war 03 Uhr). Ich träume, auf dem Sofa zu liegen. Su und Mo sind da, und beide geraten sich in die Haare. Su legt sich schutzsuchend zu mir, die jüngere Mo streckt ihr die Zunge raus. Was gibt es Besseres als ein Mädchen zu trösten wegen eines anderen. Ich erwache und liege wie im Traum auf dem Sofa. Aber die Mädchen sind nirgendwo.

Vipern

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Gestern Nachmittag mit dem Inselarzt am Computer Szintigrafie- und CT-Bilder von 2002, 2006 und von diesen Tagen angeschaut und darüber gestaunt, wie viele Nester von Chondromen es gibt. Eines steht fest, dass von allen diesen nur das eine im linken Acromion wächst und dass die Verwachsung vom Schulterblatt nicht getrennt ist (im gesunden Zustand ist das Acromion zwar mit dem Schlüsselbein verbunden, pseudogelenksmässig, nicht aber mit dem Schulterblatt). Ob das Wachstum ungebremst weiter geht und ob das Gebilde bereits mutiert ist oder früher oder später mutiert, wird erst noch untersucht. Wie auch immer der Zustand in dieser Nachäffung von Tschernobyl und Fukushima zu deuten ist – die vergangene Nacht hatte ich ununterbrochen von Vipern geträumt, auf eine so bösartige Weise, wie man sie sich nicht zu träumen wagt. Beim letzten Aufwachen schien mir endlich klar, dass ich die ganzen Jahre die Vipern nicht aus dem Grunde der Herausforderung eines kleinen Abenteuers fotografierte, sondern aus verborgenen Gründen der reinen Mimesis des eigenen Körpers selbst, in alter Sprache des Leibes. Im Moment des Aufwachens tat mir dieser Missbrauch der Tiere leid.