Archiv für den Monat Juli, 2011

Bildungsferne

Dienstag, 26. Juli 2011

Der Ausdruck der bildungsfernen Schichten und Milieus gehört zu den wissenschaftlichen Disziplinen der Soziologie und der Pädagogik und soll gesellschaftliche Defizite so beschreibbar und verstehbar machen, dass auf sie eingewirkt werden kann und die Zustände unter den Devisen der Chancengleichheit und der aufgeklärten partizipativen Demokratie nachhaltig verbessert werden. Das ist im ganzen korrekt und drückt sich doch um die Wahrheit, die das Ganze wäre.

Vor dreissig bis vierzig Jahren war es verpönt, über Einzelmenschen zu sagen, sie seien dumm, denn die Dummheit hat man als etwas verstanden, das erlernbar ist: als ein Effekt schlechten Sprechens nicht nur in der Schule, sondern auch in der Familie und in den Medien. Man fühlte sich herausgefordert, auch dem Geringsten die Verhältnisse im Gespräch auseinanderzulegen, damit auch er sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen könne. Nur in extremen Fällen fühlte man sich nicht zum Sprechen aufgemuntert oder herausgefordert, weil einem der andere in der Tat als zu dumm erschien. Mich dünkte dieser Entschluss, von einem anderen dessen Natur zu respektieren, etwas Humanes, keineswegs ein Effekt von Eingebildetheit. Im Bildungsdiskurs heute verschwinden diese kuriosen und irritierenden Reste des Humanen auf eigentümliche Weise, wenn alle Dispositionen der Natur als gesellschaftliche begriffen werden – wenn restlos alle mitmachen sollen, auch die, die ihr Leben besser angeschnallt vor dem Fernseher verbringen würden.

Weitaus stossender und füglich ideologisch erscheint der Diskurs der Bildungsfernen, wenn er den lokalen und globalen Machtgebilden mit ihren spezifischen Akteuren gegenübergestellt wird. Denn wenn ein Milieu als bildungsfern zu charakterisieren wäre heute, dann das der Journalisten in der Kulturindustrie, der Schwer- und Kulturindustriellen allgemein, der Banker, der Finanzhändler, der Finanzmarktkontrolleure, der Kontrolleure der grossen Risikoindustrien, der Politiker etc. Unvergessen die gesellschaftlichen Zusammenhänge, als in der Schweiz eine Präsidentin der Sozialdemokraten es wagte, Bildung als Kategorie des politischen Diskurses aktiv in Szene zu setzen: die Meute der Kulturindustrie zerfetzte sie wie ein rares Reh, um bluttriefenden Auges mit den strammen Führern der Politik und der Industrie weiter unabgelenkt und ungehemmt ihrer Wege zu ziehen, weit hinaus in die noch nicht eroberten Gefilde der Bildungsferne.

Panorama herstellen mit Hugin

Montag, 25. Juli 2011

Ich habe in den letzten zwei Wochen über hundert Panoramen neu gestitcht, die vorher mit Autostitch hergestellt wurden: Hugin macht immer schärfere Bilder und ist in seinen Steuerungsmöglichkeiten zu gut, als dass es wegen ein paar Anfangsschwierigkeiten für neue UserInnen ungenutzt bleiben sollte. Alle untenstehenden Erfahrungsangaben beruhen auf dem System Windows XP, 3.1 GHz, 2 GB RAM mit zusätzlicher Grafikkarte.

Nach der Installation und dem ersten Programmstart erfolgen bleibende Einstellungen unter Menue Datei/Einstellungen: Allgemein/Zwischenspeicher für Bilder: 1000 MB. Assistent/Bilder laden (leer), Fertiges Panorama skalieren auf 100 Prozent, Vorschau nach Ausrichten öffne nichts. Kontrollpunkt-Detektoren/Hugins-CPFind (Standard).

Vor dem ersten Panorama durch Hugin werden die Bilder fotografiert (alle Apparate und Objektive sind möglich, ideal senkrechte Aufnahmen mit fester Belichtung, auch doppelstöckige oder doppelreihige Panoramen werden erkannt, Panoramakopf nur in sehr speziellen Fällen nötig – ich benutze ein Einbeinstativ mit Kugelkopf), alle Panoramadateien mit FastStone-ImageViwer oder ähnlichem in einen Ordner kopieren, der nicht tief in der Ordnerstruktur verborgen ist und keine Sonderzeichen enthält (optimal D:\panorama, nicht verwendbar D:\Dokumente und Einstellungen\Köbi\meine Panorämelis : zu tief verborgen, enthält Leerschläge und Umlaute), Dateien halbieren (Adobe-RGB kann beibehalten werden). Bei Autostitch war ein Zettel mit der Liste aller zu erstellender Panoramen, die man nacheinander abhakt, nötig, bei Hugin bloss noch empfehlenswert, um den Kopf bei vielen Panoramen freizuhalten.

Hugin starten/Assistent/1. Bilder laden/alle des ersten Panoramas markieren/OK. Meistens erkennt Hugin die Brennweite und den Formatfaktor, zuweilen nur die Brennweite: der Formatfaktor für Olympus DSLR ist 2, für Canon und Nikon 1.5, und die anderen findet man online, falls sie nicht erkannt werden (die alte Minolta A2 wurde spielend erkannt). Hugin arbeitet besser mit den zwei Angaben Brennweite und Formatfaktor als mit derjenigen des effektiven Bildwinkels. Objektivtyp ist wie vorgegeben gradlinig (rectilinear), Ausnahmen kenne ich nicht, eventuell Fischaugenobjektiv. (Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Ausdruck gradlinig fürs Objektiv und gradlinig oder sphärisch für die Panoramaausgabe.) Ctrl-s speichert mit Namen für eine ganze Serie, also panorama-1. Jedes Panorama speichert seine Erstellungsdaten, so dass bei einer nachträglichen Korrektur das Neuberechnen viel schneller geht, als wenn das Panorama effektiv neu hergestellt werden müsste.

Assistent/2. Ausrichten. Das Panorama wird berechnet, anschliessend in wenigen Zeilen kommentiert. Diese Kommentare sind nicht immer zutreffend: manchmal wird behauptet, die Bilder würden optimal zueinander passen, aber das Programm hat nur einen Ausschnitt gewählt, manchmal wird umgekehrt kritisiert, die Bilder würden nur schlecht zueinander passen, aber das Panorama ist tipptopp.

Menue-Icon Vorschaufenster (nicht OpenGL-Vorschaufenster, das führt bei mir zu einem Programmabsturz (ansonsten hat es keine Abstürze gegeben)). Der weisse Rahmen zeigt, was Hugin vorhat, als Panorama auszugeben, ebenso, wo möglicherweise falsch gestitcht wird. Die Änderung des weissen Rahmens geschieht im Reiter Zusammenfügen: nacheinander Bildwinkel berechnen, Optimale Grösse berechnen, Beschnitt den Bildern anpassen (Hugin holt hier die Daten aus der bereits geleisteten Berechnung). Will man das ganze Panorama ohne Beschneidung, schreibt man Links 0, Oben 0, Rechts volle Breite, Unten volle Höhe. Nach der Änderung der Beschneidung wird keine Neuberechnung nötig. Im Vorschaufenster lässt sich die von Hugin automatisch gewählte Ausrichtungsweise selbst wählen, die Berechnungen fürs Stitchen bleiben dieselben (gradlinig bei sehr wenigen Einzelbildern, sphärisch und zylindrisch bei grösseren).

Assistent/3. Erstellen des Panoramas, mit Speichern sowohl des auszugebenden Panoramas wie der Hugin-Datei.

Ctrl-n /Assistent/1. Bilder laden/alle des zweiten Panoramas markieren/OK. Ctrl-s speichert mit Namen für eine ganze Serie, also panorama-2. Undsoweiterundsofort.

Will man bei einem 360°-Panorama den Mittelpunkt ändern, wählt man unter Bilder das neue Ankerbild: Positionsanker festlegen. Das Panorama muss neu berechnet werden.

Will man knapp kein 360°-Panorama, maskiert man im letzten Bild die verdoppelnde Passage.

Die Maskierung wird auch dann verwendet, wenn bewegliche Objekte nur an einer Stelle erscheinen sollen. Bei fehlerhaft zusammengesetzten Stellen, insbesondere freistehenden Linien oder Kanten, etwa Feldwegen oder Trottoirs bzw. Gehsteigen, benutzt man wahlweise die Maskierung und/oder die Setzung neuer Kontrollpunkte (Fenster auf 100% setzen). Nach einem solchen Eingriff reklamiert Hugin weiterhin und zeigt im Vorschaubild immer noch fehlerhafte Stellen, obwohl das Bild richtig ausgegeben wird. Man darf dem Programm mehr vertrauen als es sich selbst zutraut, und es kann auch dann Bilder fehlerfrei zusammensetzen, wenn sie sich nur in einem winzigen Bereich überlappen – nicht automatisch, aber mit einer kleinen Aufmunterung durch manuelles Setzen einiger weniger Kontrollpunkte.

Der Optimierer korrigiert auch unterbrochene oder verschobene Linien bei Feldwegen, Strassenrändern oder Stromleitungen, wenn zusätzlich die zwei letzten Funktionen aktiviert werden: horizontaler und vertikaler Versatz.

Schostakowitschs Achte (2)

Samstag, 23. Juli 2011

Soeben auf France Musique En direct du Festival d’Aix en Provence, London Symphony Orchestra, Valery Gergiev, Direction.

Claude Debussy
La Mer (1903, 1905)

Dmitri Chostakovitch
Symphonie N°8 en Ut mineur Op.65 (1943)

Ich weiss nicht, wie oft ich dieses Werk schon gehört hatte, zum ersten Mal sicher Ende der siebziger oder Anfang der achtziger Jahre auf DRS 2 (morgens, als der Sender noch gut war, auf Opas geerbtem Rörenradio – als nota bene alle Symphonien gespielt wurden) – aber diese Aufführung ist sicher die von mir am intensivsten erlebte, mindestens so stark wie die letzte. Schostakowitsch wird zunehmend von meinen Ohren rehabilitiert.

Debussys Mer war hingegen normale Vollkost, kaum des Schwimmens wert.

Rupert Murdoch

Dienstag, 19. Juli 2011

Rupert Murdoch, Inbild der Kulturindustrie

Man könnte ganze Telefonbücher mit Namensadressen von solchen füllen, die dem Reich dieses Teufels dienen, um den Massen nicht nur den Gehalt ihrer Lohnarbeit aus den Taschen zu ziehen, sondern auch das spärliche Vermögen zwischen ihren Ohren.

Dusapin, Morning in Long Island, Concert N°1 (2. Aufführung)

Montag, 18. Juli 2011

Soeben auf France Musique direkt live aus der Royal Albert Hall, London:

Pascal Dusapin, Morning in Long Island, Concert N°1, Commande de Radio France, UK-Première. Orchestre Philharmonique de Radio France, Myung-Whun Chung, Direction.

Ein schönes Erlebnis, dieses neue Werk innerhalb von weniger als einem Monat zweimal direkt live zu hören. Ich kann heute dasselbe schreiben wie bei der Uraufführung am 24. Juni 2011, mit dem Zusatz, dass die an Bernstein gemahnende Simplizität nach der 26. Minute (von 31) eine vermittelt imitierende ist, keine originär kopierende. Dadurch wird auch der negative Ausdruck des Naturalismus mitsamt der Invektive einer Filmmusik hinfällig: Das Konzert Nr.1 von Pascal Dusapin ist Musik von Dusapin, geschrieben in Erinnerung an einen frühen Morgen auf Long Island. Für uns, das zuhörende Publikum, hat die Lokalität keine Bedeutung ausser der trivialen, das Werk im Ganzen nochmals Revue passieren zu lassen. Die Bestimmungen erhalten dadurch etwas Zusätzliches, das sie nicht in einer spontanen Eindeutigkeit mehr ruhen lassen. Und die letzten Sechstel oder Siebtel in vielen Werken von Dusapin sind eine Besonderheit, die sich bis auf weiteres nicht allgemein fassen lässt.

Ur II, 9

Sonntag, 17. Juli 2011

Ur I gratuliert ur II zum Neunten. Es hat gestern eine schöne Tour gegeben.