Archiv für den Monat April, 2013

Früchte der Selbständigkeit 3

Freitag, 26. April 2013

Soeben einen Rucksack für eine Schulter ohne Tragfähigkeit links neu designed und professionell zusammenbauen lassen. Der Prototyp bestand aus einer Mehrzahl von Materialien, die aber so zusammengesetzt waren, dass sich so schon der Rucksack tragen liess und angefragte Personen schnell verstehen konnten, um was für ein Problem es sich handelt.

Das Sportgeschäft schickte mich in den Loeb, Abteilung Gepäck, diese in den fünften Stock zur „Mercerie“, wo ich mich beim Tisch für Reparaturen in die Reihe stellte. Die Näherin hat sofort verstanden und mir alle Materialien aus diversen Schubladen hervorgeholt, zurechtgeschnitten und am Rucksack bereits durch die zwei vorhandenen Durchgänge hindurchgezogen und mit den Feststücken und dem Klickverschluss ausgestattet. An vier Stellen gäbe es zu nähen: das würde der Schuhmacher des Hauses Mister Mint erledigen. In der Tat hat das Nähen nur knapp eine halbe Stunde gedauert. Der Rucksack hat nun einen einzigen Tragriemen rechts und den Zusatz eines verstellbaren Riemens vom Rucksackteil unten links zum obersten Teil des Riemens rechts, mit einem Verlauf ein gutes Stück oberhalb von Milz, Pankreas und Galle, die bekanntlich keine Druckstellen ertragen würden. Materialkosten bei der Stoffnäherin 4.60, beim Schuhmacher 15 Franken. Merci bestens!

Grisey, Pauset, Boulez, Manoury

Montag, 22. April 2013

Soeben live auf France Musique aus der Cité de la Musique vom 16 février 2013: Hae Sun Kang, Violon, Christina Daletska, Mezzo soprano, Ensemble Intercontemporain, Alejo Pérez, Direction.

Gérard Grisey, Modulations pour 33 musiciens (1978) .

Brice Pauset, Vita Nova, Sérénades(2006).

Pierre Boulez, Dérive 1 pour 6 instruments (1984).

Philippe Manoury & Friedrich Nietzsche, Auteur, Gesänge-Gedanken mit Friedrich Nietzsche (2009), Création française.

Ein ideales Konzert mit vier funkelnden Glanzstücken. (Nebenbei: Boulez hat kaum etwas mit Mussorgsky gemein, ausser einer eigentümlichen Bevorzugung der Klarinette, die ausserhalb einer solistischen Aufgabe wie ein musikalischer Joker agitiert.)

Neue Musik im Wallis

Sonntag, 21. April 2013

Soeben eine interessante Website entdeckt:
http://forumvalais.ch/Wordpress/

Endlich hat man auch im Bereich der Musik kapiert, was eine gute Website ist. Die Homepage enthält nur die vier Links MUSIKER, KÜNSTLER, KOMPONISTEN, PROGRAMM, wo man alles findet, das im Umkreis des Festivals für Neue Musik 17. – 20. Mai 2013 im Schloss Leuk zur Aufführung kommt. Als ob man endlich verstopfte Schleusen geöffnet hätte, wird man mit einem Haufen von Namen konfrontiert, die man in den Walliser Krächen nicht zu erwarten wagte. Auch wenn nicht von allen präsentierten KomponistInnen grossformatige Werke und nicht alle aufgelisteten Werke am Festival selbst, sondern an zusätzlichen Orten und Daten aufgeführt werden, dünkt die Idee beeindruckend, von allen während eines Jahres Musik zu hören, die sie selbst wichtig finden, zu supplementieren von kleinen Texten, in denen sie ihre ästhetischen Positionen gegenüber älteren verteidigen. – Man kann es sich wenigstens denken jetzt, dass auf Walliser Boden die Musik gut am Gedeihen ist.

Saariaho und Sibelius

Freitag, 19. April 2013

Soeben direkt live auf France Musique aus der Cité de la Musique in Paris Anu Komsi, Soprano, Orchestre Philharmonique de Radio France, Santtu-Matias Rouvali, Direction.

Kaija Saariaho, Astéroid (2005), Création Française. – In leicht täppischer Schieflage, jedenfalls unterhalb der Qualitätsstandards der Komponistin.

Kaija Saariaho, Laterna magica (2008), Création Française. – Auch dieses Stück wieder im minderen Charakter der Filmmusik, der auch dann nicht nötig ist, wenn ein Stück in einem Bezug zu Ingmar Bergman steht. Die hübschen kleinen Formmomente bilden keinen Zusammenhang, dem das Ohr nachzuspüren hätte – einzelne sind schamlos tonal und im 4/4-Takt.

Jean Sibelius, Luonnotar op.70 (1913). – Vielleicht etwas rührselig, um nichts weniger wohltuend, wenn man in Stimmung ist.

Kaija Saariaho, Leino Songs (2007), Création Française. – Eigenartig, wie man Musik vergessen kann, bevor sie verklungen ist.

Jean Sibelius, Symphonie N°7 en ut majeur Op.105 (1924). – Ein ungezogenes Kind, das alle Erwartungen in es verspielt hat – das spannendste Stück des Abends.

Sibelius, Concerto pour violon et orchestre

Donnerstag, 18. April 2013

Soeben live direkt auf France Musique aus dem Théâtre du Châtelet: Jean Sibelius Concerto pour violon et orchestre, Alina Pogostkina, Violon, Orchestre National de France, David Zinman, Direction.

Diese furiose Interpretation darf man wohl mit Fug eine kleine Sensation nennen.

Hodler heute

Donnerstag, 18. April 2013

Wenn man von Muntelier-Löwenberg durch den Wald des Chablais am Ostende des Murtensees spaziert, gelangt man am Waldrand kurz vor Sugiez in eine Gebäudeansammlung des Zivilschutzes, wo einzelne Häuser darunter mit dem Logo der Waldwirtschaft Schweiz versehen sind. Noch innerhalb des Waldes traf ich auf einige Troupeaus grell rot und orange gekleideter Männer, vor denen ein andersfarbiger Mensch Instruktionen von sich gab. War ich gestern noch unsicher in der Frage, ob es sich um Zivilschützer oder Waldarbeiter handelt, hörte ich heute schon von weitem dumpfe und schwere Schläge, die klarstellten, dass Baumfäller an der Arbeit sind. Und in der Tat war bei der Gruppe an meinem Wegrand einer gerade daran, wie in Hodlers Bild mit einer Riesenaxt nach rechts oben aufzuziehen, um in präziser Beinstellung das Waffenwerkzeug links unten im Baum, der indes durch Bretter mit Polstern geschützt blieb, aufschlagen zu lassen. Doch der Fäller durfte keineswegs seiner Willenskraft freien Lauf lassen: vor im stand eine Frau, die ihm geduldig die Beine zurechtstellte, damit sein Körper keinen Schaden zu nehmen braucht – keine Walküre mit dem Ansinnen, dass der Andere ihre Leistung nachzumachen hätte, sondern eine zierliche Maîtresse d’école, die sich in den Wegen der Abstraktion zurechtfindet und darauf vertrauen kann, dass der Kräftige ihre Anweisungen versteht.

 

 

Adam de la Halle: Le jeu de Robin et Marion

Dienstag, 16. April 2013

Soeben live auf Ö1 Adam de la Halle, Le jeu de Robin et Marion (UA 1284), Ensemble Micrologus, aufgenommen am 17. Dezember 2012 in der Holmens Kirke in Kopenhagen.

Erstaunlich, wie fulminant (und lustig…) die uralten Werke heute daherkommen, so dürftig die Aufzeichnungstechniken und so gefährdet die Überlieferung auch gewesen waren.

Philip Glass, Spuren der Verirrten

Freitag, 12. April 2013

Soeben direkt live auf Ö1 Philip Glass: „Spuren der Verirrten“, Oper in drei Akten, Libretto nach dem gleichnamigen Stück von Peter Handke eingerichtet von Rainer Mennicken, Uraufführung anlässlich der Eröffnung des Musiktheaters Linz.

Wie immer bei Glass unerträglich infantil, keine Übergänge nirgends, keine Vermittlung, ika ika bäh bäh. Keine Ahnung, warum man solcher musikalischer Verwirrung gut gewogen sein sollte.

Luca Francesconi, Quartett

Montag, 8. April 2013

Soeben live auf France Musique aus der Cité de la Musique vom 19. März 2013: Luca Francesconi, Quartett, Livret de Luca Francesconi d’après Heiner Müller.

Allison Cook, Mezzo-soprano, La marquise de Merteuil, Robin Adams, Baryton, Le vicomte de Valmont, Serge Lemouton, Réalisateur sonore, Julien Aléonard, Réalisateur sonore, Ensemble Intercontemporain, Susanna Malkki, Direction.

Musikalisch abwechslungsreiche und farbige Bühnenshow, vielleicht eine etwas vornehm geratene Rockoper. Man schämt sich wie beim Fernsehschauen ob des passiven Voyerismus, geniesst aber ungetrübt das von Berio geerbte Können.

Früchte der Selbständigkeit 2

Donnerstag, 4. April 2013

Soeben auf dem Berner Märit einen Rucksack gekauft, der nur einen Träger montiert hat, damit die zweite Schulter unbelastet bleibt. Mit dieser Ausrüstung kann ich nächsten Sonntag, da die Prognose für die Route Rothenburg-Adligen-Untere Halten Regen und Schnee verspricht, das tschechische Zweikilobuch über Land transportieren, auch wenn ein Regenschirm benötigt wird.

Der Monorucksack stammt von X-Over und ist, wie könnte es anders sein, so gebaut, dass der Riemen über die linke Schulter läuft. Grrrrrr, im Marktgetümmel unterdrückte ich alle Sturmsignale, ebenso auf der Rückfahrt im Tram, wo es mich dumpf dünkte, der Tragekomfort sei nicht optimal. Allerdings gibt es einen dünneren zweiten Riemen, und experimentiert man mit demselben, läuft der breite Riemen senkrecht über die rechte Schulter und der kleine von unten vorne links bis zur Laufmitte des anderen, wo ein montiertes X-Stück eine Schlaufenbindung mit Klettverschluss zulässt. Die Website von X-Over zeigt viele Tragevarianten – diese meine eigene indes nicht.

Früchte der Selbständigkeit

Mittwoch, 3. April 2013

Nach der gestrigen ordentlichen medizinischen Freigabe des linken Armes hin auf ein allmähliches Training der Kräfte, das später auch ein Rucksacktragen als nicht mehr unmöglich erscheinen lässt, habe ich eben gerade seit langem wieder die Wohnung selbständig mit Staubsauger und Bodenputzlumpen zum Glänzen gebracht, nicht so tadellos wie die letzten Wochen vom Spitexpersonal und also noch nicht mit dem Touch einer Wohnungsrenovation – aber immerhin: es geht.

Dann wagte ich mich zum ersten Mal im Leben in einen veritablen T-Shirt-Shop und fand auf Anhieb die Lösung eines der letzten Schulterprobleme, ein Liebli ohne Spaghettiträger, der sich in der Remaye, der Gletscherrandspalte zwischen der neuen Beckenkammschulter und dem Schlüsselbeinreststück unangenehm zu schaffen machte. Mode scheint etwas Teures zu sein, auch mit 50% Rabatt. Aber auch etwas Nützliches.

D’une merde au merci

Dienstag, 2. April 2013

2011: Das schöne Wetter wird genutzt, und es wird bis am 26. November in alle Krächen hinein und auf alle Grate hinauf mit schwerstem Gepäck fotografiert. Die Ernte ist superb, das Befinden des Wanderarbeiters ebenso.

10. März 2012, Säntis: trotz des geringen Umfangs an Laufmetern, um so mehr wegen der dicken Kleiderverpackung gegen die Kälte nicht unerwartete Schmerzen in der linken Schulter – die aber ungewohnt lange andauern, genau so auch nach den folgenden Fototerminen, selbst solchen in der eigenen Wohnung ohne Rucksacktragen.

23. August 2012: e-Mail-Anfrage an die Insel mit aktuellen Fotos und Symptombeschreibungen sowie den nötigsten Hinweisen auf meine Inselgeschichte der letzten zehn Jahre.

11. September 2012: zwei Röntgen, die ein Wachstum im Vergleich mit 2007 zeigen, aber keine Auskunft über die Art oder Qualität der Mutation erlauben. Die Situation wird träf und titelgebend definiert.

25. September 2012: Szintigraphie-Untersuchung.

9. Oktober 2012: CT-Untersuchung.

9. November 2012: Biopsie.

7. Dezember 2012: Vorbesprechung mit Aufklärungsprotokoll.

11. Januar 2013: OP.

18. Januar 2013: mit Betax nach Gunten Schönberg.

9. Februar 2013: mit Betax nach Bümpliz.

5. März 2013: zu früh gefreut.

2. April 2013: medizinisch verordnetes Ende der Tragezeit des bauchumfassenden Körbligipses. UNAUSSPRECHLICHES DANKESCHOEN an zwei grosse Chefs und die diversen Teams, nicht zu vergessen das Servicepersonal bei den alltäglichen Guntener Tafelrunden. – Schon vor drei Wochen hat der Bauch mit dem Versuch begonnen, seine frühere innere Organisation wieder herzustellen, mit listigem Kneifen wird er am Schmerzen gehindert.

(Onmouseover Status quo ante, 30. 11. 2012)

Prinzessinnengewänder

Montag, 1. April 2013

Ich bin in einem alten Haus, alles sehr alt aber vornehm, mit meinen Sachen, also vielleicht in der eigenen Wohnung, vielleicht sonstwo. Ich nosche herum und gehe früh zu Bett, in alte Leintücher mit dicker weisser Bettdecke. Direkt ein Meter ob meinem Kopf ein Zierholz, das aus der Wand kommt; es bewegt sich, als ob es im Wind stünde. Dann sehe ich, wie eine Maus im Holzwinkel in einem Spinnennetz am Fressen ist. Das ist ärgerlich, denn ich muss aktiv werden, wenn ich nicht mit Mausescheisse eingedeckt werden will. In dem Moment geht am Bettende die Zimmertür auf, und eine weisse Frau mit schwarzen Haaren bringt hurtig, mit erstauntem Blick darüber, dass ich schon schlafen gegangen bin, ein Postpaket herein, ziemlich gross und weich. Sie packt es aus: schöne Stoffe in den mittelalterlichen Farben Gold, Rot und Blau. Sie wirft sie um sich und wird zur echten Prinzessin, ich die Augen weit offen. Dann wirft sie nochmals solche Tücher in die Luft, und eine zweite, deutlich jüngere und verspieltere erscheint, auch in diesen schönen Tüchern. Sie hat eine Aufgabe und kommt an mein Bettende, wo sie wiederum die Tücher, offenbar immer wieder neu aus dem Paket gezogene, in die Luft wirft, laut losgiggelt und sich in ihnen selbst fesselt. Doch dann bemüht sie sich um Ernst und will ihre Aufgabe erledigen, mich mit den Tüchern einzupacken. Siehe da, es gelingt ihr, ich werde von oben mit den Stoffen eingefangen und bin gespannt, was passiert, und wache als Tor auf.

Santiago de Chile

Montag, 1. April 2013

Gestern Abend auf SRF2 Sendung über Violetta Parra, dabei über die negative Vorwegnahme in der Poesie nachgedacht und ob ihr wirklich immer zu trauen und zu vertrauen sei. – Soeben ein langer Traum, in dem ich, das Spanische hundertprozentig nichtsprechend, ohne Vorbereitung von Phrasen auf Zetteln nach Santiago reise, um jemanden zu finden. An einer Bahnhofstation, die später zu einer Bergbahnstation mutiert, sehe ich einen, der sich wie der Chef einer Gruppe benimmt, vielleicht einer Gruppe von Chauffeuren oder Kondukteuren, und der der Gesuchte sein könnte, durch Zeichen gelingt es endlich, in der riesigen Menschenmenge mit ihm in Kontakt zu gelangen, wo er mich des Langen und Breiten verhöhnt, weil ich kein Wort der Sprache spreche und ihm nichts zu zeigen hätte, nach dem er sich richten könnte. Trotzdem scheint er zu bestätigen, der Gesuchte zu sein, und ich frage ihn nach Cäcilia W. und Anita W., nicht im Traum aber in Wirklichkeit seine Schwestern, worauf er wieder in Hohn und Spott verfällt und mir tausend Frauennamen aufzählen will, und alle würde er sie kennen und ich keine. Ich solle brav nach Hause gehen, sehe auf der Bahnhofsuhr, dass ich die weite Reise mit dem Ergebnis von weniger als 20 Minuten Aufenthalt gemacht habe, zeige auf umständliche Weise, so dass alle unnützen Utensilien aus den Hosensäcken fallen, mein Billet, darf, wie realiter 2008 auf der Dent du Midi, alle Wartenden überholen, in die Bahn steigen und beschämt die Rückreise antreten.