Archiv für den 'Traum'-Themenbereich

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Samstag, 22. Oktober 2022

Polizist: GutenTag.
ur: Guten Tag.
Polizist: Wie kann ich helfen?
ur: Ich möchte eine Anzeige machen.
Polizist: Worum geht es?
ur: Ich möchte mich selbst anzeigen.
Polizist: Warum?
ur: Ich habe nicht aufgepasst in der Schule

Im Traum Schenkelklopfenlacher

Sonntag, 24. März 2019

Zwist mit dem UBW auf dem Morgenspaziergang. Kein Mensch hätte ein so fieses Unbewusstes. Ich müsse mich ja schämen, würde mich am liebsten ein neues suchen. – Soeben im Schlaf mit drei Frauen in einer Kneippe, in eine verliebt, bisschen wie Hazel Brugger, von der ich frühabends den miserablen Film übers Scharfessen schaute (sie ist in gefährlich dämliche Kreise abgerutscht). Wir diskutierten ein gewöhnliches Problem. Ich sagte der erwähnten, ich könne sie doch in ihrer Wohnung besuchen, sie würde an einem Tisch sitzen wie in einem Kassenhäuschen und ich würde ihr sagen: „Ich muss heute 14 Franken 50 bezahlen.“ Ich würde ihr das Geld aber nicht ausbezahlen. Dann lautes, übertriebenes Lachen, von mir ausgehend, die drei Frauen einschliessend, dann in der ganzen Kneippe.

Bergabstieg

Montag, 22. Oktober 2018

Äusserst langer Traum, in einer Fünfergruppe den Berg hinunter, nicht aber einem Weg entlang, sondern immer durch Gebäude hinunter, teilweise luxuriöse Chalets, teilweise durchs Gemäuer oder sonstwie durch die Infrastruktur von Mehrfamilienhäusern. In der Hand halte ich einen Stapel von fünf bis zehn handtellergrossen Blättern, jedes enthält eine Skizze der Häuser, durch die wir ziehen. Mindestens einmal geht es durch die Wasserleitungen hinab. Am Schluss stehe ich mit den Blättern vor Polizisten, die entweder uns verhaften wollen oder bereits zum Gericht gehören, das sich mit uns befasst.

Der Traum als Resteverwerter der Tages

Dienstag, 18. September 2018

Vor einer Stunde der Versuch, ein Gif auf Facebook zu posten mit dem Kommentar: Wenn ich ein Schnürchen wär, würde ich mich weigern, einen Knoten zu werden.

Ich fand es dann aber unpassend, sexistisch (hier weniger, weil keine Personen via „Friends“ direkt angesprochen werden). – Jetzt eben ein Traum mit vielen Leuten, wo ich auf einer Treppe bei fast derselben Frau mit dem Kopf auf dem Bauch lande, sie aber in neuen Jeans… Derselbe Traum geht weiter, wir in dunkler Nacht, darüber die Milchstrasse so schön wie noch nie gesehen, „zum Greifen nah“. Erschien sie nicht gerade schon im letzten Post an diesem Ort hier, die Milchstrasse mit ihrem lesegehemmten Sennenvolk? Leider kamen dann viele Leute vorbeigezogen mit vielen wuselnden Hunden, von denen einige nur schnupperten, der grösste aber an mir fressend kleben blieb.

Two Rich Asian Girls

Donnerstag, 16. August 2018

Es ist schwarze Nacht, ich schwimme in einem langsamen Fluss in einer Stadt wie Luzern, vor mir, nur wenig näher zum Ufer, zwei junge Asiatinnen in Panik. Ich treibe sie, als einzige hell im ganzen Dunkel, langsam ans Ufer, nach langer Zeit kann die erste von Leuten aufgefangen werden. Weitertreiben mit der zweiten in really dark night, der Fluss wirkt tief, nur ihr verschreckter, aber schöner Kopf hell. Endlich erscheint ein Steg zum Fluss heraus, an den wir herangespült werden. Leider schon Aufwachen…

Straftraum Kinderspital

Donnerstag, 8. März 2018

Wir liegen wie Sardinen in einer Arena, quasi auf den Zuschauerreihen. Eine Wärterin beugt sich von aussen über uns, als wären wir in einer Puppenstubenarena, und verteilt jedem einzelnen Strafen. Rechts über mir wird einem eine Art Ovomaltinepulver ins Gesicht gedrückt. Da ich unschuldig bin, werde ich „vorgeführt“. Ich muss in die Mitte der Arena, die Hände nach vorne gefesselt, an einem langen Strick, der an einem Holzbalken hängt, aus der Mitte hochragend. Ich latsche wie ein Pferd im Kreis, auf Sand, stürze, werde geschleift: schreie nicht. Chefin ist Sansa. Sie kommt in die Mitte der Arena. Schlägt. Kein Schreien meinerseits. Aber ich falle, mache das Maul auf, falle auf sie, beisse mich im Hals fest. Die Menge tobt.

Wildnis hier, jetzt, einstmals, dort

Mittwoch, 31. Januar 2018

Gestern missliebigen Philosophen auf Facebook entdeckt, mit abstossendem Selfie. Jetzt von 1 bis 3.30 Uhr schlaflos, dann Traum: ich stosse auf den erwähnten Philosophen und ziehe mit ihm und einem Mädchen in ein Haus in den Bergen, komfortabler als eine Hütte. Schon beim Eintreten fallen die wilden Tiere im nahen Wald auf. Nach mehrstündiger Zeit stellen wir fest, dass es von oben tropft: die obere Etage ist unter Wasser gesetzt worden, ihr Boden weicht sich auf und droht dem Wasserdruck nachzugeben. Schnell raus! Doch alle Fenster und Türen sind verriegelt und von aussen verbarrikadiert. Wie Morton Feldman (siehe letzten Post) reisse ich stark aufgeweichte Stücke aus dem Türrahmen. Das gelingt, und es entsteht ein Loch. Doch als es sich grösser machen lässt, indem die anderen beiden auch mithelfen, nähern sich die wilden Tiere; die weiten Kreise der Löwen und Schäferhunde werden immer enger. Aufwachen, als ein Löwe nach mir schnappt.

Zusatz: ein paar Tage vorher auf Facebook die mehrjährige Timeline (Chronik) eines Typen angeschaut, der wegen seines technischen Berufs in den Bergen hohes Ansehen genossen hatte (sein gesellschaftliches Ansehen heute – und in der Ferne – ist mir unbekannt): eine unendliche Masse an geteilten Bildern und Videos im Namen des Tieres, zumal des vom Menschen geschädigten, durchbrochen von einem unaufhörlichen Strom des Geiferns gegen linke Positionen, nicht zuletzt geschmückt mit Fotos eines überdimensionierten Hausinnerns gänzlich frei von Bildern der Kunst und Zeugnissen der Musik und der Literatur.

Surreale Entführung

Mittwoch, 10. Januar 2018

Surrealbrutaler Traum kurz nach dem Einschlafen, zwischen 22.30 und 23 Uhr: ich sehe, wie ein 20jähriges Mädchen von einer 40jährigen Frau an einem dünnen Faden entführt wird, auf dem staubigen Bahnhofsgelände eines Dorfes auf dem Land. Ich umarme das Mädchen und will die Entführung verhindern. Die Frau zieht am Faden und entfernt sich dabei. Der Faden ist elastisch, aber das Mädchen hängt an ihm, und ich kann es nur mit Mühe zurückhalten. Die Frau ist etwa 40 Meter entfernt, wo es mir gelingt, den Faden wie ein Lasso in Schwingung zu versetzen. Sie wird nun selbst vom Faden gefangen genommen. Sie steht nahe beim Gleis, das Perron ist deutlich höher als das Gleis. Sie dreht sich wegen des Fadenzugs und kommt ins Schwanken. Sie fällt in dem Moment aufs Gleis, da eine Dampflok aus dem 19. Jahrhundert in den Bahnhof einfährt. Die Lok hat vorne wie ein Backofen eine Öffnung, in die die Frau hineinfällt. Man sieht, wie ihre materiellen Überbleibsel mit dem Dampf zusammen aus dem Kamin hinausgetrieben werden. Wir sind gleichermassen erleichtert & entsetzt, ich habe immer noch den rechten Arm ums Mädchen. Da erscheint ein Kapuzenmann und nähert sich. Wir drehen ab, doch es hilft nichts. Er steht vor uns und zeigt uns sein groteskes, nahezu ausgelöschtes Antlitz. Er greift an, ich erwache. – Nachdenken darüber, ob ein solch brutaler Traum aufgeschrieben werden dürfe. Verneinung, Einschlafen. (Jetzt, ein paar Stunden später, könnte ich zu jeder Traumpassage anzeigen, welche Banalität in den letzten zwei Tagen geschehen waren und hier neu erscheinen; das Max- & Moritzbild als Entenfutter sah ich gestern nicht weit vom Haus entfernt, wo ein Arbeiter die Überreste eines Sturmopfers mit einer grossen Maschine häkselte und mir eben dieses literarische Bild in den Sinn kam. Der Traum ist harmlos.)

Kurz vor Aufwachen um 3 Uhr zweiter Traum: sehr schlechter Sitarunterricht irgendwo auf dem Land, wohin ich das Instrument schleppen muss. Das Traumbewusstsein ignoriert die gegenwärtige anatomische Beschaffenheit – das passiert nur noch ausnahmsweise.

Strawinsky, Sacre du Printemps

Samstag, 4. März 2017

Soeben live auf France Musique concert donné le 8 avril 2016 à la Grande salle de la Philharmonie 1 à Paris, Orchestre National d’Ile de France, Enrique Mazzola Direction.

Igor Stravinsky (1882 – 1971), Le Sacre du Printemps.

Leider schlafe ich des öfteren abends in den Konzerten ein, manchmal vorübergehend und kurz, manchmal für ganze Stücke, auch allerbeste; ich erlebe von einigen nur die Ansage und den Applaus. Es kommt auch vor, dass ich dabei in einen Traum verfalle. So auch jetzt. Und was geschieht ebenda? Ich bin in Paris, in diesem Konzert jetzt, in dem der Sacre gespielt wird. Ich bin ein Musiker im Orchester. Es ist riesengross. Jeder Musiker und jede Musikerin spielen nur einen einzigen Ton. Als das Stück fertig ist, gehen alle an einer Tonne vorbei, in die sie ihr Instrument zurückgeben, alles mehr oder weniger kleine Pfeifen. Es entsteht ein grosser Umzug, der durch die Gänge des Konzerthauses den Ausgang finden muss, damit alle Nachfolgenden noch rechtzeitig ihr Instrument abgeben können. Als ich aufwache, staune ich darüber, dass der Sacre noch gar nicht zuende ist und noch eine Minute dauert. Manchmal hasse ich mein Traumbewusstsein, ich bin die reine Blödheit.

Das beste Konzert des Abends? – Vor vier Stunden Chick Korea* und John McLaughlin in Wien 1991. Als McLaughlin auftritt, schlafe ich ein…

Das zweitbeste? – Vor drei Stunden Leïla Martial & Baa Box à Saint-Denis in Paris, eine Entdeckung.

* Antiscientologyschreibweise: dass ein so guter Musiker so grossem Scheiss nachträumt, betrübt.

Giya Kancheli, Mourned by the Wind

Mittwoch, 8. Februar 2017

Soeben live auf BBC 3 at the Royal Festival Hall, London on 25th January 2017, Vladimir Jurowski and the London Philharmonic Orchestra.

Giya Kancheli, Mourned by the Wind – Liturgy for solo viola and orchestra, 1989.

Man muss aus den Fugen und down sein, um auf diese zwar farbige und warme, indes komplett leere Musik positiv anzusprechen. Mir haben die 50 Minuten unverhofft ausserordentlich gut gefallen. Das Stück erinnert an die dunklen Bilder von Paul Klee, in denen die Ereignisse wie in Konstellationen dastehen und vorüberziehen, mal durchsichtig, vereinzelt und klein, des öfteren auch in Masse und solcherart blockartig festgemacht oder in einem Feuerwerk oder in Staub explodierend. Nicht die Leere im Werk wäre zu bemängeln, sondern dass es ab und zu in tonalen Gebilden sich absichern zu müssen vermeint: Kancheli behauptet, nur für sich zu schreiben, gibt sich aber unverholen die schlechte Mühe, die er von der musikalischen Arbeit an den Filmen übernommen hat, das Publikum nicht zu vergraulen. Vielleicht kommt heute eine Schlafnacht, die mit dem halluzinogenartigen Einheitsalptraum, der einen mehrmals aufwachen lässt, um in der Fortsetzung derselben Handlung die Bedrohung nur immer dreister auszuüben, zurückhält, weil die Musik ihn verzaubert – und bannt.

Geschreddertes Vortragsmanuskript

Donnerstag, 22. September 2016

Ich schreibe meinen Vortrag über Musik & Philosophie zügig zuende, und weil noch genügend Zeit ist, klebe ich die einzelnen Abschnitte auf handtellergrosse Kartonscheibchen. Dann geht es durch die Gänge der weitläufigen Universität, wo ich den vorgesehenen Raum betrete, bestuhlt ohne eigentliches Vorne und Hinten wie ein Bierzelt. Darin schon viele Studis, ich setze mich ohne langes Suchen irgendwohin, wo es gerade Platz hat, mittendrin, packe meine Sachen aus und merke, dass es eng werden könnte, da immer mehr in unmittelbarer Nähe Platz nehmen, J. B. links, die offenbar immer schöner wird und nicht gewusst hat, dass ich heute vortrage, rechts ein Unbekannter, der eine Art Mechano Kinderspielzeug ausbreitet und vorhat, während der Stunde damit zu spielen. Es wird stetig enger, was meinen Vortragsunterlagen nicht entgeht: je mehr ich von ihnen auspacke, desto kleiner werden sie selbst wie im gleichen Zug auch die bereits ausgebreiteten. Sie werden nicht nur kleiner, sondern auch zerschnitten; diese einzelnen länglichen Schnipsel ringeln und verkleben sich. Ich habe nun vor mir ein Gebilde liegen wie ein Wollknäuel und versuche mit wachsender Verzweiflung, die verklebten Schnipsel auseinander zu drehen und auseinander zu ziehen, ebenso die verklebten Partien voneinander abzuziehen. Am linken Rand des Raumes (gemäss meiner Sitzrichtung) entnimmt Georg Jánoska eine Platte aus ihrer Hülle und startet sie auf dem Plattenteller, John Coltrane. Merde, jetzt auch noch der abgestandene Kampf gegen den Jazz… Ich weiss, wer ihm den Mist gebracht hat. (So funktioniert das Schlechte in der Welt: man drückt den Ahnungslosen etwas Simples in die Hand, das erwiesenermassen mit der Sache nichts zu tun hat, nicht via Medien, sondern im massiven Strukturzusammenhang der Kulturindustrie. In den Ahnungslosen bilden sich starke Affekte, die in der Zeit sedimentieren und die Wahrnehmungskanäle oder -organe erodieren; werden solche Subjekte aufs Reale hin angesprochen, ist kein Raum mehr für es da, sondern alles immer schon materiell verstellt.) Bevor ich es nur noch mit einzelnen Buchstaben zu tun habe, gehe ich zum gut gelaunten Professor und zeige ihm mein Malheur, wenigstens die Resten des Ganzen. Er missversteht, was er sieht, und findet es lustig, einen Vortrag auf so winzigen Schnipsel geschrieben zu haben, was doch gar nicht stimmt. – Leider bin ich schon an dieser Stelle aufgewacht, weil es einfach keinen Sinn macht, Coltranes Geguugge mit Philosophie in Verbindung zu bringen, schon gar nicht improvisierend.

Entengeschnatter

Samstag, 6. Februar 2016

Gestern Abend live auf France Musique l’Orchestre philharmonique de Radio France et Mikko Franck, en direct de l’Auditorium de la Maison de la radio mit Werken von Fausto Romitelli, Thierry Pécou, Luca Francesconi et Henri Dutilleux.

Nach dem Romitelli und während des Stücks von Pécou wurde klar, dass ich über dieses Konzert keine Notiz schreiben werde. Ich ertrug das zwanzigminütige, überaus nervöse „Pausengespräch“, freute mich an der Musik von Francesconi im Werk „Bread, Water and Salt“ und schlief dann ein. Hier verfiel ich in einen langen Traum, in dem ich mich übers radikal tonale Komponieren von Dutilleux wunderte, der gemäss Programm auf den Francesconi folgen sollte – im Traum war ich am selben Ort, also auf dem Sofa, mit derselben Musik auf den Kopfhörern. Als ich mich über die Musik wunderte, kam zuerst eine einzelne Ente zu mir ans Sofa, dann auch mehrere weitere. Zumindest die erste, ziemlich grosse, in der Grösse einer Gans, zupfte an meinen Kleidungsstücken, kam sogar hoch aufs Sofa, zupfte weiter, so nahe, dass ich ihren weichen, angenehmen und mädchenhaften Körper spürte, wurde aber aufdringlicher und biss regelrecht in den rechten Oberarm. Da auch andere Enten nun auf mir waren und sie allesamt an mir zupften, fand ich es an der Zeit, aufzuwachen. Obwohl kein Alkohol im Spiel war, torkelte ich über den Bachtiar zum Tisch. Was für ein Erstaunen, dieselbe tonale Musik auch im wachen Zustand zu hören! Aber es war nicht Dutilleux, sondern Debussys La mer, und es folgte alsogleich die Radioabsage. Zum Teufel, die Aufregung gegenüber Dutilleux beruhte auf einem Missverständnis! Sofort befragte ich mich über die Abneigung gegenüber diesem Komponisten: wer ihn mit Debussy verwechselt, hat kein Recht, ihn abzulehnen. Da es sich bei La mer um eines der zwei „pièces diffusées entre les oeuvres du concert, pendant les déplacements de l’orchestre“ handelte, wurde das Stück von Dutilleux erst jetzt ausgestrahlt. Siehe da! Ich empfand diese Musik auch im selbstkritischen Zustand als lärmig – und insbesondere als ohne Konzept, das man während des Hörens aufdröseln könnte. Dieser negative Blick auf die Ästhetik hat auch dann Bestand, wenn man die kompositorische Versiertheit im Kleinen, also das kompositorische Handwerk, anerkennt. Dutilleux ist ähnlich wie Richard Strauss begabt in Hülle und Fülle und scheitert wie dieser an der Unterlassungssünde, die Ästhetik im Hinblick auf Gesellschaft und Geschichte für das eigene Schaffen zu deuten und auszuformulieren. Beide ignorieren die Umwelt, in die sie zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Räumen hineingeboren waren.

Und doch war die gestrige Aggression gegen Dutilleux nicht allein aus seiner Musik erwachsen, sondern ein Effekt der Pausengestaltung der Radioredaktion von France Musique. Man hat hier immer noch nicht kapiert, dass der Kult des Persönlichen, wie er parallel zum Neoliberalismus sich entfaltete, an seriösen Plätzen längst zu Grabe getragen worden ist. Hört man direkte Livekonzerte auf einem deutschen Sender, werden in der Pause Gespräche übertragen, die in der Probenarbeit vorher aufgenommen worden waren und im Detail also noch korrigiert werden konnten. Nicht so in Paris. Hier wird die Pause von einer äusserst gespannten Nervosität beherrscht, die alle Teilnehmenden zu Trotteln verkümmern lässt und dem Publikum regelmässig einen zwanzigminütigen Frust verpasst. Denn die geforderte Spontaneität im Gespräch heisst nichts anderes als Verleugnung jeder intellektuellen Vorbereitung und Perspektive wie die Betonung des Persönlichen Verleugnung jedes Abstrahierungsvermögens; beides zusammen läuft auf einen dummen Konkretismus hinaus, der zwischen dem empirisch Einzelnen und dem gesellschaftlich Diskutierbaren nicht mehr unterscheidet. So gingen denn die Statements von Luca Francesconi im eigenen Entengeschnatter unter, weil er es im Lampenfieber wohl einfach nicht ertragen konnte, vor der Aufführung seines grossen Werkes, das eben erst nach der Pause auf dem Programm stand, Vernünftiges zur Sprache bringen zu müssen (wem wäre das zu verargen?). Die Charakterisierung der eigenen Musik mündete in kompletter Sinnlosigkeit, zu der er sich in einem normalen, vernünftigen Gedankenaustausch wohl kaum hinreissen lässt. Es muss klar sein heutzutage, dass man es mit zwei Begriffen der seriellen Musik zu tun hat, der reinen Technik, die nicht einmal ein Jahr lang die historische Diskussion beherrschte, und der Idee der seriellen Musik. So ist es langweilig, wenn das einer wie Francesconi ignoriert und freimütig daherplappert, er müsse in seinem Komponieren wie jeder heute sich gegen die Vorherrschaft der seriellen Musik stellen. Er muss es nämlich deswegen genauso sehr wie jeder andere komponierende Mensch, weil die serielle Musik einer Epoche angehört, von der es noch nicht entschieden ist, ob sie füglich schon an ihr Ende gekommen ist. Dass man als progressiver Künstler gegen sie anschreibt und sich selbst schon im Neuen wähnt, ist trivial (und setzt einen wohltuend von Dutilleux ab). Zu benennen in einem Gespräch wäre das Neue aber begrifflich, wenn man sich auf es berufen will. Gelungen ist dies aber bis heute in der Musik noch niemandem. Boulez bleibt.

Verlochtes ausgraben

Dienstag, 13. Oktober 2015

Herzerweichender Traum. Zuhinterst im Val d’Hérens, zwischen den dunkelbraunen Hütten eines Dorfes in der Dämmerung staune ich ob den Fenstern, in die man schauen kann, ohne etwas zu sehen, da schleppt sich der alte V. um die Ecken, verschwärzt wie ein Kaminfeger, deutet mir an, ich solle ihn an einen verborgenen Winkel des Hauses schleppen, untertags, auf meinem Buckel. Das geht doch nicht! Ich versuche es trotzdem, da kommen D. und U., U. nimmt V., der schon lange nichts mehr spricht, seinerseits auf die Schultern, und wir beginnen, uns dahin zu verkriechen, wo es scheinbar etwas auszugraben gäbe. Ah, saudumm, ich wache grundlos auf, ohne dass sich vom Geheimnis eine Spur offenbaren würde.

Steinhagel

Dienstag, 8. September 2015

Ich sitze zuhinterst in einem niedrigen Kleinbus. Der Fahrer spinnt und lässt das Auto in einer geraden Strasse mit halbhohen Reihenhäusern beidseits im Kreis fahren, rechtsherum über beide Fahrspuren hinweg, die Hinterräder wie fest am Platz. Das Auto dreht sich immer schneller, es durchbricht die Vorgartenmauern und damit alles, was im Weg steht, Kinderwagen, Sträucher, Personen… Längst schon hat ein Steinhagel eingesetzt und wird immer dichter, über die Häuserreihen herab im sich durch die Fahrt bildenden Kreis. Angst, getroffen zu werden – vom Aufprall des Autos, vom Niederprasseln der Steine. In der Tat wird zuerst eine Hand zerschlagen, dann ein Arm. Der Hagel aus würfelförmigen Pflastersteinen wird immer dichter, die Drehgeschwindigkeit des Autos immer schneller. Der Kopf wird getroffen, Aufwachen. – Jetzt auf aufs Gersthorn!

Ausmisten

Donnerstag, 18. Juni 2015

In diesem Traum wechseln die Grössenverhältnisse laufend: ich stehe vor einem meiner hohen Büchergestelle, draussen in der Landschaft, und schaue zu, wie Arbeiter hinter einem der oberen Tablare in einem buchgrossen Schacht tätig sind, sei es mit Strom- oder Glasfaserleitungen. Allmählich wird klar, dass etwas Schwarzes herausgeschaufelt wird, und es fällt in die Bücher der unteren Tablare hinein. Ich brülle. Ein Arbeiter zeigt sich oben auf dem Tablar, ein anderer direkt neben mir. Ich solle mich beruhigen, meinen Büchern würde bestimmt nichts passieren. Ich hole die Kamera, um den Schaden zu dokumentieren. Natürlich fotografiere ich mit schlechten Einstellungen, es ist viel zu dunkel. Ich merke, dass die Dokumentation missraten wird, dieweil Leute der Strasse die Szene begaffen und immer mehr Mist über die Bücher fällt. Die Fotos bleiben unbrauchbar, mürrisches Aufwachen.

In Wirklichkeit versuche ich seit Tagen, bei einer Wohnungsauflösung Bücher in Gestellen und Schränken so zu durchforsten, damit entweder einige von ihnen selbst oder ihr beigelegter Zusatz in Form von Briefen oder sonstigen persönlichen Dokumenten vor dem endgültigen Entsorgungstod gerettet werden können. Gleichzeitig schleppte ich gestern die ganze Anlage von Swisscom-TV mit Router, Funkkästen, der eigentlichen Box und einem ganzen Kabel- und Steckerpark aus der Zentralschweiz in ein Berner Swisscomshop. Der Traum hat gar nichts vorgegaukelt, sondern erscheint als nüchterne Buchhaltung.

Zusatz 19. Juni 2015. Heute zuhause nach Qualen den einarmigen Behindertenrucksack gewogen: 8.5 kg Fotobücher…

Erster Widerstand

Donnerstag, 9. April 2015

Seit fast zwei Jahren jede dritte Woche ein Alptraum mit Todesfolge, sporadisch mit einem mehrminütigen, äusserst deprimierenden Weiterleben nach dem Todesfall. Solches nur nach Ereignissen in der Natur wie Abstürzen in Schluchten oder Vulkane. Meistens handelt es sich um ein Abgeschlachtetwerden durch Gruppen, eher selten durch Einzelne. Was die Killer alle verbindet ist ihre Anonymität und ihr plötzliches Erscheinen, ohne Ankündigung und deutbaren Hintergrund. Heute habe ich mich zum ersten Mal gewehrt: ich liege irgendwo in einem Zimmer auf einem Schragen, mehrere Personen treten durch die Türe(n) und auch das Fenster, fesseln mich, setzen mit Fausthieben an, mit Sägen etc. Ich bin erstaunt, dass ich mich trotz der Fesseln, trotz der konstitutiven Kraftlosigkeit aufrichten kann – dass ich mich wehre. Es entsteht ein regelrechter Kampf gegen einen bunten Haufen widerwärtiger Dumpfestköpfe wie aus einem B-Movie, in dem die Leute abrupt Erstaunen zeigen und beginnen abzuhauen. Aufwachen mit dem Gedanken, dass ich von solchen neuerlichen Alpträumen noch nie zu erzählen gewagt hatte.

Akustisches Missverständnis

Montag, 12. Januar 2015

Ich bin kein Lehrer geworden, trotzdem soeben ein Lehrerausbildungstraum. Gruppenaufteilung: ich muss in einer halben Stunde ein mittelalterliches Musikstück (noch ohne Linien) mit einer Kollegin vorbereiten, um es dann Erst- oder ZeitklassprimarschülerInnen vorzustellen. Es ist ein sehr schönes Faksimile aus dem 13. Jahrhundert auf Glanzpapier. Ich erfasse weder die Musik noch den Text, bin einerseits beeindruckt durch die noble Vorlage, weiss andererseits, dass ich die Prüfung nicht bestehen werde, weil ich nichts zu sagen weiss, auch gibt die Kollegin nicht zu verstehen, dass sie das Sprechen übernehmen würde. Die Vorbereitungszeit ist schnell vergangen, der Ausbilder kommt zu uns aufs Sofa, wo es ein kleines Gerangel gibt, weil ich die Chance erhöhen möchte, dass er die Kollegin direkt auffordert, den Probeunterricht durchzuführen und ihn also zwischen uns zu plazieren versuche. Doch er setzt sich an den Rand neben mich und verlangt, endlich zu beginnen. Eines der Kinder meldet sich und sagt, es müsse etwas (tun). Die anderen Kinder werden auch sofort unruhig. Ich wende mich eher leicht und unvollständig als direkt offen an den Ausbilder und sage ihm etwas, das offenbar auch von den Kindern gehört wird. Sofort stehen sie alle auf, kramen ihr Zeugs zusammen und rauschen ab, als ob sie verstanden hätten: „Dann geht doch!“ – Die ganze Klasse der auszubildenden LehrerInnen ist ob meiner Anmassung betreten, alle stehen verständnislos herum. Ich wende mich nun richtig an den Ausbilder und sage ihm: „Ich habe dich doch nur gefragt: Wer sagt etwas?!“ Alle entspannen sich und lächeln, weil es sich offenbar doch nicht um eine Anmassung eines Prüfungskandidaten handelt, sondern um ein regelrechtes akustisches Missverständnis. Aufwachen.

Jean-Louis Florentz, Olivier Messiaen

Montag, 8. September 2014

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 26 juillet 2014 à la Collégiale de Briançon, dans le cadre de la 17ème édition du festival Messiaen au Pays de la Meije. Ensemble Musicatreize, Orchestre Régional de Cannes Provence Alpes Côte d’Azur, Roland Hayrabédian, direction.

– Jean-Louis Florentz (1947-2004), Magnificat-Antiphone pour la Visitation op. 3 pour ténor, chœur mixte et orchestre.

– Olivier Messiaen (1908-1992), Trois Petites Liturgies de la Présence Divine pour piano, ondes Martenot, célesta, vibraphone, trois percussionnistes, chœurs de femmes à l’unisson et orchestre à cordes. I. Antienne de la Conversation intérieure II. Séquence du Verbe. Cantique Divin III. Psalmodie de l’Ubiquité par amour. Roger Muraro, piano, Valérie Hartmann-Claverie, ondes Martenot, Thibault Lepri, célesta.

In einer Zeit, da der Zugriff des Faschismus im schwarzen Mantel der Religionen geschieht, hüben wie drüben, bei Al-Baghdadi gleichwie bei Rus-Putin, ist religiöse Musik nur schlecht zu goutieren: sie kommt wie ein Hohn daher und unverhofft komplizenhaft. So schlecht hatte ich auf die parfümierte Hysterie Messiaens kaum jemals reagiert – und die Musik seines Getreuen Florentz wirkt in diesem globalen Umfeld der Katastrophe trotz ihrer Eigenständigkeit nicht anders. In der Tat ist es die Musik, die das Desaster bereinigt, aber keine religiöse.

Zusatz: Daraufhin in einem der sofortigen Schlafträume eine institutionelle Kritik an dem, was ich schreibe, die radikaler und vernichtender nicht sein könnte (in einem Szenario immerhin noch vor der Internetzeit…) – mit den übelsten Empfindungen beim Aufwachen. Soll ich ihn relativieren und auf die Anmassung beziehen, für einmal etwas gegen Messiaen gesagt zu haben, oder soll ich den Traum beim Wort nehmen? Eine schwere Sache! Der Kampf ist die verwerflichste Kategorie der (praktischen) Philosophie, und es muss ihr, in welcher das Feindliche immerhin sich noch ideologisch vorstellen liesse, begrifflich bis ins Äusserste widerstanden werden. Aber der Faschismus kämpft nicht. Er entfesselt den blinden Terror, wo ihm auch das individuelle Selbstvertrauen, in dem das Denken zu verankern wäre, zum Opfer wird.

Pawel Lukaszewski: Resurrectio

Mittwoch, 23. April 2014

Soeben ein langer Traum, in dem ich einer Frau nachgehe; am Schluss spielt sie in einer Kirche in einem Orchester die Orgel oder ein elektrisches Klavier, gegenaufklärerische Musik von heute, etwa in der Art, wie man es erwartet. Ich habe einen Platz kaum einen Meter von der Frau entfernt, sie dreht ihren Kopf ein wenig zur Seite und nach hinten, entdeckt mich. Trotz der Dunkelheit mit dem einzigen kleinen Licht auf ihren Noten sehe ich, wie sie rot wird. Ich sage ihr, in einer stillen Passage, sie sei schön, wie sie hier am Spielen sei. Ihr roter Kopf gibt allerdings auch zu verstehen, es sei ihr klar, dass ich die Musik selbst unmöglich gut finden würde – und sie sei wohl oder übel eine Agentin des Schlechten.

Gestern Abend live auf WDR 3 Aufnahme aus der Kirche St. Pantaleon, Köln vom 1. April 2013.

Resurrectio, Oster-Oratorium für Mezzosopran, Tenor, Bariton, Chor, Orgel und Orchester von Pawel Lukaszewski. Susanna Martin, Mezzosopran; Manuel König, Tenor; Thilo Dahlmann, Bariton; figuralchor köln; Michael Krebs, Orgel; Neues Rheinisches Kammerorchester, Leitung: Richard Mailänder.

Ich hatte nicht vor, dieses Konzert zu kommentieren. Aber wenn es so weit in die Traumwelt hinein Wirkung zeigt…

Hauseinsturz

Dienstag, 14. Mai 2013

Bin in einem Haus gleich dem, wo ich die ersten elf Jahre in Bern verbrachte, zuoberst, aber nicht in der winzigen, verwinkelten Wohnung, sondern in einer Kneippe. Es hat nur wenige Gäste, und die Stimmung ist anödend. Ich verlasse den Ort, trete ins Treppenhaus, und in dem Moment wanken die Wände: ein veritables Erdbeben! Ich bin vollkommen gefasst, schaue zu, wie das Dach, die Holzbalken und die Wände wie in einem Kartenhaus auf mich einstürzen. Im Moment, wo ich zusammengedrückt werden sollte, wache ich angstfrei auf.

Zusatz: Der Traum braucht nicht zu verwundern, da ich abends a) der Idee nachhing, dass man den Werken vieler junger KomponistInnen anmerkt, dass sie aus Gründen falscher Verwöhnung keine innere Dringlichkeit mehr aufweisen und zum blöden Luxusobjekt verfallen wie ganz anders noch die Zweite Klaviersonate von Boulez, die ich in der Wohnung des Traums zum ersten Mal hörte, als ich am Staubsaugen war, dieses Tun abstellte und während zwanzig Minuten den Kiefer beinahe aufs Knie klappen liess und b) beim Einschlafen mich mit der alten Idee quälte, dass die Sprache als Haus des Seins in ihren diskursiven Qualitäten derart ramponiert dasteht, dass kein Umgang mit ihr Kommunikation noch gewährt und sie Stück für Stück in Weisen der Projizierung transformiert werden muss, wie Bilder von Panoramen oder in Winkelmassen grösser als dem menschlichen Blick gewohnt, also aus höheren, nämlich gedachten Dimensionen auf eine zweidimensionale Fläche projiziert werden müssen.