In den zwei längeren Gesprächen mit Handke, die übers Wochenende in der Zeit und in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen waren, lässt sich seine Haltung besser nachvollziehen als im Vergleich seiner Prosawerke mit den abwegigen politisch eingreifenden Texten zu Milosevics Serbien. Die Gespräche zeigen einen Dichter, der sich vehement gegen die philosophische Idee der Geschichte stemmt, weil die entscheidenden Schwierigkeiten für jedes individuelle Leben dieselben geblieben seien von alters her bis heute. Möglicherweise braucht jede Poesie einen solchen provokativen Stoss, um ihre Kraft entfalten zu können. Als Moment einer ästhetischen Theorie führt eine solche Apostrophe aber in einen Zusammenhang, der mehr an Gehalt und Bedeutung enthält als eine instrumentelle Provokation im Zug der künstlerischen Produktion. Das intime Mittel der Poesie wird zur moralischen Norm: es soll falsch sein, Gesellschaften gemäss den Momenten der Freiheit und der Unterdrückung zu beschreiben und zu kritisieren, und es soll falsch sein, die Beziehungen zwischen den Gesellschaften zu kritisieren, die einem Teil der einen Vorteile, den anderen nur Abhängigkeit und Regression verschaffen. Eine solche geschichtsfeindliche Haltung darf nicht unwidersprochen das poetische Ideal weisswaschen, das alles politische Tagesgeschehen ausklammert wie es sich genuin von allem Warenästhetischen zu distanzieren versucht. Die neoheidnische Ignoranz gegenüber den geschichtlichen Momenten steht ungeschützt im Dienst der herrschenden Machtverhältnisse, nicht nur derer Serbiens vor kurzer dunkler Zeit. Im Dienst des Lebens, das der Dichter in der Sprache beschwört, steht diese Dichtung, wie sie von Handke in den Interviews gerechtfertigt wurde, nicht.
Die unausgesprochenen Widersprüche sind das Metier der Kunst, das Mass an Irrationalität, das ihrer Produktion zu Grunde liegt und das sie verkraftet. Werden sie ausgesprochen und in der Produktion so reflektiert, dass sie das Werk rechtfertigen, unterstehen sie den Gesetzen der allgemeinen diskursiven Reflexion. Wenn Handke dem Makel in seinen antihegelischen Aussagen, der die Herrschaften weltweit ins Recht zu setzen droht, begegnen will, darf er nicht in die reine poetische Produktion abtauchen, sondern muss diese Reflexion, die so viel Normatives enthält, auf dem Niveau der Gespräche weitertreiben.