Archiv für den Monat Mai, 2019

Naturlaut als Ware

Dienstag, 28. Mai 2019

Man zeigt Eifer auf der Jagd gegen Copyrightverstösse bei Google und YouTube. Ich habe ein paare Videoversuche gemacht mit Vögeln, auch sehr früh am Morgen. Man hört fast nur die Zwitschermaschine der Natur, die anderen Lärminstanzen des Tages ruhen noch. Nichts am Ton wird in diesen Videos manipuliert, vielleicht mal eine Tonspur verdoppelt, eine rückwärts, eine langsamer, eine mit Echo gesetzt. Man glaubt es nicht, aber eines dieser Videos wird mit einem deutschen DJ in Verbindung gebracht. So wie es formuliert ist, hat nicht ein Algorhitmus ein Problem entdeckt, sondern ein Leibhaftiger Anzeige erstattet. Merde, wohin soll das führen? In jedem Winkel des Internets finde ich geklaute Materialien von mir, und einem Video mit reinen Naturlauten wird der Vorwurf erhoben, das Copyright eines kommerziellen „Kunstwerks“ verletzt zu haben. Tschiiissses!

Agata Zubel, Aphorisms on Milosz

Mittwoch, 22. Mai 2019

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 15 janvier 2019 à l’Auditorium Marcel Landowski du Conservatoire à Rayonnement Régional de Paris. Agata Zubel, soprano, Ensemble 2e2m, Pierre Roullier, direction.

Agata Zubel (née en 1978), Aphorisms on Milosz, pour soprano et ensemble (2011). – Endlich wieder einmal eine Musik, die einem wie in alten Zeiten nahelegt, es gebe immer noch Neues aufzuspüren.

Für die Bilder, gegen den Film

Samstag, 4. Mai 2019

Der allgegenwärtige Dunst durch die Feuchtigkeit in der Luft zwingt dazu, einen Ausweg aus dem Fotografieren zu suchen. GoPro ist eine gute Lösung: der hurtige Spaziergang verlangt keine detaillierte Landschaft. Beim Erproben kam ich auch auf den Geschmack, die Videomöglichkeiten der Olympus Kamera zu nutzen. Schliesslich nahm ich auch Videos aus dem Archiv hervor, die vor zwanzig Jahren hergestellt wurden. Nach einer gewissen Euphorie machte sich indes schnell eine Katerstimmung breit. Die Domäne des Films wird zu einem Platz, der Unwohlsein hervorruft. Natürlich sind meine eigenen Videos dilettantisch und schlecht. Aber die Wahrnehmung stützt sich auf die konsumierten Filme allgemein, die Masse der Videos auf Facebook, die Unmengen an klassischen Kinofilmen, die ich auf Youtube zu gaffen nachholte. Die Einsicht nun scheint mir eindeutig. Das Bild kommt nicht mit einem Versprechen auf einen los, sondern sagt als erstes distanziert: ich bin etwas Anderes. Willst du etwas in mir sehen, musst du dich anstrengen. In der Anstrengung, die dem Oberflächenreiz nachspürt und seinen Rand, das Allgemeine, sehnsüchtig beäugt, ist nicht nur Genuss, sondern entschlüsselt und öffnet auch sich erst das Bild. Umgekehrt die bewegte Bilderreihe, das Video, der Film. Der Film biedert sich an und sagt einem ständig, wie lebendig das Gezeigte ist. Er lässt einen kaum frei aus seinem Konkretismus und wird schnell persönlich, auf die aufdringliche Weise. Und er flüstert einem vom Lebendigen auch dann, wenn er Tote porträtiert. Mit ihm wird die Erinnerung schlecht, die das Allgemeine nötig hat. In ihm wird es mir schlecht. Der Film macht das Gezeigte schlecht. Man muss Filme machen wie Bilder, wenn man die Bilder über die Dunstkrise hinweg retten will.