Dialektisches Drumrum zum Plumps

8. Februar 2018 um 15:13 Uhr von ur

1970 erschien in den Akzenten 5 das Gedicht von Günter Kunert über Alexander Cumming, das ich zehn Jahre gewöhnlicherweise, weil abgeschrieben an der Wand angeheftet, jeden Tag vor Augen hatte: Cumming hatte das WC mit dem doppelt gekrümmten Abflussrohr zwar nicht erfunden, aber 1775 patentiert und dem modernen Abtritt so realiter den Zutritt zum gesellschaftlichen Alltag verschafft. Des Dichters Lob ist nicht frei von Resignation, denn er bezeichnet den „Erfinder“ als ein Beispiel der Geschichte, woran keiner eines sich nimmt; die reale Welt, wie sie ist und wie sie im Detail von einzelnen so geschaffen wurde, wird die Menschheit nie zu würdigen verstehen.

Zwanzig Jahre nach der Einführung des WCs in die Gesellschaft dachte auch Kant seiner, auf seine Weise. Bekanntlich forcierte er den Glauben an das Gute im Menschen und fesselte ihn im System mit dem Willen zur Pflicht („…, d. i. wornach sie von selbst freiwillig handeln würden, wenn sie sich selbst gehörig prüften“). Doch als Siebzigjähriger liebäugelte er in den Gedanken vom Ende aller Dinge nicht wenig mit dem Gegenteil. In einer langen Fussnote, die nur zum Schein dem eigentlichen Text an den Rand gestellt ist, gibt er den Erzählungen Raum, die teils den Menschen tel quel, teils seinen Lebensort als die schlechteste aller theologischen Denkbarkeiten favorisieren. Unter ihnen die Geschichte eines persischen Witzlings, der das Paradies in den Himmel verlegt gehabt hätte. Das Paar verdaute alle Esswaren optimal, mit Ausnahme der Äpfel des verbotenen Baumes. Ein Engel kam zu den Leidenden und zeigte mit dem Finger durchs Universum zum Planeten Erde: auf jenem Abort aller Welten hätten von nun an sie sich, als Menschen, der Reste des Verdauten zu entledigen.

Der laute, expressionistische Brecht, dessen Optimismus durch Erinnerung der kleinen Leute („Wer war Caesars und wer Alexanders Koch?“) Kunert in Frage stellt, weil wir die Antworten ignorieren, die uns der Alltag immer schon vorführt, lässt Baals Orge fragen: „Was ist der schönste Ort auf Erden? – Der Abort!“ Das Leben und der Lebensort im Ganzen hin oder her – grad was als Übelstrüchiges gilt, gilt’s zu erobern und die Souveränität darauf zu zelebrieren. Das tut ein jedermensch auch in der globalisierten Welt von heute. Passt man nicht auf und gerät auf Facebooks Seiten ins Abseits aller Spuren der Friends, steht man unverhofft ohne Schutz im Durchfluss der Zerstreuung, im Hemmungslosen gänzlich jenseits der Kategorien von Gut und Böse, Schön und Schlecht, Interessant und Überdrüssig. Von Gesellschaft, Geschichte und einer Idee der Menschheit ist da nichts mehr zu erkennen. Das Theatrale an den Geschichten, die kein Ende in Aussicht stellen und Kant so stark herausforderten, verwandelt sich zur einzigen, empirischen Freakshow der Trump- und Blocherfans. Auch diejenigen, die sich explizit dagegenstellen, also so, dass jeder es sieht, müssen auf ihren Bahnen fahren. Man kann solches nicht untersuchen, im Ganzen, in ihm Strukturverhältnisse unterscheiden und es selbst oder Einzelheiten kritisieren. Aber man kann Objekte von aussen ins Scheisshaus schmuggeln, die die Freaks in ihrer infantilen Destruktivität verleugnen müssen. Diese Objekte stehen herum wie Kinder, die kein anderes zum Mitspielen finden. Aber sie werden nicht wegzuleugnen sein.

Wildnis hier, jetzt, einstmals, dort

31. Januar 2018 um 5:22 Uhr von ur

Gestern missliebigen Philosophen auf Facebook entdeckt, mit abstossendem Selfie. Jetzt von 1 bis 3.30 Uhr schlaflos, dann Traum: ich stosse auf den erwähnten Philosophen und ziehe mit ihm und einem Mädchen in ein Haus in den Bergen, komfortabler als eine Hütte. Schon beim Eintreten fallen die wilden Tiere im nahen Wald auf. Nach mehrstündiger Zeit stellen wir fest, dass es von oben tropft: die obere Etage ist unter Wasser gesetzt worden, ihr Boden weicht sich auf und droht dem Wasserdruck nachzugeben. Schnell raus! Doch alle Fenster und Türen sind verriegelt und von aussen verbarrikadiert. Wie Morton Feldman (siehe letzten Post) reisse ich stark aufgeweichte Stücke aus dem Türrahmen. Das gelingt, und es entsteht ein Loch. Doch als es sich grösser machen lässt, indem die anderen beiden auch mithelfen, nähern sich die wilden Tiere; die weiten Kreise der Löwen und Schäferhunde werden immer enger. Aufwachen, als ein Löwe nach mir schnappt.

Zusatz: ein paar Tage vorher auf Facebook die mehrjährige Timeline (Chronik) eines Typen angeschaut, der wegen seines technischen Berufs in den Bergen hohes Ansehen genossen hatte (sein gesellschaftliches Ansehen heute – und in der Ferne – ist mir unbekannt): eine unendliche Masse an geteilten Bildern und Videos im Namen des Tieres, zumal des vom Menschen geschädigten, durchbrochen von einem unaufhörlichen Strom des Geiferns gegen linke Positionen, nicht zuletzt geschmückt mit Fotos eines überdimensionierten Hausinnerns gänzlich frei von Bildern der Kunst und Zeugnissen der Musik und der Literatur.

Rebecca Saunders und Morton Feldman

30. Januar 2018 um 21:59 Uhr von ur

Soeben live auf Bayern 4 Konzert vom 19. Januar 2018 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung Ilan Volkov, Carolin Widmann, Violine, Laura Aikin, Sopran.

Rebecca Saunders: Still (Beckett), 2011. – Ein Feurwerk auf einer brennenden Leiter.

Morton Feldman, Neither (Beckett, als Libretto für Feldman), 1977. – Feldman entreisst Stück für Stück von der Fassade der Avantgarde und wirft dieselben zu Boden. Trotzdem ist seine Musik auch heute noch aktuell und spannend, weil er nie zurückblickt und übers Tonale blinzelt. Vielleicht ist er nur der grosse Sancho Panza neben dem kleinen Don Cage, aber er ist jedenfalls dabei: zu unserer Freude.

Morbus Ollier: globale Häufigkeit

30. Januar 2018 um 16:46 Uhr von ur

Die Operations- und Rehabilitationstechniken von Chondromen und Chondrosarkomen in einzelnen Körperteilen haben in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Sowohl die Erkenntnisse über die Ursachen und die weltweite Verbreitung der Krankheit Morbus Ollier, Ollier-Maffucci-Syndrom, Multiple Enchondromatose, Dyschondroplasie oder Olliers Disease (auch Ollier’s und Ollier Disease) sind gering. Seit kurzer Zeit gibt es globale Google Maps für eine grosse Zahl sogenannter Seltener Krankheiten (Orphan Diseases), in die sowohl die betroffenen Patienten selbst wie auch ihre Ärzte den Standort eintragen können, weltweit.

Die Karte für die Multiple Enchondromatose ist hier zu finden:
https://www.diseasemaps.org/ollier-disease/

Die Karte ist öffentlich, so dass weltweit jedermensch Einsicht nehmen kann. Kontakte zu denjenigen, die sich bereits eingetragen haben, sind erst dann möglich, wenn man sich selbst – beziehungsweise die betroffene angehörige Person oder die eigenen Patienten – eingetragen hat.

Momentan gibt es nur noch auf Facebook eine Gruppe, die auf Morbus Ollier ausgerichtet ist (ich benötigte fast 10 Jahre, um sie zu finden, weil sie nicht alle gängigen Namen der Krankheit auf der Titelseite aufführt und die Facebook-Suchmaschine nicht über die Such-Toleranz wie Google verfügt). Die Gruppe ist geschlossen und gibt ausser der Memberliste keine Informationen preis. Gehört man aber einmal als Mitglied zu ihr, findet man eine Umfrage der John Hopkins University, an der man unbedingt sich beteiligen sollte, da sie ein detailliertes Bild von den einzelnen Betroffenen aufzeichnet, dessen globale statistische Darstellung möglicherweise einmal mehr zu sagen erlaubt als dass man es mit einer Laune der Natur zu tun hat.

Olliers Disease Appreciation Society (nur für Facebookmitglieder zugänglich): https://www.facebook.com/groups/140590582575/

Der Link zur wissenschaftlichen Untersuchung findet sich im Eintrag vom 6. Januar 2018 (nur für Gruppenmitglieder zugänglich): https://www.facebook.com/groups/140590582575/permalink/10157 073241287576/


(e-Mail-Adressen auf Anfrage)

ur I und ur II gratulieren ur III

11. Januar 2018 um 3:54 Uhr von ur

Viel Glück zum fünften Geburtstag, mit den besten Dankeswünschen an die Teams von Matthias Zumstein und Charles Dumont am Inselspital Bern 2013! – Die Schulter ist in gutem Zustand, das Becken morsch & mürrisch, immerhin nur zuweilen ernsthaft hinderlich.

Hommage à Elliott Carter

10. Januar 2018 um 21:35 Uhr von ur

Soeben direkt live auf France Musique l’Ensemble intercontemporain dans l’amphithéâtre de la Cité de la Musique, à la Philharmonie 2 de Paris.

Elliot Carter, Huit Etudes et une Fantaisie, pour flûte, hautbois, clarinette et basson // Retracing II, pour cor // Figment V, pour marimba // Retracing, pour basson // Scrivo in vento, pour flûte // Steep Steps, pour clarinette basse // Esprit rude/Esprit doux II, pour flûte, clarinette et marimba // HBHH, pour hautbois (= Happy Birthday Heinz Holliger) // Nine by Five, pour quintette à vent.

Leicht lahmend, dieses Konzert, ohne rechte Zündung, so professionell wie die Vortragsübung in einer Dorfschule. Ausnahme das Flötenstück Scrivo in vento, gespielt von Sophie Cherrier, ein Aufhorcher mit spitzen Tönen.

Surreale Entführung

10. Januar 2018 um 3:59 Uhr von ur

Surrealbrutaler Traum kurz nach dem Einschlafen, zwischen 22.30 und 23 Uhr: ich sehe, wie ein 20jähriges Mädchen von einer 40jährigen Frau an einem dünnen Faden entführt wird, auf dem staubigen Bahnhofsgelände eines Dorfes auf dem Land. Ich umarme das Mädchen und will die Entführung verhindern. Die Frau zieht am Faden und entfernt sich dabei. Der Faden ist elastisch, aber das Mädchen hängt an ihm, und ich kann es nur mit Mühe zurückhalten. Die Frau ist etwa 40 Meter entfernt, wo es mir gelingt, den Faden wie ein Lasso in Schwingung zu versetzen. Sie wird nun selbst vom Faden gefangen genommen. Sie steht nahe beim Gleis, das Perron ist deutlich höher als das Gleis. Sie dreht sich wegen des Fadenzugs und kommt ins Schwanken. Sie fällt in dem Moment aufs Gleis, da eine Dampflok aus dem 19. Jahrhundert in den Bahnhof einfährt. Die Lok hat vorne wie ein Backofen eine Öffnung, in die die Frau hineinfällt. Man sieht, wie ihre materiellen Überbleibsel mit dem Dampf zusammen aus dem Kamin hinausgetrieben werden. Wir sind gleichermassen erleichtert & entsetzt, ich habe immer noch den rechten Arm ums Mädchen. Da erscheint ein Kapuzenmann und nähert sich. Wir drehen ab, doch es hilft nichts. Er steht vor uns und zeigt uns sein groteskes, nahezu ausgelöschtes Antlitz. Er greift an, ich erwache. – Nachdenken darüber, ob ein solch brutaler Traum aufgeschrieben werden dürfe. Verneinung, Einschlafen. (Jetzt, ein paar Stunden später, könnte ich zu jeder Traumpassage anzeigen, welche Banalität in den letzten zwei Tagen geschehen waren und hier neu erscheinen; das Max- & Moritzbild als Entenfutter sah ich gestern nicht weit vom Haus entfernt, wo ein Arbeiter die Überreste eines Sturmopfers mit einer grossen Maschine häkselte und mir eben dieses literarische Bild in den Sinn kam. Der Traum ist harmlos.)

Kurz vor Aufwachen um 3 Uhr zweiter Traum: sehr schlechter Sitarunterricht irgendwo auf dem Land, wohin ich das Instrument schleppen muss. Das Traumbewusstsein ignoriert die gegenwärtige anatomische Beschaffenheit – das passiert nur noch ausnahmsweise.

Saunders, Adámek, Bertrand

9. Januar 2018 um 22:03 Uhr von ur

Soeben live auf Bayern 4 vom 15. Dezember 2017 in München das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung Peter Rundel. Solisten: Carl Rosman, Richard Haynes, Klarinette; Isabelle Faust, Violine; Andreas Grau, Götz Schumacher, Klavier.

Rebecca Saunders: „Aether“ (Deutsche Erstaufführung). – Subtile, farbige, erruptive und ständig sonstwie überraschende musikalische Führung zweier Bassklarinetten. Beeindruckend!

Ondřej Adámek: „Follow me“ (Uraufführung). – Nie im Leben fühl ich mich so griesgrämig, wie wenn ich Adámeks Kunst ausgesetzt bin. Does humour belong in music? Nooo!!! Einer von uns ist eindeutig zu viel in dieser Geschichte der Musik.

Christophe Bertrand: „Vertigo“ (Deutsche Erstaufführung). – Virtuose Klangtönefälle mit der Tendenz zum Leerlauf.

Arnulf Hermann, Der Mieter

7. Januar 2018 um 22:15 Uhr von ur

Soeben live auf WDR 3 vom 12. November 2017 aus der Oper Frankfurt Der Mieter von Arnulf Hermann mit dem Philharmonia Chor Wien, Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Musikalische Leitung: Kazushi Ono.

Betrachtet man nur die Musik, ist das Werk über weite Strecken brav & einfach, und die Mikrotonalität, die nur koloristisch eingesetzt wird, versüsst das Ganze. Berücksichtigt man via Youtube die Inszenierung, wird bald klar, wieso diese Oper einfährt und die Musik als dringlich erfahren wird. (Üble, realistische Erinnerungen an die Biderstrasse am Rand von Bern Ende der 1990er Jahren werden geweckt.) – Der Schluss wirkt ausserplanmässig, kammermusikalisch wär’s okay, in einem so grossen Werk wie eine Zumutung; man hätt’s dann doch gern abgemildert serviert bekommen.

Zusatz 14. 1. 2018: Soeben auf SWR 2 nach einer Woche dieselbe Aufführung noch einmal. Das Ganze ist ein Musical, mit Bersteinischen Zigizagihoihoi- und Gershwinischen Gefühlsdusselpassagen. Auch mit Vorwissen steht der Schluss unangenehm in der Luft. Das zweite Mal Hören hat das Stück schlechter gemacht.

Kurtag und Sciarrino

3. Januar 2018 um 21:26 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique Concert du 19 octobre 2017 à la Cité de la Musique dans le cadre du festival d’Automne à Paris, l’Ensemble Intercontemporain dirigé par Matthias Pintscher.

György Kurtag (né en 1926), … quasi una fantasia… pour piano et groupes d’instruments op. 27 n° 1. – Nachdem der Musik in absteigenden Reihen alles entnommen wurde, wird sie in Modulen neu aufgebaut, dann das Gewonnene mit tonalen Rhythmusgebilden bekräftigt. Die Tonreihen des Anfangs wiederholen sich nun neu vermittelt in Variationen, nicht mehr ins Leere gehend, wenn auch gleichwie in die Stille (ich erwartete einen anderen Schluss).

Salvatore Sciarrino (né en 1947), Gesualdo senza parole, pour ensemble. – Wer gerne kostbare Zeichnungen im Hosensack zerknittert und sie erst daraufhin zu würdigen versteht, ist bei dieser Musik gut bedient. Könnte sein, dass ich das Stück schon einmal gehört habe, es aber zu peinlich fand, um in der Disco zu erwähnen. Es ist nicht besser geworden.

Salvatore Sciarrino (né en 1947), Il sogno di Stradella. – Einer von heute komponiert die Musik eines von früher, die er sich für die Zukunft erträumte. Eher ein lahmes Kinderspiel als ein Experiment: man fantasiert punkig einen Regelbruch, ohne weitere Lust, zu neuen Verbindlichkeiten vorzustossen. Man könnte auch Harry Partch hören, wo sich auch nichts Weitergehendes entwickelt, weder in den Stücken selbst noch in der ästhetischen Idee.

Salvatore Sciarrino (né en 1947), Omaggio a Burri, pour trois instruments. – Leise Musik ist okay. Aber sie müsste nicht zusätzlich leer, mit Lücken verstopft und langweilig sein. Ein müder Konzertabend in Paris.

György Kurtag (né en 1926). – Messages de feu Demoiselle R. V. Troussova, opus 17, pour soprano et ensemble de chambre, Natalia Zagorinskaya, soprano. – Das rettende alte Stück des Abends, immer wieder ein Genuss!

Facebook Account

29. Dezember 2017 um 4:51 Uhr von ur

Soeben beschlossen, mein Facebookkonto, das bis jetzt nur eine leere formelle Funktion erfüllte, zu öffnen und normal mit Kurzbemerkungen und Einzelbildern des Tages zu bedienen. Das Internet ist eines der grössten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit, Facebook der Teufel darin, der das Ganze zerstört. Statt den Widerspruch im vornehmen Abseits zu bedauern, kann man ihn auch nutzen, als engagierter Don Quijote gleichwie als Zaungast des Gewöhnlichen.

Ein Versprechen gibt es so wenig wie eine Erwartung. Facebook ist eine Spur wie alles Reale eine Spur bildet, mal in der Form eines klaren Weges, meistens als konturenloser Schimmer im Pflotsch, der sich nicht umgehen lässt.

Wohlan, Friends, macht mir & der Welt keinen allzu grossen Kummer!

PS CC 2018 -NoSplash

28. Dezember 2017 um 5:36 Uhr von ur

Der Startbildschirm des Photoshop CC 2018 ist eine Zumutung. In Windows 10 wird man den Kabis los, indem der Zieladresse des Starticons ein -NoSplash hinzugefügt wird.

Mit der rechten Maustaste aufs Icon.

Übernehmen.

Soziologenhaiku

22. Dezember 2017 um 4:55 Uhr von ur

Werbeverhext die hassenden Volksmassen

sie spülen ihre Zerstörer

an die Spitzen der Repräsentationssysteme.

Skipoesie

21. Dezember 2017 um 17:10 Uhr von ur

Soeben auf Hikr gelesen, am ersten Tag des Winters, den ich auf einem kurzen Spaziergang eisig empfand:

„Der kürzeste Tag bot ziemlich frühlingshafte Bedingungen, warm, Stollen an den Fellen und zT. schon aufgesulzten Schnee.

Ich beginne in downtown Winklen, steige über Ledi zum Zügelweg und verfolge den bis 1200 m, dann beginnt offenes Gelände und ich erreiche Heiti, gehe nördlich von Chratzi zum Graben und obsi, bis es dann nach rechts ins offene und flache Gelände der Stierechumi führt. Es folgt dann der längliche Aufstieg zur Scharte P. 2295. Einen Gipfelbesuch nach rechts oder links erspare ich mir, die Aussicht ist schon so berauschend.“

lobras ist der Dichter: http://www.hikr.org/tour/post127955.html

Das ist ein Gelände, in dessen unterem Teil mein Urgrossvater als Pfaffe in der Weihnachtszeit die Frutiger Höfe (oder Höfchen) auf den Spiessen besuchen ging.

Rihm, André, Lannotta, Ligeti

21. Dezember 2017 um 4:41 Uhr von ur

Gestern Abend live auf France Musique das Arditti Quartett le 09 octobre 2017 au Théâtre des Bouffes du Nord à Paris dans le cadre du Festival d’Automne à Paris, Irvine Arditti, violon, Ashot Sarkissjan, violon, Ralf Ehlers, alto, Lucas Fels, violoncelle.

Wolfgang Rihm (1952 – ), Quatuor à cordes n°13 (2017). – Erinnerter später Beethoven mit der Kraft des mittleren: gegen aussen behäbig, als ob es nicht gelingen dürfte, aus der Tonalität hinauszutreten, im Innern vielfältige, quasi unendliche Überraschungen.

Mark André (1964-), Miniaturen für Streichquartett (2017). – André ist immer willkommen, wenn keine Stimme Text aufdrängt.

Clara Lannotta (1983 – ), Dead wasps in the jam-jar (2017). – Ein Stück in Blöcken, die sich dagegen wehren, vermittelt, durchgeführt oder eben an der Nase herumgeführt zu werden. Nochmals zu hören (mir schienen die Wespen dem Titel entgegen lebendig).

Gyorgy Ligeti (1923 – 2006), Quatuor à cordes n°2. – Musik im Gewand der Eleganterie. Warum sind die Schweizer Radiostationen nicht willens, solch leicht erscheinende Kunst auch am morgen quasi zwischendurch zu senden?

Insgesamt ein Konzert von Subtilitäten, die man unserer Welt der Brutalitäten nicht mehr zutraut.

D’Adamo, Regucera, Hurel

15. November 2017 um 20:58 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique Concert donné le 05 Octobre 2017 à l’Auditorium FR3 Alsace à Strasbourg dans le cadre du Festival Musica 2017, avec l’Ensemble Linea, Jean Philippe Wurtz, Direction.

Daniel D’Adamo (1966 – ), Frontières-Alliages (2008). – Tonrepetitionen auf verschiedenen Höhen, garniert mit anschwellenden Tonwolken, ohne Logik des Übergangs.

Amadeus Regucera (1984-), Torso of Air | Stapled Flesh (2016 – 2017). – Leichtes Schlagzeugstück.

Philippe Hurel (1955 – ), Pour l’image (1986 – 1988). – Spannungslose Kleinorchestermusik, als hätte man ein Material erst gerade rezykliert. Die Musik ähnelt nur den 1980er Jahren, und stammt doch aus jener Zeit…

Bartók, Zweites Klavierkonzert

2. November 2017 um 21:11 Uhr von ur

Soeben direkt live auf France Musique au Théâtre des Champs-Élysées, Evgeny Kissin, piano, Orchestre national de France, Lawrence Foster, direction.

Béla Bartók, Concerto pour piano et orchestre n°2.

Als ob man noch nie Bartók gehört hätte: umwerfend!

Donaueschingen 2017

22. Oktober 2017 um 18:31 Uhr von ur

Die letzten drei Tage diverse Konzerte auf SWR 2.

Gut zu hören:

– Andreas Dohmen: a doppio movimento, für E-Gitarre, Harfe, Klavier und großes Orchester (UA). SWR Symphonieorchester, Experimentalstudio des SWR, Gareth Davis (Bassklarinette), Yaron Deutsch (E-Gitarre), Andreas Mildner (Harfe), Nicolas Hodges (Klavier), Leitung: Ilan Volko.

– Chiyoko Szlavnics: Memory Spaces (appearances), für vierzehn Streichinstrumente (2017), UA. Solistenensemble Kaleidoskop.

– Emmanuel Nunes: Un calendrier révolu, für Ensemble (1969, UA erst jetzt), Remix-Ensemble, SWR Vokalensemble, Leitung: Emilio Pomàrico.

– Francesca Verunelli: Man sitting at the piano I, für Flöte und Player Piano (2017), UA. Michael Schmid, Flöte, Player Piano.

Der Flötist hat nur die eigenen Noten vor sich, deren Seitendarstellung dann wechselt, wenn der gespielte Pianopart, der unmenschlich schnell sein kann, es verlangt.

– Misato Mochizuki: Têtes, für Rezitator und Ensemble (Libretto: Dominique Quélen nach Texten von Lafcadio Hearn) (UA): 1. Prologue (Quélen), 2. Diplomatie (Hearn/Quélen), 3. Le fantôme à la tête coupée (Hearn/Quélen), 4. La multiplication des samourais (Quélen), 5. Le fantôme sans visage (Hearn/Quélen), 6. Epilogue (Quélen). Marino Formenti (Klavier), Paul-Alexandre Dubois (Rezitator), Regie: Frédéric Tentelier, Leitung: Enno Poppe.

– Vor Têtes von Mochizuki auch interessant die Bemerkungen von Karl-Heinz Ott über Lafcadio Hearn, von dem der neunzehnjährige Adorno eine Novelle dramatisiert hatte (Adorno, Eine Bildmonographie, 2003, S. 63).

– Márton Illés: Ez-tér, für Orchester (UA). SWR Symphonieorchester, Leitung: Pablo Rus Broseta.

– Chaya Czernowin: Guardian, für Violoncello und Orchester. SWR Symphonieorchester, Séverine Ballon (Violoncello), Leitung: Pablo Rus Broseta.

– Und die andere Werke, die nicht mit Gefallen zu hören waren? Meistens fehlt das grundlegende Formgefühl, das zwischen einer gewählten grossen Form und den kleinen Details und Übergängen vermittelt, oder man überlässt zuviel dem Improvisationsvermögen der MusikerInnen, die prompt im Sumpf des Einfältigen und der schamlosen Wiederholung feststecken. Die gefeierte Suche nach neuen Konzertformen mit dem angeblichen Ziel der grösseren Offenheit erscheint nun definitv als Ideologie. Die Verfahren, bekannt und nie jemals geliebt schon seit dem Ausfransen der Künste im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts, verbauen dem Neuen den Weg (die Aufführungen sind langweilig und berühren kaum), unterstützen indes ungewollt die plumpen Forderungen der Ökonomie, die intellektuelle Anstrengung („das wahrhaft individuelle sich Konzentrieren“) zugunsten des idiotischen Multitaskings aufzugeben. Neues, das einem den Kiefer offenstehen liesse, erwächst aus einem solchen ästhetischen Normengefüge kaum, um so mehr der Verdacht, die Ableitungen vom scheinbar Bekannten dienten nicht zuletzt der Ablenkung vom künstlerischen Unvermögen.

– Das beste Stück? Chaya Czernowin: Guardian. Eines derjenigen Werke, von denen man denkt, sie sollten nie mehr aufhören, weil man am liebsten in ihnen selbst weiterleben möchte.

Xenakis, Poppe, Tüzün, Schubert

11. Oktober 2017 um 20:02 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique concert donné le 15 septembre 2017 au Théâtre de Gennevilliers.

Iannis Xenakis (1922 – 2001), Rebonds pour percussions, Samuel Favre, percussion. – Eines derjenigen Lehrstücke, die auf einen Punkt hinsteuern (der auch komplex sein kann) und dann sagen, das war es, was ich sagen wollte. Pädagogische Musik, wenn auch alles andere als schlecht.

Enno Poppe (1969 – ), Fell pour percussion, Victor Hanna, percussion. – Der Schläger einer Schlagerkapelle zeigt einem seine Küche und was er alles kann – auch wenn er stoned ist und also nicht optimal beweglich. Merde ist das langweilig!

Tolga Tüzün, Metathesis pour deux contrebasses et électronique en temps réel, Ensemble Intercontemporain, Nicolas Crosse, contrebasses, Benoît Meudic, Tolga Tüzün, réalisation informatique musicale Ircam. – So fühte ich mich heute in der Eisrinne zwischen Resti und Faldum. Nicht schlecht getroffen, die Angst überm Ausgleiten (sogar der Titel trifft die Situation, unfähig zu stehen).

Alexander Schubert, Codec error pour deux percussions, contrebasse et électronique, Ensemble Intercontemporain. – Kilbimusik, echt doof. Meine kühne These zum Werk: schlechter kann man füglich nicht komponieren. Musik ist das Heilige, also das beste dieser Welt: wer einen so stark militäraffinen Kabis produziert, sollte sich besser in ein Kloster verziehen und die Welt ruhen lassen.

Mincek, Bartok, Hillier, Robin

27. September 2017 um 20:21 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique concert donné le 9 septembre 2017 à la Salle des Charpentiers à l’Abbaye à Royaumont avec Le Quatuor Tana: Antoine Maisonhaute, Ivan Lebrun, violons, Maxime Desert, alto, Jeanne Maisonhaute, violoncelle.

Alex Mincek (né en 1975), Quatuor à cordes n°3 lift – tilt – filter – split.

Béla Bartok (1881-1945), Quatuor à cordes n°4.

Edwin Hillier (né en 1988), Soliloquies.

Yann Robin (né en 1974), Quatuor à cordes n°3 Shadows.

Ziemlich vergnügliche Stücke. Bemerkenswert, wie die Form des Streichquartetts heute zuweilen der einer gehetzten Rockcombo ähnelt, das Schwere weit hinter sich lassend.