Tosender Sturm in den Bergen, ich sitze auf einer Art Ladebühne eines Alpintaxis, in dem mich einer trotz der Witterungsgefahren gegen ihn in die Höhe fährt, wo ich eine Hütte fotografieren muss, weit ab von der angefahrenen Haltestelle. Die ganze Szenerie ähnelt einer Schlittenfahrt in Transsilvanien. Ich frage mich, ob der Fahrer tatsächlich warten wird, bis ich zurückkomme, oder ob er sofort umkehrt und dann, kaum unten angekommen, nochmals wendet und mich oben wieder abholen wird. Grosse Verwirrtheit in meinen Gedanken, bei diesem Höllenlärm, eine ebensolche beim Aufwachen.
Zusatz 27.1.2012, 15 Uhr: Vor zwei Wochen entdeckte ich im Internet das Bild einer Hütte, die ich nicht kenne. Ich sagte dem Fotografen, ich sei daran, die Stelle ausfindig zu machen – er solle mir aber nicht sagen, wo sie zu finden sei. In seiner eigenen Beschreibung beim veröffentlichten Bild nennt er die Höhe von 2500m und dass weder ein Weg zu ihr hinführe noch dass sie auf einer Karte eingezeichnet sei. Ich nannte ihm diverse Plätze, wo ich sie dank wenigen Indizien vermuten würde, umfassend das ganze Unterwallis von den Diablerets und dem Grand Combin bis zum Mont Dolent und den Dents Blanches (Plural), nur das Val d’Anniviers und das Val d’Hérens schienen mir ausser Frage. Er antwortete, die Hütte sei in diesem Gebiet, ich möge sie aber bitte nicht bekannt machen. Da es sich um keinen Stall handelt, kann ich dem Wunsch leicht entsprechen – mich interessierte die Herausforderung, aus minimalen Geländeangaben einen Walliser Ort im Gebirge ausfindig machen zu können, mit allen gegebenen Hilfsmitteln. Seither suchte ich jeden Tag mindestens sechs Stunden lang, fast unaufhörlich mit Google Earth wie in einem Helikopter durch die Täler manövrierend. Vor einer Stunde notierte ich mir drei Stellen, die ich dem Autoren vielleicht in einem Moment allerhöchster Verzweiflung präsentieren würde. Ein anderer Suchweg neben Google Earth war Google Bilder, wo ich alle möglichen Flurnamen auf den 25’000er Karten abfragte, mal mit, mal ohne Cabane, Abri, Chalet oder Refuge. Da er der Hütte den Namen gibt, der in ihrem Inneren wohl notiert steht, habe ich denselben auf diverse Arten abgewandelt, vor einer halben Stunden so fahrlässig schlecht, dass die Suchabfrage gelingen musste: die Hütte hatte auch ein anderer fotografiert, als Fremdsprachiger ihr Name aber unkorrekt im Gedächtnis behalten und via Panoramio auf Google Earth veröffentlicht. Auf Google Earth?! Nun ja, ich hatte eben komplett vergessen, dass Google Earth Bilder auf dem Gelände anbietet und dieselben dummerweise immer ausgeschaltet gelassen… Neodoofer ich: wären die Bilder während meiner Reisen auf Google Earth eingeschaltet gewesen, hätte ich die Hütte am ersten Tag gefunden gehabt und nicht nach zwei Wochen, und der Sturmstalltraum wäre der Welt erspart geblieben. – Was man auf dem Bild sieht? Eine kleine Trockensteinhütte mit zwei Fenstern liegt an einem Hang zuoberst am Grat, der eine Passmulde bildet. Fotografiert wurde von der rechten Steigung des Passes, also von oben gegenüber der Hütte, von unten gegenüber dem Grat, an dem die Hütte liegt. Die Gesamtrichtung ist also die Steigung des Grates selbst. Er verschwindet in einem riesigen Geröllhang, der seinerseits oben links in einer halb gefalteteten Moränenkante schliesst. Weit im Hintergund dieses Abschlusses sieht man einen plattigen, nur wenig durchsetzten senkrechten Turm, ohne Schnee, links von ihm eine weitere Bergspitze, deren Oberflächenbeschaffenheit sich wegen des Schattens nicht deuten lässt. Das Sonnenlicht kommt von links quasi zur Hütte herauf, ohne dass daraus die Himmelsrichtung des Bildes sich fixieren liesse. Es mussten also alle Grate im Unterwallis abgeflogen und auf den Karten nach weglosen Passmulden abgesucht werden. Schade, schade, schade, dass das Rätsel gelöst werden konnte: es war keine schlechte Zeit, Google Earth virtuos beherrschen zu lernen!
50’000er Karte
Es ist sehr schwierig, Google Earth an dieser Stelle so zu positionieren, dass der originale Bildausschnitt dargestellt wird (ausgerechnet die helikoptertypische senkrechte Auf- und Abwärtsbewegung ist nicht möglich). Die Hütte wäre ganz unten, links hinauf alles Geröll, darüber und dahinter ein oder zwei Türme. Die oben erwähnten drei Plätze sehen genauso aus, sind aber bedeutend leichter anzusteuern. Hier hat der Google Earth Pilot äusserst grosse Schwierigkeiten, in die Passlücke als Parklücke hineinzukurven, weswegen diese Stelle am Schluss nicht mehr in die enge Wahl geraten wäre.
Original: nur die Topologie interessierte mich und wo sie im Ganzen zu finden wäre, nicht die Hütte selbst, deren Zugänglichkeit derjenigen der Solvay- und Mittellegihütte ähnelt.