Archive für 29. März 2011

Leibnizia

Dienstag, 29. März 2011

Gestern im Vorortszug von Luzern, eine Vierzehnjährige verborgen hinter der nächsten Sitzbank, sichtbar nur gespiegelt im Fensterglas, pausenlos ihr musikalisches Fingertippen aufs Handy, in der rhythmischen Vielfalt und tipperlnden Zärtlichkeit wie das Leben selbst, das man durch nichts ersetzt haben möchte. Dann ein erstes Gespräch, eine Verabredung mit einem Freund oder einer Freundin, in ein paar Minuten vor der Kirche dann. Bald darauf ein gefasstes, ernstes – mit der Mutter. Sicher bin ich in einem Zug später als abgemacht, aber doch nur in einem einzigen später. Versteh mich doch bitte, ich hatte mir so Mühe gegeben. Glaube mir, es war alles bestens organisiert, ich hatte die Sachen gepackt und ich war gerannt. Ich hatte den Zug nur knapp nicht mehr berühren können, als er schon am Davonfahren war. Glaube mir doch, das muss einer erst mal können! Am anderen Ende wird eine Aufgewühlte gesagt haben, du Luder, und knapp nicht denken, wirst nie so schlimm gewesen sein wie ich es war. Die Kleine wird noch diesen Sommer gross werden, ein Röcklein tragen luftiger als der duftende Arsch und gegen alle Anfeindungen der Alten sagen: Das muss man erst mal können, einen so kleinen Rock tragen und es ist immer noch einer! Infinitesimal kurz vor dem Ziel innegehalten verlangt nach mindestens soviel Applaus wie der schlappe Erfolg selbst – ein Einspruch des Lebendigen gegen das Ideale, der nicht wenig einzuleuchten scheint. Ein Bewunderer ist ihr sicher.

Schäbig, lumpig: ich

Dienstag, 29. März 2011

Gestern in der Wirklichkeit eine sehr Schöne im Zug, N. N., die am Handy eine Sprache sprach, die zuerst wie Finnisch klang, dann Isländisch, dann wie eine aus dem Baltikum, schliesslich dann aber wie eine, die mir in den Genen liegt, die ich aber ebenso wenig verstehe wie die anderen. Nach dem Aussteigen ging sie hundert Meter weit geradewegs vor mir, wo ich ihre hellbraunen und sehr langen Haare genoss, übers Röckchen herab, bis sie abzweigte. Im Traum war sie nun bei D., die in Wirklichkeit das Haus vor ein paar Jahren verliess, in der Nachbarwohnung zu Besuch. Es war abgemacht, dass sie beide bei mir vorbeikämen. Ich hörte sie in der Wohnung ihre Sprache sprechen, und eh ich’s versah, gingen sie nach draussen, fort auf einen Spaziergang. Die geographische Umgebung war nicht die der Wirklichkeit, sondern ein Dorf in den Bergen – und es war ein sonniger Sonntag Nachmittag. Ich öffnete das Fenster, hielt eine dunkle Weinflasche in die Höhe und rief ihnen etwas zu, deutsch, wie D. es versteht und spricht. Ich rannte zum Haus hinaus und fand sie sogleich in einer Kurve unter einem Baum, wo N.N. auf dem Boden sass und D., nicht minder schön, daneben stand. D., die immer kurze Haare trug, war wütend, um so entzückter N.N., versonnen in ihren langen Haaren. D. sprach Deutsch und ihre Sprache von zu Hause aus, N.N. fast nichts, weil sie so auf die Flasche fixiert war, aus der es stank wie es stinkt, wenn eine angebrochene Weinflasche mehrer Tage lange offen stehenbleibt. Ich hatte gewonnen, und wir gingen zu dritt Richtung Haus zurück. Dieser Sonntag wird schön.