Philippe Hurel, Tour à tour

8. Juni 2015 um 20:19 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique concert enregistré à l’Auditorium de la Maison de la Radio le 5 juin 2015, dans le cadre du Festival ManiFeste. Orchestre Philharmonique de Radio France, Carlo Laurenzi, réalisation informatique musicale Ircam, Jean Deroyer, direction.

Philippe Hurel (né en 1955), Tour à tour – I. L’Envol, pour orchestre II. La rose des vents, pour orchestre et électronique III. Les rémanences, pour orchestre.

L’Envol erscheint in einer Art Momentform, die dem Komponisten so viele Verschnaufpausen ermöglicht wie nötig – nichts gibt es, das sich verbindlich durch die ganze Flugbahn verfolgen liesse. Einige Momente sind hübsch, andere zu banal. Der Komponist hat einen unkontrollierten Hang zum nordamerikanischen Festsound der Feldmusik; er sollte sie gewissenhaft studieren, vielleicht in Bayern, um auf solche Weise von ihr wegzukommen, dass auch das Moment der Überraschung eine Chance bekommt.

La rose des vents besteht aus verschmierten Lentoklängen. Peinlich der Propellereffekt, einmal abwärts, geklaut bei der ersten Platte von Emerson, Lake & Palmer, dann auch aufwärts, das Ganze verdoppelt und verdreifacht. Die Paukenschläge ins pinkfloydsche Grunzen hinein finde ich gelungen, sie erscheinen nochmals im dritten Teil (der vor diesem zweiten geschrieben war). Der Komponist scheint im IRCAM weniger mit einem Informatiker als mit einem Archivar zusammengearbeitet zu haben.

Les Rémanences favorisiert wieder die lose, unverbindliche Momentform, mal hitzig bewegt, mal langfädig, mal, wohl als Vermittlung gedacht, langweilig dazwischen. Musik als Kunst des Übergangs wird verleugnet, weil es an Selbstvertrauen und Selbständigkeit fehlt. Paris wirkt zuweilen wie eine musikalische Wüste.

Hèctor Parra und Händl Klaus: Wilde

7. Juni 2015 um 21:20 Uhr von ur

Soeben live auf SWR 2 vom 22. Mai 2015 im Rokokotheater Schwetzingen das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Peter Rundel mit Ekkehard Abele, Marisol Montalvo, Mireille Lebel, Lini Gong, Vincent Lièvre-Picard, Bernhard Landauer.

Hèctor Parra und Händl Klaus: Wilde (Uraufführung).

Ein Arzt will von einem Einsatz bei den Ärzten ohne Grenzen im Zug nachhause fahren, gerät in einen Unfall, von da in ein Haus mit fünf Geschwistern, zwei männlichen, drei weiblichen. Seine Versehrtheit zeigt sich im ständigen Verlangen nach Wasser. Die Abläufe werden beim Zuhören nicht klar, aber eindeutig geholfen wird ihm nicht, oder hilft er nicht den andern. Die Schwestern erscheinen zuweilen wie Rheintöchter. Die Musik klebt quasi kongenialisch am dichten, kaum zu durchschauenden Text, dem man mit Spannung folgt.

Meisendavid gegen Ichgoliath

7. Juni 2015 um 10:31 Uhr von ur

Da die jungen Staren das Futter nun selbständig aufpicken, ist die Saison der Vogelfotografie am Ende angelangt; die Installationen sind vom Sims in den Keller gezügelt, und die Vogelscheisse ist durch den gestrigen starken Gewitterregen mit Hagel schon fast vollständig weggeputzt. In einem Dosendeckel wurde seit ein paar Tagen den Meisen auf der Innenseite des Fensterboards der Rest der Cashews und Pinien angeboten, bis auch dieser heute Früh weggefressen war. Ich stehe bei offenem Fenster ganz im Innern des Zimmers, wo eine Meise auf dem vierzigjährigen 2 x 3m Bachtiar bis in die letzten Winkel abgespaltene Körnerteile sucht. Dreimal nähert sich der weibliche Fünfzentimeterwicht im Zickzack dem Einsfünfundsiebzighohen. Beim vierten Mal überwindet er seine Skrupel, nimmt Anlauf und pickt in den grossen Zeh – und schaut weiter angriffslustig in die Höhe, bis er sich endlich aus dem Staub macht. Nein, es wird nichts Weiteres zu fressen geben in diesem noblen Etablissement.

Pascal Dusapin, Disputatio

6. Juni 2015 um 20:35 Uhr von ur

Soeben direkt live auf Deutschlandradio Kultur RIAS Kammerchor und Münchener Kammerorchester, Leitung Alexander Liebreich.

Pascal Dusapin, Disputatio mit einem Text von Alcuin aus dem 9. Jh., Uraufführung.

Keine schwergewichte und keine wichtige, aber auch keine üble Musik; vielleicht etwas zu gleichförmig.

Zusatz: Das Stück verdient wahrscheinlich einen besseren Kommentar. Es wurde aber in einer Umgebung gesendet, die ihm nur schaden konnte. Vor der Konzertübertragung brachte Deutschlandradio Kultur, in Bern als Internetradio mit eingeschränkten Höhen und Bässen empfangen, eine Stunde lang Musik von Josef Matthias Hauer, dem falschen Zwölftonprätendenten. Das ist eine Pseudomusik, in der man nur schwerlich einen ästhetisch-künstlerischen Anspruch ausmachen kann. Im Konzert wurde dem 40 minütigen Stück von Dusapin ein kleines von Brahms vorangestellt, Geistliches Lied op. 30, das hübsch ist wie vieles von Brahms, einem die Ohren aber kaum auf Neues einzustimmen vermag. Schlimmer dagegen war das Nachfolgewerk, das Requiem op. 9 von einem gewissen Maurice Duruflé aus dem 20. Jahrhundert, das ausserhalb streng katholisch reglementierter Klostersäle ganz einfach nichts zu suchen hat. Merde, was für eine dicke, unmögliche Luft! Ja eben, dieses dumpfe Umfeld wirkt in der Weise auf das uraufgeführte Werk ein, dass man sich zu meinen genötigt sieht, der Komponist, der die Disputatio eigens für dieses Konzert geschrieben hat, fühle sich darinnen vielleicht gar nicht so unwohl.

Jordi Savall: Ibn Battutan (1. Teil)

3. Juni 2015 um 21:20 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique concert du 20 novembre 2014 à l’Emirates Palace Auditorium d’Abu Dhabi:

Jordi Savall et l’ensemble Hespèrion XXI, „Ibn Battuta, voyageur de l’Islam“ – Du Maroc à l’Afghanistan (1300-1336).

Umwerfend, dieser Farbenreichtum in einem einzigen Konzert!

Lulu

26. Mai 2015 um 5:13 Uhr von ur

Gestern Abend auf Bayern 4 direkt live aus dem Münchner Nationaltheater Alban Bergs Lulu mit Marlis Petersen, Daniela Sindram, Bo Skovhus, Pavlo Hunka, Matthias Klink, Bayerisches Staatsorchester, Leitung: Kirill Petrenko.

Eine wohltuend vermittelnde musikalische Interpretation ohne leichtfertige Schrillheit, die doch immer nur so tun musste, als würde die Welt sei es durchs Kapital oder die Regressivität der Einzelnen in der Gesellschaft an die Wand gefahren. Die Oper von gestern, als Aufführung in München am 25. Mai 2015 der Bergoper aus den 1930er Jahren, steht noch im Glauben, dass das Kräftespiel zwischen Ökonomie, Gesellschaft und Natur in den kommenden Zeiten Bestand haben wird.

Sizilianisches Erbe

23. Mai 2015 um 16:13 Uhr von ur

Dieweil die Eltern die Emmener Alphütte beleben, klauben wir alternden Kinder die Fundsachen für uns aus ihrem Mobiliar. Während Jahren bewunderte ich die zwei Stücke, die schon in Grossmutters Siderser Wohnung die Phantasien reizten. Von ihr selbst stammen sie her, aus ihren ersten Monaten in Palermo. Ich beäugte die Wunschlisten der anderen Erben genau auf diese Stücke hin; da sie nirgends notiert standen, packte ich sie heute je einzeln dreimal in Gefrierbeutel, zweimal in Stofftaschen und viele Male in weiche Kissen, mitten in den Rucksack. Keine Partie der Wunderdinger hat Schaden genommen…

Zusatz 19. Juni 2015, erste Beute aus uralten Fotobänden:

Grossmutter mit ihren Eltern und der älteren Schwester Anita, der späteren Apothekerin in Leuk und im Leukerbad.

Grossmutter mit Urgrossmutter und Grosstante.

Grossmutter vornehm behütet. Von da kommt also die Noblesse her, die ich als Feriengast herausspürte, wenn sie in schlechter Stimmung über den Stallbauer meckerte. Als Trachtenweib rettete sie die Kultur des Wallis, dieweil ihr Mann nur den Walliser Kulturboden am Leben zu erhalten trachtete – was ihm für wie kurze Zeit auch immer gelungen war.

Grossmutter als Postkartensujet von Evolène.

Die sizilianische Walliserin in der Mitte.

Postkarte von Sion auf der Route de Savièse – mit der Tracht von Evolène (Grossmutter links).

Grossmutter, zwei von ihr gewünschte Töchter, ihre zwei wirklichen Töchter Ruth und Vreneli: sie waren sauer, weil sie für die grossen Herren feinen Fendant haben einschenken müssen.

Zusatz 28. Juni 2015: erst jetzt sehe ich, dass die zwei Töchter gar keine Evolèner, sondern Savièser Hüte aufgesetzt haben.

Avanciertes Mittelalter

12. Mai 2015 um 20:09 Uhr von ur

Soeben live auf SWR 2 Konzert vom 7. Mai in St. Joseph, Speyer. Huelgas Ensemble: Music in apocalyptic times 1000-1400.

1. Alleluia. Judicabunt sancti nationes. Two-voice organum, the first step to polyphony. Anonymus, ca. 1000

2. Kyrie Cuthberte. Three voice troped mass-part in honour of Saint Cuthbertus. England, anonymus, ca. 1280

3. Hypocritae Pseudo Pontificis. Three part motet, a critic on the clerus, anonymus, France ca. 1300

4. Viderunt omnes. Organum quadruplum for Eastern. Magister Perotinus, Paris ca. 1200

5. O Maria Maris stella / O Maria Dei Cella / O Maria Virgo / In veritate. Four-voice motet, with three different texts, anonymus, France, thirteenth century

6. Kyrie & Gloria from the “Messe de Nostre Dame”, four voices, Guillaume De Machaut ca. 1300-1377

7. Puisque la mort. Lamento on the dead of Eleanore d’Aragon (1382), Matteo da Perugia, ca. 1360-ca. 1426

8. Credo in unum Deum, isorhythmic mass-part for four voices, anonymus, Cyprus (the Court of Lusignan), ca. 1380

9. Science na nul anemi. Ballad for four voices, Matteo de Sancte Johanne, second half fourteenth century.

Jedes Stück lässt die Kinnlade offen stehen… Grandios!

Sonnenfinsternis in der Oper

11. Mai 2015 um 20:43 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique Opéra enregistré au Théâtre des Champs-Elysées (Paris) le 7 mars 2015: Solaris.

Dai Fujikura (né en 1977), Solaris, Opéra en quatre actes (2015), livret de Saburo Teshigawara, d’après le roman de Stanislas Lem (création mondiale). Sarah Tynan, soprano (Hari), Leigh Melrose, baryton (Kris Kelvin), Tom Randle, ténor (Snaut), Callum Thorpe, baryton-basse (Gibarian), Marcus Farnsworth, baryton (Kelvin, hors scène), Gilbert Nouno, réalisation, informatique musicale Ircam, Ensemble Intercontemporain, Erik Nielsen, direction.

Was soll man mit einer Uraufführung machen, deren Teile man im knapp 90 minütigen Verlauf immer nur als schon bekannte erfährt? Ein radikal überflüssiges, ärgerliches Stück Musik. Ebenso jämmerlich das Pariser Publikum, das am Abend der Uraufführung keinen einzigen Buuhrufer aufzubieten vermochte; wie viel Einerlei in der Musik, so viel auch in der folgsamen Meute.

Zusatz: Abstrahiert man von der Musik, kann man die Gelegenheit nutzen, sich an Lems Solaris vor dreissig bis vierzig Jahren zu erinnern, sei es mit oder ohne den dazwischen geschaffenen Adaptionen in der Film- und Hörspielindustrie. Damals war Solaris nur eine von vielen Varianten, pantheistische Erzählmomente in den Weltraum zu exterritorialisieren, beileibe nicht die beeindruckendste. Angesichts der Fragen von Big Data steht die Geschichte heute aber ganz anders da, und sie dünkt mich nun eine der vorzüglichsten dieses Autors, weil die konkrete Phantasie darin mitnichten mehr als ein bloss unterhaltendes Spielfeld abgetrennt von aller Theorie erscheint. – Aus dieser Perspektive ist es umso schlimmer, wenn der avancierte diskursive Gehalt in einen erdrückenden Pelz voller musikalischer Motten gepackt wird.

Varèse, Maresz, Ligeti, Lindberg

27. April 2015 um 20:22 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique concert enregistré à la Philharmonie 2 le 16 janvier 2015, Tito Ceccherini dirige l’Ensemble Intercontemporain.

Edgard Varèse (1883-1965), Intégrales pour onze instruments à vent et percussions. – Mit was für Musik man diejenige von Varèse auch kombiniert, sie erscheint nach wie vor als avanciert, als eine, die den Alptraum der Geschichte durchbrechen will.

Yan Maresz (né en 1966), Metallics, pour trompette et dispositif électronique, Clément Saunier, trompette. – Eine Materialschlacht wie bei den späten Emerson, Lake & Palmer.

György Ligeti (1923-2006), Kammerkonzert – I. Corrente, II. Calmo, sostenuto, III. Movimento preciso e meccanico, IV. Presto. – Zuweilen, wie hier, der Kleidermann der Avantgarde.

Magnus Lindberg (né en 1958), Related Rocks, pour deux pianos, deux percussions et dispositif électronique, Hidéki Nagano, Sébastien Vichard, pianos, Samuel Favre, Victor Hanna, percussions. – Was für eine Kindskopfmusik! Dass man Lindberg immer noch südlich von Helsinki spielt, spricht nicht gerade für die Existenz einer Hochkultur in Europa.

Yan Maresz (né en 1966), Metal Extensions pour trompette et ensemble, Clément Saunier, trompette. – Über die Zeit hat er noch mehr Spielzeuge erhalten.

Gedizlioglu, Iannotta, Coll, Filidei

20. April 2015 um 20:03 Uhr von ur

Soeben auf France Musique concert enregistré au Conservatoire à Rayonnement Régional de Paris le 5 mars avec 2e2m.

Zeynep Gedizlioglu, Kesik, ensemble 2e2m. – Musik in einem Ton, als müsste für ein gequältes Zusammenmarschieren forciert dielettantisch gespielt werden. Ich will nicht mit anderen zusammenmarschieren.

Clara Iannotta, D’après, création française, ensemble 2e2m. – Sehr fein und hübsch. Bestes Stück des Abends.

David Coll, Act, création française, soprano, ensemble 2e2m & dispositif électroacoustique. – Eine Ekstatik wie aus dem Freejazz, mit stillen, aber ebenso wenig spannenden Passagen.

Francesco Filidei, Ballata N°. 2, ensemble 2e2m. – Fein mit naturnahen Zwischentönen, leider auch kindischen.

Francesco Filidei, Ballata N°. 4, création mondiale / commande de l’État, viole de gambe & ensemble 2e2m. – Eher eine Barcarolle als eine Ballata, immerhin eine gelungene.

Erster Widerstand

9. April 2015 um 3:25 Uhr von ur

Seit fast zwei Jahren jede dritte Woche ein Alptraum mit Todesfolge, sporadisch mit einem mehrminütigen, äusserst deprimierenden Weiterleben nach dem Todesfall. Solches nur nach Ereignissen in der Natur wie Abstürzen in Schluchten oder Vulkane. Meistens handelt es sich um ein Abgeschlachtetwerden durch Gruppen, eher selten durch Einzelne. Was die Killer alle verbindet ist ihre Anonymität und ihr plötzliches Erscheinen, ohne Ankündigung und deutbaren Hintergrund. Heute habe ich mich zum ersten Mal gewehrt: ich liege irgendwo in einem Zimmer auf einem Schragen, mehrere Personen treten durch die Türe(n) und auch das Fenster, fesseln mich, setzen mit Fausthieben an, mit Sägen etc. Ich bin erstaunt, dass ich mich trotz der Fesseln, trotz der konstitutiven Kraftlosigkeit aufrichten kann – dass ich mich wehre. Es entsteht ein regelrechter Kampf gegen einen bunten Haufen widerwärtiger Dumpfestköpfe wie aus einem B-Movie, in dem die Leute abrupt Erstaunen zeigen und beginnen abzuhauen. Aufwachen mit dem Gedanken, dass ich von solchen neuerlichen Alpträumen noch nie zu erzählen gewagt hatte.

Palmsonntagshochamt für Sankt Peter

29. März 2015 um 20:47 Uhr von ur

Soeben live auf Deutschlandradio Kultur von heute Morgen in der Philharmonie Berlin Mojca Erdmann, Sopran, Anna Lapkovskaja, Alt, Damen des MDR Rundfunkchores, Damen des NDR Chores, Michael Barenboim, Violine, Staatskapelle Berlin, Klavier und Leitung: Daniel Barenboim.

Pierre Boulez (90 und drei Tage):

„Le visage nuptial“ für Sopran, Alt, Frauenchor und Orchester (1946-1989) // „Anthèmes 2“ für Violine und Live-Elektronik (1997) // „Notations I-IV“ und „VII“ für Orchester.

Ein sehr gutes Programm sehr gut interpretiert. Le visage nuptial gefällt mir immer besser, Anthèmes 2 hatte heute eine etwas triviale Elektronik.

Berg, Wozzeck (Boulez 1966)

22. März 2015 um 21:57 Uhr von ur

Soeben ab Platte auf SWR 2 Chor und Orchester der National-Oper Paris, Leitung Pierre Boulez, 1966:

Alban Berg, Wozzeck.

Unangegraut ein Meisterwerk der Literatur, der Musik und der Aufführungspraxis.

Yun, Koumara, Chung, Gaglianello

18. März 2015 um 21:10 Uhr von ur

Soeben live auf WDR 3 vom 11. März 2015 WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung Francesco Angelico, Aufnahme aus der Aula der Hochschule für Musik und Tanz, Köln.

Hyun-Jin Yun, colours variations für Orchester, Uraufführung .

Georgia Koumara, Schrödinger’s Cat für Orchester, Uraufführung.

Saehoon Chung, Abstract Painting für Orchester, Uraufführung.

Adriano Gaglianello, Once Back für Orchester, Uraufführung .

Vier sehr gute, wohltuende Stücke. Jetzt nur nicht die Dinge harmloser machen wollen, vielleicht im Rhythmus noch etwas zulegen und mehr Zähne zeigen – wir befinden uns nicht in einer Kirche.

Dusapin, Aufgang

20. Februar 2015 um 20:36 Uhr von ur

Soeben live auf France Musique vom 26 janvier 2015 à Paris.

Pascal Dusapin, Aufgang, Concerto pour violon et orchestre (création française), Renaud Capuçon, violon, Orchestre Philharmonique de Radio France, Myung-Whun Chung, direction.

Vor einem Jahr die Aufführung in Genf gehört, jetzt die französische Erstaufführung: klar, das ist immer noch eine schöne Musik, aber sooo wattig tonal, dass von einem Kunstanspruch nur noch schwer zu sprechen wäre.

Spahlinger, … eine Welle … anhalten … (1987)

18. Februar 2015 um 14:40 Uhr von ur

Gestern Abend auf SWR2 live von der Uraufführung 1987 (vielleicht auch von der CD):

Mathias Spahlinger, „in dem ganzen ocean von empfindungen eine welle absondern, sie anhalten“ für 3 Chorgruppen und Playback, SWR Vokalensemble Stuttgart, Leitung Klaus Martin Ziegler.

Die Entwicklung der Technologien erlaubt es den Medien, alles von allen Orten jedem einzelnen zuzutragen. Jeder weiss, was los ist, wie es zu benennen wäre und wie man sich als vernünftiger Mensch diesem Ganzen gegenüber zu verhalten hätte. Ebenso ist klar, dass die Kunst keine neuen, zusätzlichen Gehalte in ihre Rede aufnehmen kann, wenn man sie nicht als etwas Irrationales missverstehen wollte. Wie aber hat Kunst zu erscheinen, wenn sie diese historischen Gegebenheiten ungetrübt im Blick halten und sich nicht quasi daneben einem anderen, abstrakteren Strom der Zeit überlassen will?

Das war Spahlingers Fragestellung in den 1980er Jahren, im Titel in die alte Herdersche sprachphilosophische Einsicht mit dem Bild transformiert, dass die gelingende Reflexion nicht bloss den einzelnen Empfindungen und Empfindungsströmen folgt, sondern in derem ozeanischen, also riesigen Gesamtzusammenhang einzelne aktiv zu gewichten imstande ist – durch äusserste Aufmerksamkeit und äusserste Anstrengung. Was jeder weiss und keiner zur Kenntnis nimmt, ist der diskursive Gehalt des Stückes, der Hunger und die Armut in der Welt, derselbst gleichwie alle Momente des musikalischen Werks in ihrer Einzelheit reflektiert und den Aufführenden als Partiturmaterialien präsentiert wird. Das führte in der Realisation zu enormen, indes wie angetönt keineswegs unerwarteten, ungeplanten Schwierigkeiten.

Einer der profiliertesten Chöre sah sich mit Problemen konfrontiert, die über einen langen, mehrwöchigen Zeitraum hinweg das Projekt regelrecht scheitern zu lassen drohten, weil in der Disparatheit und Kleinteiligkeit der Gesangs- und supplementär geforderten Bewegungsmaterialien eine einheitliche ästhetische Idee sich nicht zeigen wollte, und den Playbackwünschen genügten die vorsintflutlichen Computereinrichtungen desjenigen Studios, das zu Zeiten der analogen Aufnahme- und Bearbeitungstechniken am weitesten fortgeschritten war, mit den heute unvorstellbar winzigen Speichern und unausgegorenen Programmen nicht im geringsten. Trotzdem ist das Werk vollendet worden und mit Erfolg beim Publikum zur Aufführung gekommen.

Das Stück dauert ungefähr 20 Minuten und wurde in der gestrigen Radiosendung nach einer halbstündigen Zusammenstellung von Diskussionsausschnitten und Berichten von den Beteiligen aus dem Chor und der „computergesteuerten“ Tonbandproduktion ausgestrahlt. Die Pointe des Stückes beim Hören fast dreissig Jahre nach der Uraufführung ist, dass es musikalisch als so gehaltsreich und schön empfunden wird wie andere aus der Zeit, die avanciert waren und auch dann Neues schaffen wollten, wenn sie nicht in direktem Mass Politisches ins Visier genommen hatten. Die Kunst muss nicht notwendigerweise politisch sein, da wir von der Schuld unserer politischen Ökonomien am Hunger in der Welt auch ohne Gang ins Konzert wissen, aber die Aktivierung des politischen Sensoriums unterstützt die nötige Aufmerksamkeit gegenüber ihren Materialien, deren ästhetische Darstellung das periphere Wissen vom empirischen Detail zu einem notwendigen allgemeinen – zu einem gesellschaftlichen transformieren lässt. Wenn die Medien aufhören, den Kopf in den Sand zu stecken und endlich von neuem beginnen, die Schönheiten der Musik in die Welt zu tragen, steht der Glaube nicht mehr auf verlorenem Posten, dass die Kunst nicht nur Schönes herstellt, sondern auch Bewusstsein schafft, das gesellschaftlich zu wirken imstande ist.

Coop betrügt

17. Februar 2015 um 11:20 Uhr von ur

Jede Woche mindestens einmal ein Einkaufsrisiko beim Coop: die Produkte oder ihre Regale sind mit Aktionen beschriftet, die Kasse aber verlangt den regulären Betrag wie vor oder nach der Aktion. Heute war es die Schokolade, vor vier Tagen Fisch 20%, mehrmals schon die Nüsse, der Salat, die Saucen etc. – Bei der Migros ist der Systemfehler bei den gescannten Kassenpreisen natürlich derselbe.

Xenakis, Rihm

12. Februar 2015 um 21:35 Uhr von ur

Soeben live auf Bayern 4 Peter Sadlo & Friends am 16. Januar 2015 in Erlangen im Rahmen der Reihe „unerHÖRT!“.

Iannis Xenakis, Pléïades.

Wolfgang Rihm, Tutuguri VI.

Zwei kompositorische Fleissarbeiten, schön zum Zuhören in der warmen Stube, in einigen Passagen etwas ins Niedliche gealtert, so dass man in ein verlegenes Lächeln kommt. Wir Greise brauchen zuweilen stärkere Mittel. Die Zwitschermaschine der Meisen im Könizberg- und im Gurtenwald mit vereisten Böden heute hatte das Trommelfell meiner Ohren mehr gekitzelt.

Pelzel, Manoury, Dusapin, Steen-Andersen

11. Februar 2015 um 21:26 Uhr von ur

Soeben live auf Deutschlandradio Kultur vom 21. 1. 2015 Ultraschall Berlin – Festival für neue Musik, Haus des Rundfunks Berlin, Großer Sendesaal: GrauSchumacher Piano Duo, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Leitung: Franck Ollu.

Michael Pelzel, „… chatoiements à l’air…“ für Kammerorchester (2012/13), Uraufführung des Gesamtwerks. – Die Dramaturgie ist gut organisiert, gerät in veritablen Kadenzen aber öfters zu nah an den Abgrund der Tonalität.

Philippe Manoury, „Zones de turbulences“ für zwei Klaviere und Orchester (2013). – Viel Aufregung in einer Viertelstunde, leicht überschärft.

Pascal Dusapin, „Reverso Solo No 6“ für Orchester (2005/06). – Trotz der Ruhe und der harmonischen Zurückhaltung das avancierteste und beste Stück des Abends.

Simon Steen-Andersen, „double-up“ für Orchester (2010). – Eine Kinderei. Zu blöd zum Buuhen, die Berliner.