Archive für 13. Juni 2012

Philippe Manoury, Yann Robin

Mittwoch, 13. Juni 2012

Soeben direkt live auf France Musique de la Cité de la musique, Paris: Hae-Sun Kang, Violon, Orchestre Philharmonique de Radio France, Jean Deroyer, Direction.

Philippe Manoury, Passacaille pour Tokyo. – Eine Musik wie alte Telefonkritzeleien in Serie gesetzt, insgesamt ein bisschen schläfrig und mit Répons händchenhaltend. Nach knapp 15 Minuten geschieht ein akustischer Wechsel, der einen glauben macht, vorher hätte es einen Aufnahme- oder Übertragungsfehler gegeben. Schade für das zwanzigminütige Stück.

Philippe Manoury, Synapses, concerto pour violon et orchestre, Création Française. – Auch in diesem Stück will die Musik nicht recht wach werden, sie geht nur gehemmt vorwärts, als ob sie in Kinderstiefelchen stecken würde und ständig nach Pfützen Ausschau hielte, Partien aus Répons auch hier, die das Stück wiederzubeleben vermöchten. Obzwar wenig anstrengend, ist das Zuhören dennoch genüsslich. Sehr gut hat mir die Coda gefallen, wie ein Troupeau junger Staren, der vom Fenstersims auffliegt, wo alle zusammen sich eine Woche lang vollfüttern liessen, mit kostbaren Pinienkernen und teuren Tiroler Kirschen, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

Yann Robin, Inferno, pour grand orchestre et électronique basé sur la Divine Comédie de Dante, Création mondiale. – Der Komponist behauptet noch wenige Minuten vor der Uraufführung, der Titel sei nur metaphorisch gemeint, man steigt aber mit der Musik nicht ungefährliche steile Schritte in Echtzeit hinab in eine Hölle, wo einem zum ersten Mal im Leben, und wohl auch zum letzten Mal, musikalisch das Fürchten gelehrt wird. Ein fast sechzigminütiger Hochgenuss wie einstens das Sonntagsschuleschwänzen im Regenmäntelchen.