Holliger, Nono, Dallapiccola, Mochizuki, Billone
Montag, 3. Januar 2011France Musique, 17 novembre 2010 à l’Amphithéâtre de l’Opéra Bastille.
Heinz Holliger, Rosa Loui (2009), quatre chants pour chœur a capella en dix versions, sur des poèmes en dialecte bernois de Kurt Marti, SWR Vokalensemble Stuttgart. – Berner Dialekt, von Deutschen in Paris gesungen, dem Namen nach im Hinblick auf die Schlucht am Ostfuss des Eigers gedichtet, der Rosa Loui und also ohne Bezug auf einen rosaroten Louis, und in Bümpliz près Berne von einem Nichtberner gerne gehört.
Luigi Nono, Donde estas hermano? (1982) pour quatre voix de femme avec Johanna Zimmer et Eva-Maria Schappé sopranos, Sabine Czinczel et Ulrike Becker altos, Marcus Creed direction musicale. – So kurz und mit so eingeschränkten Mitteln gemacht, und doch gleichzeitig so nah bei der (politischen) Sache der Wirklichkeit und im Aufscheinen der besseren Möglichkeit.
Luigi Dallapiccola, Tempus destruendi, tempus aedificandi (1971) pour chœur a cappella, I. Ploratus, II. Exhortatio (sur des vers de Paulin d’Aquilée et de Dermatus), Barbara van den Boom soprano, Ulrike Becker alto, SWR Vokalensemble Stuttgart. – Leicht hübsch und gewöhnlich erscheinend, nach Nono aufgeführt, eher zu Berio passend.
Misato Mochizuki, I. Halai (2009/10), pour trois voix de femmes, II. Musubi (2009/10), pour chœur a cappella (création, commande du SWR Vokalensemble et du Festival d’Automne), Wakako Nakaso et Kirsten Drope sopranos, Maria van Eldik mezzo-soprano, Ute Wille alto, Alexander Yudenkov ténor, SWR Vokalensemble Stuttgart. – Frivole Repetitionen, Wiederholungen und Anspielungen im Kontext eines Religiösen & Weltmusikhaften. Näher bei Parsifal als bei Nono, eher fern des Witzes & Esprits von Holliger und Marti. Das Spiel mit der Wiederholung ist immer gefährlich, katastrophisch. Stockhausen redivivus?
Pierluigi Billone, Muri IIIb pour Federico de Leonardis (2010), pour quatuor à cordes (création française), Quatuor Arditti. – Dynamische Quartettklänge, auf Wiederholungen so aufsetzend, dass sie aus dem Gleichgewicht geraten. Obwohl keine Gerichtetheit auszumachen ist und kein grösserer Verlauf als Intention kenntlich wird, lässt man sich von der Spannung im Detail ins grosse Voran treiben. Musik wie hingekritzelt, passt gut in die Disco, jedenfalls in diese hier.
Am besten hat mir das Stück von Nono gefallen, weil es trotz seiner Bescheidenheit an das grosse Werk Prometeo-Tragedia dell’ascolto erinnerte und die ganze intensive Stimmung wieder zu erzeugen vermochte, dem Publikum eindeutig die zwei Stücke der Japanerin Misato Mochizuki. Holligers Stück hatte einen unnötig schweren Stand, weil es am Anfang plaziert seine Eigenheiten noch nicht gegen die der anderen Stücke deutlich machen konnte: zwischen Halai-Musubi und Muri IIIb, wo dem Namen nach der neunzigjährige Dichter wohnt, hätte auch Rosa Loui noch mehr gefunkelt.