Archive für 21. Februar 2011

Kiste der Moralgefühle

Montag, 21. Februar 2011

An einer äusserst dicht und sehr schnell befahrenen Strecke, in beide Richtungen nur kurz überschaubar, wie das im übrigen bei fast allen Zugstationen der Fall ist, verkneift es sich ein Hinkender mit Stock, kaum eine Spur älter als ich, die Unterführung zu benutzen, humpelt so weit ans Ende der Station, bis die Geleiseabschrankung in der Mitte kein Hindernis mehr darstellt. Er wird den Windzug im Nacken wohl noch verspüren, als der Intercity mit hundert Sachen und Vollhupe die Stelle passiert. Er kommt auf mich zu, ohne den Hauch eines Grinsens desjenigen, der einen Fehler abtut und ihn so trotzdem eingesteht, identisch in der Mine, wie ich ihn anstarre, Herausgespülter aus dem Malstrom, und geht zum Billetautomaten. Meine Empfindungen sind ein Gemisch aus Abscheu und Mitleid. War das soeben ein gescheiterter Versuch zum Selbstmord? Oder schien das Ganze nötig, weil mein und unser Zug schnell kommen wird und es zu stark geschmerzt hätte, sich die paar Meter abwärts und dann wieder aufwärts zu bewegen? Ist der Mensch mehr im Kopf behindert als körperlich und weiss gar nicht, was er eben tat? Würde eine Beschimpfung helfen – oder umgekehrt ein ernstes Zuhören? Die Pointe und mein Ärger nehmen erst Gestalt an, als der Regionalzug kommt – und der Typ keine Anstalten macht, einzusteigen. Wozu aber Stress machen, wenn der nächste Zug bequem in einer halben Stunde führe? – Jeder Selbstmord ist ein Rätsel der Existenz, und dumm ist, wer den verachtet, der in solcher Weise unverständlich handelt; wer aber damit spielt, sich aufspielt und im dunklen Handeln andere den Garaus lehrt, gehört zur Rede gestellt. Die Station ist ohne Personal in Betrieb, der Zeuge bleibt nicht weniger dumm als der Täter.

Die animierte Schnellskizze gibt nicht exakt wieder, was ich gesehen hatte, denn zuerst bemerkte ich auf dem Perron gegenüber den Hinkenden mit einer Krücke links und einem kleinen Plastiksack mit Inhalt rechts, dann schaute ich Richtung Basel, von wo allsbald der Intercity mit Vollhupe heranbrauste, was mich veranlasste, nach rechts Richtung Luzern zu schauen, wo der Hinkende sehr weit entfernt gerade daran war, bereits auf meiner Seite nun wieder hochzusteigen, als der Zug an ihm vorbeischoss, ohne weiterhin die Sirene zu betätigen.

Die SBB werden gut

Montag, 21. Februar 2011

Nach unzähligen Fahrten auf derselben Strecke heute vor dem Umsteigen in Bern zum allerersten Male in der Lautsprecherdurchsage gehört, dass es nebst denjenigen nach Interlaken, Thun, Brig oder Münchenbuchsee auch einen Anschlusszug nach Bümpliz gibt, 15.08 Gleis 12 A. Wie warm es einem doch ums Herz wird, nicht mehr so offensiv abgeschrieben dazustehen – man kümmert sich um unser Wohl … und um das der Gäste, die seit Jahren Schwierigkeiten haben, den Zug nach Bümpliz oder weiter nach Kerzers oder Neuenburg zu finden.