Traumzensur
Samstag, 26. Februar 2011Ich bin an einer Bar am Rande eines Anlasses, stehe in einer kleinen Schlange, vor mir jemand, der bedient wird und weg geht mit seinem Kaffee in einer Wegwerftasse. Dann bin ich an der Reihe, und links von mir steht unverhofft im weissen Hemd einer der grössten Schweinehunde der Schweiz – da es momentan so viele gibt, besteht keine Gefahr, dass seine Identität geleakt wird und ich gehenkt. Der Volksraser ist freundlich und nimmt seine ihm eigene joviale Aufdringlichkeit geringfügig aber spürbar zurück. Kein Problem, dass ich selbst und nicht er den nächsten Kaffee bekomme – auch wenn die Kaffeemaschine inzwischen kaputt gegangen ist. Die interne Traumzensur arbeitet so stark, dass ich den weiteren Verlauf vergessen habe. So spektakulär zu notieren, für mich, wie der Auftritt des Immernurschweizers in meiner Leibesnähe, wäre er nicht.
Zusatz: Ich benötigte fast 24 Stunden, um die Motivierung zu erkennen. In der Tat ist das Unbewusste zuweilen ein Witzbold, der mit derben Sprüchen das philosophische Bewusstsein vom hohen Ross zu werfen weiss. In Donna Quijota wurde eben erst versucht, dem Denken der Existenz Raum zu verschaffen, um es auf Gehalte zu lenken, die von der Kulturindustrie nicht in Beschlag genommen werden können (und hat Heidegger in lichten Momenten nicht behauptet, die Fundamentalontologie sei nicht metaphysisch und sei also das Einzige, das sich der Metaphysik zu entziehen vermöchte?) Solches Denken wird schnell hochtrabend, wenn es vom Leben tel quel und, natürlich, vom Tod spricht. Entscheidender ist aber, dass es auch eine alltagspraktische Seite hat, und zwar in der Form der Alltagspraxis überhaupt: das existentielle Denken ist nicht nur ein Denken, das jeder Mensch kann und von sich aus immer schon tut, sondern zeigt sich im Alltag unaufhörlich, denn es ist der Alltag des Einkaufens selbst, des Kochens, Essens, Spazierengehens, Sexträumens, Mädchen und Vögelchen Nachschauens, Wetterschwatzens etc. In diesem Bereich, der, und zur Sprache steht der Alltag, zur Gesellschaft gehört und sich von all ihren anderen wie der Politik, der Wissenschaft und der Kunst abhebt, sind alle gleich, gleichwie es ein Leichtes ist, unterwegs, in der Ferienferne oder rund ums Haus herum, sich mit Unbekannten bestens zu unterhalten und gar zu verstehen, die einem, wenn man über sie ins Bild gesetzt wird, ein Gräuel sind. Das sophistische und kleinliche Unbewusste holte im Traum einen alten Spruch aus der Trickkiste des Argumentierens hervor, nachdem es ein Monster instruierte, für einen Moment Federn zu lassen und, was mich am meistens ärgerte, ein klein wenig weniger den Widerling zu spielen: „Da hast du deinen existentiell neutralisierten Mitmenschteufel, gegen den man nicht mit Schwert und Lanze kämpfen soll!“