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An der Tubentränki tubetänzig

Mittwoch, 13. August 2014

Da der Nasssommer 2014 die Alpwege pflotschig und, vermittelt durchs Wanderverbot, mich ranzig wie fettrig macht, darf der erste Herbststurmwind – noch vor Miaoût! – keine Ausrede für den täglichen Gang durch den Könizbergwald sein.

Ein besserer Indianer hätte die Zeichen zu deuten gewusst: schon der Pfaffensteig war trotz seiner Steilheit mit herabgestürzten Ästen belegt, die sich an ihm festkrallten. Montaigne verspottete als früher Bergmensch die Zuhausegebliebenen, und also überstieg ich sie wie ein Pfaffe gedankenlos. Doch bald nach der Rechtskurve Richtung Südwest zuoberst und nach dem Zusatzanstieg mal in kleinerem Gehölz, mal schon im grossen Wald, begann mir klar zu werden, was ein richtiger Wind im Wald zu bewirken imstande ist. Die Tannen sind dort oben riesig, gleich hoch wie die Kiefern, und von ihrer obersten Höhe prasselten die vollen, von den Baumtieren noch nicht geernteten Tannzapfen auf den Boden. Man wird auch Tage später ihre Haufenansammlungen sehen können. Alle zehn bis zwanzig Meter riss ich die Nerven zusammen, die rechte Hand auf der linken Schulter oder auf dem Kopf, um den Tannzapfenhagel durchqueren zu können. Den ganzen Sommer lang schwitzte ich in diesem Wald, doch war es vorher immer wegen feuchter Hitze oder einem kleinen Regen, war es heute aus purer Angst. Einmal drinnen, war an ein Umkehren nicht mehr zu denken. Und auch nicht mehr erwünscht, denn ich wusste, dass in der Gegend der Taubentränke und des Sterns, sozusagen auf dem Gipfel des Könizberges, der Buchenwald über die Tannen dominiert. Naturkenntnisse können wie meine jämmerlich sein. Zwar wurden die Abstände zwischen den Plätzen mit Tannzapfengewittern grösser. Doch heimtückischer, weil viel weniger hörbar, trafen nun Äste wie Speere und Lanzen auf den Grund, metrig bis überzweimetrig, im steinigen Weg auftanzend, im weichen Waldboden nebenan schnurstracks feststeckend. Ich lehnte mich wo möglich dicht an eine dicke Buche und beäugte das brüchige Dach des Waldes, um dann möglichst lange Strecken ohne Astfall abzupassen. Trotzdem prasselte es links und rechts sowie knapp hinter und vor mir runtunter. Wie hatten die Rehe und Hasen im Gehölz über den Tubentänzigen zu wiehern! Endlich kam die oberste scharfe Linkskurve über der Taubentränki, und nach letzten zittrigen 200 Metern war ich an der ersten von mehreren lichten Passagen. Da wurde es nun zu einem Genuss, den sehr hohen Bäumen, die nur noch in kleinen Gruppen bestehen, bei ihrem tapferen Widerstand gegen den Sturm zuzuschauen, im Schutz der verbreiteten Brombeeren und sonstigen Stauden, in denen man des Morgens mit vergnügten Waldtieren Kontakte pflegen darf.