Archiv für den Monat August, 2014

Sommer 2014

Freitag, 29. August 2014

Verzieh dich aus dem Wallis, dummer feuchter Sommer, und mach einem langen trockenen Herbst Platz!

Webcam-Bild von soeben: http://cma.roundshot.ch/grandsignal

Zusatz anderntags:

Webcam-Bild vom Pas de Maimbré: http://anzere.roundshot.ch/pistes

Unsuk Chin, Luciano Berio

Donnerstag, 28. August 2014

Gestern Abend live direkt auf France Musique via BBC 3 von den Proms London Wu Wei, Sheng (orgue à bouche), Orchestre Philharmonique de Séoul, Myung-Whun Chung, direction.

– Unsuk Chin, Šu, concerto pour Sheng et orchestre (2009).

Spätnachts dann, wenn rechtschaffene Menschen schlafen, live auf SRF 2 vom 23. August 2014 in Luzern Lucerne Festival Academy Orchestra, Simon Rattle, Leitung, Barbara Hannigan, Sopran.

– Unsuk Chin, Le Silence des Sirènes für Sopran und Orchester (Uraufführung).

– Luciano Berio, Coro für vierzig Stimmen und Instrumente (1975-76).

Drei grandiose Stücke, die auf wunderbare Weise miteinander in Verbindung stehen und noch ein viertes für die Sehnsüchtigen im Schlepptau haben. Wu Wei war mir noch mit dem Dragon Dance in den Ohren und die ganze Komposition schnell familiär, wenn auch in einer beeindruckenden eigenständigen, neu anmutenden Klarheit (dass Unsuk Chin durch das serielle musikalische Denken hindurchgegangen ist, merkt man an der Stringenz der Komposition). Dieselbe Klarheit und dieselbe Sorgsamkeit gegenüber dem Solopart zeigten sich wieder in der Uraufführung von Le Silènce des Sirène, also dem Schweigen der Sirenen, wie es Kafka einmal in einem Fragment beschrieb (das erst später diesen Titel zugesprochen bekam). Man steht inmitten einer Welt der Verführung, also ob man immer schon nur solches für sich selbst am Suchen gewesen wäre. Und schnell denkt man an Berio, weil Unsuk Chin dieselbe Passage aus dem Ulysses verwendet wie Berio in Thema – Omaggio a Joyce von 1958. Und Hannigan wird Berberian. Man freut sich auf Coro, das Ende der siebziger Jahre zu einem jener grossdimensionierten Stücke gehörte, das einem die Neue Musik füglich als einen unerschöpflichen & unerschöpfbaren Jagdbezirk erscheinen liess (mit La fabbrica illuminata, Pli selon Pli, Momente, Gruppen etc.). Coro wird so gut interpretiert, dass es wieder an die Leichtigkeit von Šu zurückerrinnert – aber schnell auch an When the mountain changed its clothing von Heiner Goebbels mit dem Mädchenchor Carmina Slovenica, das am selben Tag leider nur in winzigen Ausschnitten am Radio erschien und sofort mit Prio 1 auf CD zugänglich gemacht werden muss: Uli isses, der Carmina Slovenica hören muss.

Zusatz 11. September 2014, 21.30 Uhr: soeben das Konzert vom 23. August 2014 aus Luzern nochmals auf Bayern 4 – einfach fantastisch!

Zusatz 18. September 2014, 21.00 Uhr: soeben das Konzert vom 28. August 2014 aus London nochmals auf Espace 2 – gleichfalls fantastisch!

An der Tubentränki tubetänzig

Mittwoch, 13. August 2014

Da der Nasssommer 2014 die Alpwege pflotschig und, vermittelt durchs Wanderverbot, mich ranzig wie fettrig macht, darf der erste Herbststurmwind – noch vor Miaoût! – keine Ausrede für den täglichen Gang durch den Könizbergwald sein.

Ein besserer Indianer hätte die Zeichen zu deuten gewusst: schon der Pfaffensteig war trotz seiner Steilheit mit herabgestürzten Ästen belegt, die sich an ihm festkrallten. Montaigne verspottete als früher Bergmensch die Zuhausegebliebenen, und also überstieg ich sie wie ein Pfaffe gedankenlos. Doch bald nach der Rechtskurve Richtung Südwest zuoberst und nach dem Zusatzanstieg mal in kleinerem Gehölz, mal schon im grossen Wald, begann mir klar zu werden, was ein richtiger Wind im Wald zu bewirken imstande ist. Die Tannen sind dort oben riesig, gleich hoch wie die Kiefern, und von ihrer obersten Höhe prasselten die vollen, von den Baumtieren noch nicht geernteten Tannzapfen auf den Boden. Man wird auch Tage später ihre Haufenansammlungen sehen können. Alle zehn bis zwanzig Meter riss ich die Nerven zusammen, die rechte Hand auf der linken Schulter oder auf dem Kopf, um den Tannzapfenhagel durchqueren zu können. Den ganzen Sommer lang schwitzte ich in diesem Wald, doch war es vorher immer wegen feuchter Hitze oder einem kleinen Regen, war es heute aus purer Angst. Einmal drinnen, war an ein Umkehren nicht mehr zu denken. Und auch nicht mehr erwünscht, denn ich wusste, dass in der Gegend der Taubentränke und des Sterns, sozusagen auf dem Gipfel des Könizberges, der Buchenwald über die Tannen dominiert. Naturkenntnisse können wie meine jämmerlich sein. Zwar wurden die Abstände zwischen den Plätzen mit Tannzapfengewittern grösser. Doch heimtückischer, weil viel weniger hörbar, trafen nun Äste wie Speere und Lanzen auf den Grund, metrig bis überzweimetrig, im steinigen Weg auftanzend, im weichen Waldboden nebenan schnurstracks feststeckend. Ich lehnte mich wo möglich dicht an eine dicke Buche und beäugte das brüchige Dach des Waldes, um dann möglichst lange Strecken ohne Astfall abzupassen. Trotzdem prasselte es links und rechts sowie knapp hinter und vor mir runtunter. Wie hatten die Rehe und Hasen im Gehölz über den Tubentänzigen zu wiehern! Endlich kam die oberste scharfe Linkskurve über der Taubentränki, und nach letzten zittrigen 200 Metern war ich an der ersten von mehreren lichten Passagen. Da wurde es nun zu einem Genuss, den sehr hohen Bäumen, die nur noch in kleinen Gruppen bestehen, bei ihrem tapferen Widerstand gegen den Sturm zuzuschauen, im Schutz der verbreiteten Brombeeren und sonstigen Stauden, in denen man des Morgens mit vergnügten Waldtieren Kontakte pflegen darf.

Eigernordwand

Dienstag, 12. August 2014

Soeben live am Nachmittag die Eiger Nordwand durchstiegen, von Mitte April 2014:

http://www.project360.mammut.ch/de/

S e h r empfehlenswert!

Wittener Tage 2014

Freitag, 8. August 2014

Gestern Abend live auf WDR 3 Wittener Tage für Neue Kammermusik vom 9. bis 11. Mai 2014.

Stefan Prins, I’m your body für Ensemble und Elektronik, Klangforum Wien, Leitung: Emilio Pomàrico. – Lästige Musik, im Detail schlecht (der Saxophonspieler hat sein Instrument kaum länger als ein halbes Jahr zum Üben gehabt), in der grossen Form unschlüssig und kindisch. Eine Art Zahnarztmusik.

Franck Bedrossian, Epigram II für 11 Instrumente und Sopran, Klangforum Wien, Leitung: Emilio Pomàrico, Donatienne Michel-Dansac, Sopran. – Schöne und spannende Theatermusik, in den instrumentalen Details etwas einfach, vielleicht zu nahe am Text. Die Gesangspartie erscheint gut komponiert und ist ebenso gut gesungen.

Wolfgang Mitterer, scan 1 für Ensemble und Elektronik, Klangforum Wien, Leitung: Emilio Pomàrico. – Ich bin nicht beeindruckt, denn die grosse Form ist tonal gedacht, als ob das Stück für eine amerikanische Feldmusik geplant gewesen wäre, ständig auf dem Sprung zu einer Kadenz.

Philippe Manoury, Trauermärsche für Kammerorchester, WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung: Peter Rundel. – Eine leichte, etwas unterkomplexe Trauer, mit schönen Effekten ohne Übergänge zu einem Ganzen.

Rebecca Saunders, Void für 2 Schlagzeuger und Kammerorchester, Christian Dierstein und Dirk Rothbrust, Schlagzeug; WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung: Peter Rundel. – Was die Schlagzeuger spielen, ist stets aufs neue spannend, das Orchester mit der e-Gitarre wirkt dagegen wie eine protestantische Kirchenband, die dafür sorgt, dass nichts aus den Fugen gerät. Das künstlerische Ohr wünscht sich, dass das Ganze aus den Fugen gerät … und wird peu à peu erhört! Das Stück wird immer besser, und endlich bin ich wieder einmal bei den Bravorufern.