Archiv für den Monat Februar, 2015

Dusapin, Aufgang

Freitag, 20. Februar 2015

Soeben live auf France Musique vom 26 janvier 2015 à Paris.

Pascal Dusapin, Aufgang, Concerto pour violon et orchestre (création française), Renaud Capuçon, violon, Orchestre Philharmonique de Radio France, Myung-Whun Chung, direction.

Vor einem Jahr die Aufführung in Genf gehört, jetzt die französische Erstaufführung: klar, das ist immer noch eine schöne Musik, aber sooo wattig tonal, dass von einem Kunstanspruch nur noch schwer zu sprechen wäre.

Spahlinger, … eine Welle … anhalten … (1987)

Mittwoch, 18. Februar 2015

Gestern Abend auf SWR2 live von der Uraufführung 1987 (vielleicht auch von der CD):

Mathias Spahlinger, „in dem ganzen ocean von empfindungen eine welle absondern, sie anhalten“ für 3 Chorgruppen und Playback, SWR Vokalensemble Stuttgart, Leitung Klaus Martin Ziegler.

Die Entwicklung der Technologien erlaubt es den Medien, alles von allen Orten jedem einzelnen zuzutragen. Jeder weiss, was los ist, wie es zu benennen wäre und wie man sich als vernünftiger Mensch diesem Ganzen gegenüber zu verhalten hätte. Ebenso ist klar, dass die Kunst keine neuen, zusätzlichen Gehalte in ihre Rede aufnehmen kann, wenn man sie nicht als etwas Irrationales missverstehen wollte. Wie aber hat Kunst zu erscheinen, wenn sie diese historischen Gegebenheiten ungetrübt im Blick halten und sich nicht quasi daneben einem anderen, abstrakteren Strom der Zeit überlassen will?

Das war Spahlingers Fragestellung in den 1980er Jahren, im Titel in die alte Herdersche sprachphilosophische Einsicht mit dem Bild transformiert, dass die gelingende Reflexion nicht bloss den einzelnen Empfindungen und Empfindungsströmen folgt, sondern in derem ozeanischen, also riesigen Gesamtzusammenhang einzelne aktiv zu gewichten imstande ist – durch äusserste Aufmerksamkeit und äusserste Anstrengung. Was jeder weiss und keiner zur Kenntnis nimmt, ist der diskursive Gehalt des Stückes, der Hunger und die Armut in der Welt, derselbst gleichwie alle Momente des musikalischen Werks in ihrer Einzelheit reflektiert und den Aufführenden als Partiturmaterialien präsentiert wird. Das führte in der Realisation zu enormen, indes wie angetönt keineswegs unerwarteten, ungeplanten Schwierigkeiten.

Einer der profiliertesten Chöre sah sich mit Problemen konfrontiert, die über einen langen, mehrwöchigen Zeitraum hinweg das Projekt regelrecht scheitern zu lassen drohten, weil in der Disparatheit und Kleinteiligkeit der Gesangs- und supplementär geforderten Bewegungsmaterialien eine einheitliche ästhetische Idee sich nicht zeigen wollte, und den Playbackwünschen genügten die vorsintflutlichen Computereinrichtungen desjenigen Studios, das zu Zeiten der analogen Aufnahme- und Bearbeitungstechniken am weitesten fortgeschritten war, mit den heute unvorstellbar winzigen Speichern und unausgegorenen Programmen nicht im geringsten. Trotzdem ist das Werk vollendet worden und mit Erfolg beim Publikum zur Aufführung gekommen.

Das Stück dauert ungefähr 20 Minuten und wurde in der gestrigen Radiosendung nach einer halbstündigen Zusammenstellung von Diskussionsausschnitten und Berichten von den Beteiligen aus dem Chor und der „computergesteuerten“ Tonbandproduktion ausgestrahlt. Die Pointe des Stückes beim Hören fast dreissig Jahre nach der Uraufführung ist, dass es musikalisch als so gehaltsreich und schön empfunden wird wie andere aus der Zeit, die avanciert waren und auch dann Neues schaffen wollten, wenn sie nicht in direktem Mass Politisches ins Visier genommen hatten. Die Kunst muss nicht notwendigerweise politisch sein, da wir von der Schuld unserer politischen Ökonomien am Hunger in der Welt auch ohne Gang ins Konzert wissen, aber die Aktivierung des politischen Sensoriums unterstützt die nötige Aufmerksamkeit gegenüber ihren Materialien, deren ästhetische Darstellung das periphere Wissen vom empirischen Detail zu einem notwendigen allgemeinen – zu einem gesellschaftlichen transformieren lässt. Wenn die Medien aufhören, den Kopf in den Sand zu stecken und endlich von neuem beginnen, die Schönheiten der Musik in die Welt zu tragen, steht der Glaube nicht mehr auf verlorenem Posten, dass die Kunst nicht nur Schönes herstellt, sondern auch Bewusstsein schafft, das gesellschaftlich zu wirken imstande ist.

Coop betrügt

Dienstag, 17. Februar 2015

Jede Woche mindestens einmal ein Einkaufsrisiko beim Coop: die Produkte oder ihre Regale sind mit Aktionen beschriftet, die Kasse aber verlangt den regulären Betrag wie vor oder nach der Aktion. Heute war es die Schokolade, vor vier Tagen Fisch 20%, mehrmals schon die Nüsse, der Salat, die Saucen etc. – Bei der Migros ist der Systemfehler bei den gescannten Kassenpreisen natürlich derselbe.

Xenakis, Rihm

Donnerstag, 12. Februar 2015

Soeben live auf Bayern 4 Peter Sadlo & Friends am 16. Januar 2015 in Erlangen im Rahmen der Reihe „unerHÖRT!“.

Iannis Xenakis, Pléïades.

Wolfgang Rihm, Tutuguri VI.

Zwei kompositorische Fleissarbeiten, schön zum Zuhören in der warmen Stube, in einigen Passagen etwas ins Niedliche gealtert, so dass man in ein verlegenes Lächeln kommt. Wir Greise brauchen zuweilen stärkere Mittel. Die Zwitschermaschine der Meisen im Könizberg- und im Gurtenwald mit vereisten Böden heute hatte das Trommelfell meiner Ohren mehr gekitzelt.

Pelzel, Manoury, Dusapin, Steen-Andersen

Mittwoch, 11. Februar 2015

Soeben live auf Deutschlandradio Kultur vom 21. 1. 2015 Ultraschall Berlin – Festival für neue Musik, Haus des Rundfunks Berlin, Großer Sendesaal: GrauSchumacher Piano Duo, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Leitung: Franck Ollu.

Michael Pelzel, „… chatoiements à l’air…“ für Kammerorchester (2012/13), Uraufführung des Gesamtwerks. – Die Dramaturgie ist gut organisiert, gerät in veritablen Kadenzen aber öfters zu nah an den Abgrund der Tonalität.

Philippe Manoury, „Zones de turbulences“ für zwei Klaviere und Orchester (2013). – Viel Aufregung in einer Viertelstunde, leicht überschärft.

Pascal Dusapin, „Reverso Solo No 6“ für Orchester (2005/06). – Trotz der Ruhe und der harmonischen Zurückhaltung das avancierteste und beste Stück des Abends.

Simon Steen-Andersen, „double-up“ für Orchester (2010). – Eine Kinderei. Zu blöd zum Buuhen, die Berliner.

Martin Matalon, La Carta (Uraufführung)

Montag, 9. Februar 2015

Soeben direkt live auf France Musique Festival Présences 2015 #3, programme latino-américain par l’Ensemble Accroche-Note: Martin Matalon (né en 1958), La carta pour soprano, clarinette, accordéon / bandonéon, percussions et dispositif électronique – commande de Radio France, création mondiale, Ensemble Accroche-Note, Françoise Kubler, soprano, Armand Angster, clarinette, Anthony Millet, accordéon, Emmanuel Séjourné, percussions, Philippe Dao, électronique (GRM).

Ein packendes und beeindruckendes Werk, dem ich bis zur letzten Note mit offenem Kiefer folgte.

Vorher ein langer Traum, in dem ich vor dem Aufwachen ausserhalb des Publikums auf der Konzertbühne so dicht an wie quasi unter einem weissen riesigen Klavier mehr klebte als sass, ganz am am Schluss neben mir, in mein Notenblatt oder Programmheft schielend, eine langhaarige argentinische Blondine mit bronzener Haut in Hot Pants stehend.

Leoš Janácek, Modest Mussorgski

Sonntag, 8. Februar 2015

Gestern Abend zwei Opern: live auf Bayern 4 vom 21. Juni 2014 in der Wiener Staatsoper Leoš Janácek, Das schlaue Füchslein, Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Leitung Franz Welser-Möst (Beginn 19 Uhr, nur kurzer Applaus zwischen den Akten, keine Pause), dann live auf Espace 2 vom 15 novembre 2014 à la Staatsoper de Vienne Modeste Moussorgsky, La Khovantchina, les Chœurs et Orchestre de la Staatsoper de Vienne, Direction Semyon Bychkov (Beginn 20 Uhr, nur die erste halbe Stunde fehlte – dieselbe Aufnahme hörte ich schon einmal 2014 am Radio).

Einmal mehr empfand ich Das schlaue Füchslein am Rand des Kitsches, vielleicht wegen der starken Kinderpräsenz. Früher schätzte ich dieses Werk höher ein, für eine ziemlich lange Zeit. – Umso besser gefällt mir heute Mussorgskis Chowanschtschina. Trotz des autoritären Herumbrüllens der Protagonisten erlaubt das Werk, den Bewusstseinsstrom langsam in die eigentümlich faschistoiden russischen Gewaltverhältnisse hinabgleiten zu lassen und ihm darin viel Raum zu geben. Mich dünkt, Mussorgsky hätte immer eindeutig und klar dagegen Stellung bezogen und seine Werke so konzipiert, dass die beklagten Verhältnisse einem zu denken geben sollten. Was aber ist es, das die heutigen russischen Künstlerinnen und Intellektuellen dazu verleitet, ihre Verhältnisse zu verklären, sowohl die gesellschaftlichen wie die politischen und ökonomischen? Nur ein Häufchen verlorener Einzelner wie die Pussy Riots wagt es, das Erbe Mussorgkis zu verteidigen.

Ferienparadies Bümpliz

Samstag, 7. Februar 2015

Während andernorts über den Winternebel gejammert wird, geniesst man in Bümpliz den romantischen Untergang der Sonne zwischen den Schlössern.

Kein Wunder, strandete im Schneefall mit Bise vorgestern auf dem Fenstersims die erste Starenfamilie, um ihre langen Frühlinsferien hier anzutreten.

Zusatz zwei Abende später: Bei einem normalen, trockenen und wolkenlosen Sonnenuntergang würde ich aus Rücksicht auf den Sensor nicht mehr direkt in die Sonne zu fotografieren wagen, weil ihre Kugel viel mehr Platz einnimmt und unendlich viel intensiver strahlt.

Zusatz 11. Februar: Ich konnte es doch nicht verkneifen, einen richtigen Sonnenuntergang abzulichten, mZuiko 12-40 mm, stark unterbelichtet mit Blende F 20:

Beide Bilder 12 mm vom selben Ort in dieselbe Richtung, jeweils in einem anderen Ausschnitt.

Vier Stunden Luigi Nono

Montag, 2. Februar 2015

Gestern Abend live auf SWR 2 drei Konzerte vom Holland Festival Amsterdam am 19. und 22. Juni 2014 mit SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, ensemble recherche, Experimentalstudio des SWR, Klangregie und künstlerische Koordination: André Richard, Schola Heidelberg, Cappella Amsterdam, Leitung: Ingo Metzmacher und Matilda Hofman.

Luigi Nono, „Prometeo“, Tragedia dell’ascolto.

Luigi Nono, „Caminantes … Ayacucho“.

Luigi Nono, „No hay caminos, hay que caminar … Andrej Tarkowski“.

Grandios!