Archiv für den 'Traum'-Themenbereich

Neue Bahnlinie

Samstag, 4. Mai 2013

Langer Traum in den Bergen, offenbar Familienausflug, gegen das Ende hin. Ich bin mit dem über neunzigjährigen Vater auf einem steilen Chaletdach aus rostigen Platten, versteige mich, so dass wir auf den harten, scharfen Kanten zurückklettern und, immer noch auf dem komplizierten, verwinkelten Dach, einen neuen Weg finden müssen. Wir gelangen auf einen Balkon, wo uns die Besitzerin überrascht, uns aber freundlich den Ausweg zeigt. Dann sitze ich im Intercity, zuvorderst, es ist tiefe blaue Dämmerung, vor allem links, aber auch ein wenig noch rechts spiegelndes Licht, auf dem Genfersee von St-Gingolph Richtung Lausanne unter tiefliegenden, im Westen offenen Wolken. Der Zug ist äusserst schnell, ich brülle wegen der Schönheit, vor mir nur die schönste Walliserin, die ich gestern im Zusammenhang eines Wettbewerbes im Internet entdeckte, auf einem eigenen Sitz oder nicht, durch ihre langen Haare sehe ich über die Zugspitze hinaus, wie wir über den See brausen als gäbe es keine Brücke.

Prinzessinnengewänder

Montag, 1. April 2013

Ich bin in einem alten Haus, alles sehr alt aber vornehm, mit meinen Sachen, also vielleicht in der eigenen Wohnung, vielleicht sonstwo. Ich nosche herum und gehe früh zu Bett, in alte Leintücher mit dicker weisser Bettdecke. Direkt ein Meter ob meinem Kopf ein Zierholz, das aus der Wand kommt; es bewegt sich, als ob es im Wind stünde. Dann sehe ich, wie eine Maus im Holzwinkel in einem Spinnennetz am Fressen ist. Das ist ärgerlich, denn ich muss aktiv werden, wenn ich nicht mit Mausescheisse eingedeckt werden will. In dem Moment geht am Bettende die Zimmertür auf, und eine weisse Frau mit schwarzen Haaren bringt hurtig, mit erstauntem Blick darüber, dass ich schon schlafen gegangen bin, ein Postpaket herein, ziemlich gross und weich. Sie packt es aus: schöne Stoffe in den mittelalterlichen Farben Gold, Rot und Blau. Sie wirft sie um sich und wird zur echten Prinzessin, ich die Augen weit offen. Dann wirft sie nochmals solche Tücher in die Luft, und eine zweite, deutlich jüngere und verspieltere erscheint, auch in diesen schönen Tüchern. Sie hat eine Aufgabe und kommt an mein Bettende, wo sie wiederum die Tücher, offenbar immer wieder neu aus dem Paket gezogene, in die Luft wirft, laut losgiggelt und sich in ihnen selbst fesselt. Doch dann bemüht sie sich um Ernst und will ihre Aufgabe erledigen, mich mit den Tüchern einzupacken. Siehe da, es gelingt ihr, ich werde von oben mit den Stoffen eingefangen und bin gespannt, was passiert, und wache als Tor auf.

Santiago de Chile

Montag, 1. April 2013

Gestern Abend auf SRF2 Sendung über Violetta Parra, dabei über die negative Vorwegnahme in der Poesie nachgedacht und ob ihr wirklich immer zu trauen und zu vertrauen sei. – Soeben ein langer Traum, in dem ich, das Spanische hundertprozentig nichtsprechend, ohne Vorbereitung von Phrasen auf Zetteln nach Santiago reise, um jemanden zu finden. An einer Bahnhofstation, die später zu einer Bergbahnstation mutiert, sehe ich einen, der sich wie der Chef einer Gruppe benimmt, vielleicht einer Gruppe von Chauffeuren oder Kondukteuren, und der der Gesuchte sein könnte, durch Zeichen gelingt es endlich, in der riesigen Menschenmenge mit ihm in Kontakt zu gelangen, wo er mich des Langen und Breiten verhöhnt, weil ich kein Wort der Sprache spreche und ihm nichts zu zeigen hätte, nach dem er sich richten könnte. Trotzdem scheint er zu bestätigen, der Gesuchte zu sein, und ich frage ihn nach Cäcilia W. und Anita W., nicht im Traum aber in Wirklichkeit seine Schwestern, worauf er wieder in Hohn und Spott verfällt und mir tausend Frauennamen aufzählen will, und alle würde er sie kennen und ich keine. Ich solle brav nach Hause gehen, sehe auf der Bahnhofsuhr, dass ich die weite Reise mit dem Ergebnis von weniger als 20 Minuten Aufenthalt gemacht habe, zeige auf umständliche Weise, so dass alle unnützen Utensilien aus den Hosensäcken fallen, mein Billet, darf, wie realiter 2008 auf der Dent du Midi, alle Wartenden überholen, in die Bahn steigen und beschämt die Rückreise antreten.

Lastwagenfahrer

Sonntag, 17. März 2013

Auf einem Balkon mit F und n, ich schaue hinüber, wo einer auf die Ladefläche eines Lastwagens springt und sich an der hinteren, nur 30cm hohen Ladewand mit einem mitgebrachten Sitz arretiert, aus hellblauem Luftschaum. Sofort fährt der Laster davon, nimmt eine scharfe Linkskurve nach unten und stoppt heftig. Der Arbeiter ist verletzt; aus der Kabine des Fahrers sind seltsame Töne vernehmbar, als ob sie die Verletzung heilen würden. Offenbar sind es Zeichen der Zerstörung, denn der Arbeiter löst sich Schicht für Schicht samt seines Sitzes von hinten nach vorne auf, unter Schreien. Im Moment, da er gänzlich verschwindet, verschwinden auch der Lastwagenfahrer, den ich nie gesehen, nur gehört habe, und die beiden Frauen F und n. Für mich nur ein Angstblitz, ich gehe nach rechts durch die gläserne Balkontür ins Innere und erwache.

Grüsse von oben mittags

Samstag, 27. Oktober 2012

Ich spaziere und münde, wie auf dem Schulweg gehend, in die Wohnstrasse der ersten acht Lebensjahre ein, nachmittags bei grossem Sonnenschein, als ich in den Himmel schaue und ein Flügelstück eines Flugzeugs sehe, wie es schnurstracks auf mich runtersaust und mich haargenau getroffen hätte, wenn ich eine kurze Pause vorhin nicht früher abgebrochen hätte. Ich nehme es als gutes Zeichen und dafür, dass man manchmal auch mit einer Schramme davonzukommen vermag.

Lumpenschläfer

Dienstag, 16. Oktober 2012

Aufgestanden, nachdem ich merkte, Opfer einer musikalischen Täuschung geworden zu sein: ich lauschte im Halbschlaf dem unmusikalischen Donnern eines Discostücks aus der Ferne irgendwo im Gebäude, wunderte mich ob der Aktivitätsfreude der Leute um diese Frühmorgenszeit und kapierte endlich, dass ich mich über den eigenen Herzschlag zu ärgern begann.

Seit Wochen gibt es keine durchgeschlafenen Nächte mehr, sondern wie um 2002 nur noch den Bewältigungsversuch einer unendlich langen Serie von Schlaffetzen, mitunter bloss zweiminütigen Schlafstücken, gefüllt mit Träumen, heute ausnahmsweise ohne Alpdrucke. Viele Träume sind so kurz wie die Schlaffragmente selbst und nicht der Rede wert, andere in längeren Schlafpartien wie Einblicke in ein ganzes Parallelleben, Mitte Nacht einer mit Frau und Tochter in einem schlossähnlichen Wohnhaus mit hohen Wänden, sehr verliebt die ganze Traumstrecke, in der die Tochter, kaum zwanzigjährig, die Züge von Di annahm, die den grossen Tigersprung der Karriere schaffte und mir kürzlich, noch schöner als je, ausserordentlich glücklich erschien, geradewegs so, wie sie es auch mit festem Willen und Entschluss geplant hatte. Andere sind debil wie der übliche Traumsatz und stellen Rätsel, die einen nur weiter in die Bedrängnis stossen. Soeben gewann ich den ersten Preis in einem Rennen, das ich offenbar seit Jahren mitzumachen pflege. Ohne gelernt zu haben, zwischen Gas- und Bremspedal zu unterscheiden, bin ich der Fahrer eines der schwersten Lastwagens der Welt, mit mehreren grossen Anhängern hintereinandergekuppelt. Es ist die Aufgabe in diesem Rennen, die höchste Brücke ausfindig zu machen und mit dem schwerstmöglichen und längsten Lastwagen zu überfahren. Als Kenner der Berge war mir das Aufstöbern der Brücke eine leichte Sache, doch wie ich zum Manoeuvrieren eines Fahrzeugs komme, ist mir schleierhaft. Nichtsdestotrotz kurvte ich virtuos das Gebirge hinauf und überquerte sicher die Brücke, jedenfalls mit der Nase des Lasters. Auf der anderen Seite blieb ich dann stecken, weil ich zu viele Anhänger hatte, die alle miteinander die Kurven nicht zu bewältigen vermochten. Trotzdem wurde mir der erste Preis zugesprochen, den ich indes nicht lange behielt, kaum länger als ein paar Sekunden. Vor der Brücke ist, auch jetzt der Allgemeinheit noch einsehbar, eine Fahrverbotstafel aufgestellt. Merde!

Mittagsschläfchen

Freitag, 12. Oktober 2012

Powernap vor der zweiten Tagesrunde des Neustitchens der Panoramen mit Hugin (Beginn war 03 Uhr). Ich träume, auf dem Sofa zu liegen. Su und Mo sind da, und beide geraten sich in die Haare. Su legt sich schutzsuchend zu mir, die jüngere Mo streckt ihr die Zunge raus. Was gibt es Besseres als ein Mädchen zu trösten wegen eines anderen. Ich erwache und liege wie im Traum auf dem Sofa. Aber die Mädchen sind nirgendwo.

Vipern

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Gestern Nachmittag mit dem Inselarzt am Computer Szintigrafie- und CT-Bilder von 2002, 2006 und von diesen Tagen angeschaut und darüber gestaunt, wie viele Nester von Chondromen es gibt. Eines steht fest, dass von allen diesen nur das eine im linken Acromion wächst und dass die Verwachsung vom Schulterblatt nicht getrennt ist (im gesunden Zustand ist das Acromion zwar mit dem Schlüsselbein verbunden, pseudogelenksmässig, nicht aber mit dem Schulterblatt). Ob das Wachstum ungebremst weiter geht und ob das Gebilde bereits mutiert ist oder früher oder später mutiert, wird erst noch untersucht. Wie auch immer der Zustand in dieser Nachäffung von Tschernobyl und Fukushima zu deuten ist – die vergangene Nacht hatte ich ununterbrochen von Vipern geträumt, auf eine so bösartige Weise, wie man sie sich nicht zu träumen wagt. Beim letzten Aufwachen schien mir endlich klar, dass ich die ganzen Jahre die Vipern nicht aus dem Grunde der Herausforderung eines kleinen Abenteuers fotografierte, sondern aus verborgenen Gründen der reinen Mimesis des eigenen Körpers selbst, in alter Sprache des Leibes. Im Moment des Aufwachens tat mir dieser Missbrauch der Tiere leid.

Scharfer Goldfaden

Mittwoch, 19. September 2012

Zurzeit nur Alpträume. Soeben ein besonders grausiger: Ich bin in Paris auf der Flucht, durch viele Gassen und Häuser, zusammen mit einem unbekannten Anderen. Am Schluss Angriffsvorbereitung durch einen einzelnen Verfolger in einer Küche, wo er eine Art goldenes Riesensägeblatt in den langen Armen hält und damit auf mich zu kommt. Filmschnitt, nun nicht mehr aus meiner Sicht sondern aus derjenigen des Dritten. Er schleicht sich in die Küche, hat einen goldenen Faden, aus dem das Sägeblatt gemacht war, lässt den Angreifer kommen und zieht ihm den Faden horizontal gespannt frontal durch den Kopf. Der Angreifer merkt es nicht korrekt, will seinerseits die Säge hochziehen, als im Moment des Aufwachens sein Kopf auseinanderfällt.

Boulez, Grisey, Manoury

Montag, 10. September 2012

Soeben live auf France Musique Concert enregistré le 21 juillet à Briançon, Eglise des Cordeliers, dans le cadre du festival Messiaen au pays de la Meije.

Pierre Boulez (né en 1925), Anthèmes II pour violon et électronique, Malika Yessetova, Constance Ronzatti, Da-Min Kim, violons, Andrew Gerszo, réalisation informatique musicale Ircam.

Gérard Grisey (1946-1998), Prologue pour alto solo, Noémie Bialobroda, alto.

Philippe Manoury (né en 1952), Partita II pour violon et électronique (création mondiale), Hae-Sun Kang, violon, Serge Lemouton, réalisation informatique musicale Ircam.

Gestern Nacht in einem Traum das beste je gehörte Stück gespielt, ich selbst Solo an der Flöte mit wenig Elektronik, auf einer Bühne mitten im Publikum, aber so, dass man mich nicht sehen konnte. Ich war so baff über die wundersame Musik, dass ich nach dem Aufwachen noch eine halbe Stunde über sie nachgesonnen hatte. Leider bin ich so dumm, dass ich sie jetzt wieder vergessen habe und sie auch nie hätte aufschreiben können, geschweige denn jemals, auch früher nicht, sie selbst spielen. Wegen des Traumerlebnisses kamen mir die Stücke heute Abend alle drei gleichwie ungelenk vor, ihre supplementäre Elektronik trotz der schönen Stellen wie ein unbewältigter Klumpfuss. Bei Anthème II dünkte es mich, technisch wäre etwas schief gegangen, Grisey langweilte mehr als jeder Jodler, und Manourys Stück tönte wie das Warten an einem Sonntagmorgen in einem Bergdorf unterm ewig dauernden Kirchengeläut, auf das hin einem der Braten schliesslich doch noch vorenthalten wird.

Postüberfälle

Mittwoch, 22. August 2012

Ich wache auf, weil es sich nicht mehr weiter verheimlichen lässt, dass ich an mindestens einem schweren Postüberfall mit Gewalt mitbeteiligt war, in einer Szene nicht ohne surrealistischen Beigeschmack, wo ich in weiter Ferne einen Vogel ausmache, der sich an einer Hausmauer tarnt und der mir gehört.

Dummes, knechtisches Unbewusstes, das nicht wahrhaben will, dass man einen brennenden Arm haben kann auch ohne Schuldursache!

Als wäre 10 = 1

Donnerstag, 2. August 2012

Ich wache in der Meinung und im Gefühl auf, im Traum auf der Flucht gewesen zu sein und mich immerzu versteckt gehabt zu haben oder auf der Suche nach einem Versteck gewesen zu sein, habe aber als letztes Bild einen Kühlschrank, aus dem soeben eine junge Gemse genommen wurde, die in einer Papiertüte steckt, so klein und beschaffen wie sie die Bäckereien für die kleinen Backwaren benutzen. Sogleich aber kommt mir die tatsächliche Flucht in den Sinn und wie ich mich in der eigenen oder in einer fremden Wohnung vor Verfolgern, die mir offenbar bekannt sind, verstecke. Stück für Stück zeigen sich aber die anderen Traumsequenzen, keineswegs in der abgelaufenen Reihenfolge wie sie jetzt hier dargestellt werden. Auf der Flucht muss ich aus der Wohnung, befinde mich auf der Strasse, wo ich auf anderen Strassenstücken mindestens eine böswillige Person aus dem wirklichen Leben sehe, wie sie mich aufsuchen will, wo ich aber alsbald einer Gruppe religiös Gläubiger aus einem anderen Erdteil den nackten Arsch zeige – was ich nicht zuletzt wegen des Schamfluchs, der auf der Beschaffenheit meines Körpers haftet, niemals tun würde, ganz abgesehen von den moralischen Impulsen, die mich nicht zu einer solchen Handlung anzutreiben vermöchten. Die Gruppe von Leuten, knapp zehn Personen beiderlei Geschlechts und Alters, schütteln den Kopf über mein Gebaren, vielleicht sagt jemand unter ihnen, man sollte mich schlagen, das ist aber ungewiss, und ich befinde mich in einem anderen dörflichen Quartier, wo man auf der Strasse fast wie auf dem Markt einkaufen kann. Ich wähle unter verschiedenen Fleischkäsesorten, zum Bezahlen ist niemand da, und doch bin ich plötzlich an einer Kasse, reklamiere, weil andere vor mir bezahlen können, nehme aber sofort meinen Protest zurück, „klar, ich habe mich geirrt“ – „kein Problem, Sie!“, will nun essen gehen und gerate in ein Waldstück, sehr steil, gerade an der oberen Waldgrenze, wo es Gemsen zu fotografieren gibt. Ich gehe in Position, da kommt ein Fuchs, gleich gross wie die jungen Gemsen, packt eine, und es gibt einen wilden Kampf, in dem beide durch die Luft wirbeln. Der Fuchs verbeisst sich ins junge Tier, und sowohl die Kämpfenden wie ich selbst rutschen den Hang runter, als ob in ihn ein Schnitt gezogen worden wäre und der Hang selbst ins Rutschen geraten wäre. Nun sind die Tiere auf meiner Höhe, benommen oder bewusstlos, und ich packe beide in kleine Tüten aus der Bäckerei, öffne einen Kühlschrank und schliesse sie dort ein.

Wenn nicht der Traummechanismus überhaupt itiotisch ist, ist das der Traummechanismus eines Vollidioten, nichts, das man fürderhin in Rücksicht behalten sollte. Man denkt beim Aufwachen und fühlt es intensiv, soeben einem Alptraum entronnen zu sein, doch zwischen dem Alptraum und dem Aufwachen geschehen beliebig viele Episoden, die willkürlich, also dumm, aneinandergereiht sind.

Letzte Fahrt fürs Postauto

Montag, 30. Juli 2012

Lange Passfahrt in einem Postauto, die Strasse ist sehr breit, wie eine Autobahn, ohne Haarnadelkurven. Es ereignen sich viele Beinaheunfälle, in denen nur mit Glück nichts und niemand zu Schaden kommt. Nun eine Konstellation in Schnellfahrt, in der das Unglück geschehen muss, und ich verfolge es vom Sitz hinten links durch die Scheibe. Im letzten Moment das Ganze im Zeitlupentempo: man sieht den Entgegenkommenden, in den frontal geknallt werden muss, wie er im letzten Moment rückwärts (!) hinter den Wagen zurückspurt, den er am Überholen ist. Es ist ein SOS-Auto des Touring-Clubs, mit einem Meister des Fahrens also. Nun scheint sich unser Postautochauffeur zu verwandeln, ohne angehalten zu haben. Beim nächsten, bereits geschehenen Unfall auf der Gegenfahrbahn fährt er zu, als ob er halten möchte, gibt aber dem Auto einen letzten Ruck, so dass es über die Leitplanken hinweg oder hindurch hinter dem Wagen, der zertrümmert im Bord liegt, mit Achsbrüchen und sonstigen Schrammen zu stehen kommt. – Ich sehe mich ausserhalb des Postautos auf der Fahrbahn bei den anderen Unfallwagen, die vor unserem simulierten, gewissermassen selbstmörderischen Unfall ineinandergeputscht zum Stehen kamen, schaue über die zertrümmerte Leitplanke hinab zum Postauto im Hang mit Felsblöcken und Gestrüpp, betrachte den desertierten Chauffeur in halbweiter Distanz: er erscheint als Held, der trotzdem mit Fug auf seine Verhaftung wartet.

Dritter Gewalttraum

Freitag, 27. Juli 2012

Nach zwei Stunden endlich Einschlafen (die Stäbe geben keine Ruhe, als ob sie sich wie Brennstäbe nicht mehr kühlen liessen, trotz Rucksack- und Computerabstinenz). Man wird aus dem Haus gelockt und merkt erst später, dass man keines mehr betreten darf. Alle werden zusammengetrieben, bekommen die unterschiedlichsten Uniformen. Zeugnisse sind Makulatur und werden als solche gedeutet, dann zerrissen. Die in den schönsten Uniformen sind die Entschiedensten, „Entschlossensten“. Man wird gewahr, dass man es zu spät gemerkt hat. Es ist kein Unglück geschehen: es sind nur die einen, die die anderen treiben.

Zweimal Gewalt

Donnerstag, 26. Juli 2012

Ich bin mit jemandem, jung oder alt, Mann oder Frau unbekannt, in einer Hütte; wir müssen raus aus der Bretterbude, die ich genau so verschliesse wie hier unten mein Kellerabteil, mit einem Klämmerli (damit keine Katze die Türe aufstossen und im Innern scheissen gehen kann), wo wir sofort von der Polizei verfolgt werden. Aufwachen, bevor das Glück entschieden ist.

Sofort wieder eingeschlafen. Ich bin, ungewissen Alters, mit einem Mädchen in einem Spitalzimmer, uns gegenüber eine Frau, nicht unschön, leicht älter, knapp über 25. Sie droht uns, sagt, es geschähe etwas, wenn sie zurückkommt, sie kille U. Also verlässt sie das Zimmer. Wir bewaffnen uns mit Haselstecken, ziemlich dünnen und kaum nützlichen. Trotzdem bekämpfen wir sie unerbittlich, nachdem sie beim Wiederintreten sofort auf U. mit leuchtender Munition einschiesst, und ich versuche, mit dem dünnen Stecken ins Auge zu treffen. Sie ist wendig und spottet im Kampf. Ich ziehe wie beim Fussball oder Kungfu auf und kicke ihr, ob aus dem Bett oder im Zimmer stehend ist ungewiss, mit voller Kraft filmreif in die Kinnlade. Da es heiss ist, liege ich nicht unter der Decke und knalle meinen wirklichen rechten Fuss voll in die Wand linker Seite. Es macht einen grossen Bumm, von dem das ganze Haus erwacht, ich höre Türen im Treppenhaus – für sie ist allerdings kaum schon Schlafensnacht.

Habermaswettbewerb

Mittwoch, 25. April 2012

Ich sitze auf dem Dorfplatz in Frankfurt mit Kopfsteinpflaster, also Gegend des Römers, einer von vielen in einer offenen Beiz, jeder an einem eigenen Tisch mit vielen Papieren, um die runden Tischchen herum Beratertroupeaus. Wir sind Kandidaten und Kandidatinnen eines Wettbewerbes, und jeder hat eine eigene Aufgabe, gestellt von einer Zeitung zusammen mit einer öffentlichen Persönlichkeit. Bei mir wurde, aus Zufall eher als durch Adressierung, die Frage von Habermas formuliert, quasi gesponsert durch Die Zeit. Ich habe Mühe, im Haufen der Papiere einen unbeschriebenen Schreibblock zu finden, jemand hilft, und die Arbeit beginnt. Der Text von Habermas hat es in sich, aber ich bin gut gelaunt, mache Notizen. Daraus wird eine Liste, von der mir schnell klar wird, dass sie mich zu Fall bringt, weil durch diese Hilfsarbeit zu viel Zeit vergeudet wird. Es entsteht ein Towoobahoo, und bald bin ich zwanzig Meter über dem Boden, von einer langhaarigen Blonden wie das Raubopfer eines Adlers in den Klauen festgehalten, sie selbst an der Leine eines Helikopters festgemacht. Ziemlich viel materieller Aufwand, für eine studentische Aktion, kommt es mir in den Sinn, den Wettbewerb haben sie jetzt schon verunmöglicht … und meine Schulter? Der Traum bleibt in dieser Frage schwankend, ob das Ganze im Heute geschieht oder 1992. Eindeutig ist nur, dass die Brille irgendwo auf dem Boden liegt und wohl jetzt schon zertreten ist.

Gestern ein Bild in der Zeitung angestarrt, der junge Axel Springer, und dabei gedacht, man muss doch ziemlich ein Schweinehund sein, wenn man das Leben meistern will.

Am Abend auf Bayern 4 Debussys Pelléas et Mélisande mit dem Orchestre de Paris, Leitung: Louis Langrée, Aufnahme vom 15. April 2011 im Théâtre des Champs-Élysées, Paris. Ich sehe keine Spuren dieses Werks im Traum, auch wenn ich während des Schreibens jetzt, seit dem Aufwachen, mit Genuss wieder mitten in dieser Musik stecke. Zum ersten Mal hat mir der letzte Akt eingeleuchtet: er wird in einer szenischen Darstellung leicht zum Problem, weil er zu viel an Äusserlichkeit enthält, die den Gehalt, der nur auf Inneres zielt, förmlich wegdrückt. Hört man nur die Musik, sind auch die Stimmen mit den Worten folgerichtig und nichts Aufgesetztes.

Sturmstall

Dienstag, 24. Januar 2012

Tosender Sturm in den Bergen, ich sitze auf einer Art Ladebühne eines Alpintaxis, in dem mich einer trotz der Witterungsgefahren gegen ihn in die Höhe fährt, wo ich eine Hütte fotografieren muss, weit ab von der angefahrenen Haltestelle. Die ganze Szenerie ähnelt einer Schlittenfahrt in Transsilvanien. Ich frage mich, ob der Fahrer tatsächlich warten wird, bis ich zurückkomme, oder ob er sofort umkehrt und dann, kaum unten angekommen, nochmals wendet und mich oben wieder abholen wird. Grosse Verwirrtheit in meinen Gedanken, bei diesem Höllenlärm, eine ebensolche beim Aufwachen.

Zusatz 27.1.2012, 15 Uhr: Vor zwei Wochen entdeckte ich im Internet das Bild einer Hütte, die ich nicht kenne. Ich sagte dem Fotografen, ich sei daran, die Stelle ausfindig zu machen – er solle mir aber nicht sagen, wo sie zu finden sei. In seiner eigenen Beschreibung beim veröffentlichten Bild nennt er die Höhe von 2500m und dass weder ein Weg zu ihr hinführe noch dass sie auf einer Karte eingezeichnet sei. Ich nannte ihm diverse Plätze, wo ich sie dank wenigen Indizien vermuten würde, umfassend das ganze Unterwallis von den Diablerets und dem Grand Combin bis zum Mont Dolent und den Dents Blanches (Plural), nur das Val d’Anniviers und das Val d’Hérens schienen mir ausser Frage. Er antwortete, die Hütte sei in diesem Gebiet, ich möge sie aber bitte nicht bekannt machen. Da es sich um keinen Stall handelt, kann ich dem Wunsch leicht entsprechen – mich interessierte die Herausforderung, aus minimalen Geländeangaben einen Walliser Ort im Gebirge ausfindig machen zu können, mit allen gegebenen Hilfsmitteln. Seither suchte ich jeden Tag mindestens sechs Stunden lang, fast unaufhörlich mit Google Earth wie in einem Helikopter durch die Täler manövrierend. Vor einer Stunde notierte ich mir drei Stellen, die ich dem Autoren vielleicht in einem Moment allerhöchster Verzweiflung präsentieren würde. Ein anderer Suchweg neben Google Earth war Google Bilder, wo ich alle möglichen Flurnamen auf den 25’000er Karten abfragte, mal mit, mal ohne Cabane, Abri, Chalet oder Refuge. Da er der Hütte den Namen gibt, der in ihrem Inneren wohl notiert steht, habe ich denselben auf diverse Arten abgewandelt, vor einer halben Stunden so fahrlässig schlecht, dass die Suchabfrage gelingen musste: die Hütte hatte auch ein anderer fotografiert, als Fremdsprachiger ihr Name aber unkorrekt im Gedächtnis behalten und via Panoramio auf Google Earth veröffentlicht. Auf Google Earth?! Nun ja, ich hatte eben komplett vergessen, dass Google Earth Bilder auf dem Gelände anbietet und dieselben dummerweise immer ausgeschaltet gelassen… Neodoofer ich: wären die Bilder während meiner Reisen auf Google Earth eingeschaltet gewesen, hätte ich die Hütte am ersten Tag gefunden gehabt und nicht nach zwei Wochen, und der Sturmstalltraum wäre der Welt erspart geblieben. – Was man auf dem Bild sieht? Eine kleine Trockensteinhütte mit zwei Fenstern liegt an einem Hang zuoberst am Grat, der eine Passmulde bildet. Fotografiert wurde von der rechten Steigung des Passes, also von oben gegenüber der Hütte, von unten gegenüber dem Grat, an dem die Hütte liegt. Die Gesamtrichtung ist also die Steigung des Grates selbst. Er verschwindet in einem riesigen Geröllhang, der seinerseits oben links in einer halb gefalteteten Moränenkante schliesst. Weit im Hintergund dieses Abschlusses sieht man einen plattigen, nur wenig durchsetzten senkrechten Turm, ohne Schnee, links von ihm eine weitere Bergspitze, deren Oberflächenbeschaffenheit sich wegen des Schattens nicht deuten lässt. Das Sonnenlicht kommt von links quasi zur Hütte herauf, ohne dass daraus die Himmelsrichtung des Bildes sich fixieren liesse. Es mussten also alle Grate im Unterwallis abgeflogen und auf den Karten nach weglosen Passmulden abgesucht werden. Schade, schade, schade, dass das Rätsel gelöst werden konnte: es war keine schlechte Zeit, Google Earth virtuos beherrschen zu lernen!


50’000er Karte


Es ist sehr schwierig, Google Earth an dieser Stelle so zu positionieren, dass der originale Bildausschnitt dargestellt wird (ausgerechnet die helikoptertypische senkrechte Auf- und Abwärtsbewegung ist nicht möglich). Die Hütte wäre ganz unten, links hinauf alles Geröll, darüber und dahinter ein oder zwei Türme. Die oben erwähnten drei Plätze sehen genauso aus, sind aber bedeutend leichter anzusteuern. Hier hat der Google Earth Pilot äusserst grosse Schwierigkeiten, in die Passlücke als Parklücke hineinzukurven, weswegen diese Stelle am Schluss nicht mehr in die enge Wahl geraten wäre.


Original: nur die Topologie interessierte mich und wo sie im Ganzen zu finden wäre, nicht die Hütte selbst, deren Zugänglichkeit derjenigen der Solvay- und Mittellegihütte ähnelt.

Vier Wohnungsträume aufs Mal

Donnerstag, 19. Januar 2012

Vier Wohnungsträume in fünf Stunden. 1. Ich bin im normalen Schlafzimmer, mit exakt demselben Mobiliar in seinen realen Grössen und Positionen. Es entstehen Zweifel, ob das die gelebte Wirklichkeit sei, und so schlage ich mich mit einer Hand, dann zwicke ich ein paar Körperstellen. Ich bin sicher, in einem Traum zu sein, man glaubt es nicht, aber in denselben Kleidern, die ich tags zuvor trug und jetzt beim Schreiben wieder trage. Nun drehen und verdrehen sich die Perspektiven, ziemlich langsam, sich kaum merklich beschleunigend. Ich sage mir, das Büchergestell will mir doch wohl nicht auf den Kopf fallen?! Die Perspektiven drehen sich in derselben langsamen Beschleunigung weiter, als ob ein Wind sie in Schwung versetzen würde. Ich schreie, um endlich aufwachen zu dürfen und Klarheit zu bekommen, fixiert auf den Begriff der Parallelwelt. Es geschieht, und ich merke, in der üblichen Position mit der phantasierten S. in den Armen zu liegen wie beim Einschlafen. Nochmals Glück gehabt! 2. Auch im nächsten Traum bin ich in der echten Wohnung, ohne aber über Traum und Wirklichkeit zu zweifeln. 3. Im dritten Traum wird die Wohnung geträumt, ohne dass sie der echten ähneln würde. Diese Art Wohnungstraum begleitet mich wie alle Menschen seit jeher. 4. Der letzte Traum der Nacht beginnt in der Wohnung; ob es meine ist oder eine von Fremden, bleibt vergessen. Ich wache auf, als ich in einem Wald barfuss über einen Moosboden zu laufen hätte, in dem sich viele jüngste Vipern zu erkennen geben. – Nach dem Aufstehen Kaffee mit Memorieren, erst dann das Aufschreiben. (Nur nach dem ersten Traum stellte ich mir die Frage, ob er aufzuschreiben sei, deshalb sind seine Inhalte noch bekannt und die der folgenden nur rudimentär.)

Falsche Träume

Montag, 2. Januar 2012

Seit zwei Wochen habe ich fast jede Nacht einen oder mehrere Träume, die ungewohnt nah und unvermittelt auf der Wirklichkeit aufsetzen und die, wäre das Wort nicht von der infantilen Esoterikszene in Beschlag genommen, wahrhafte Parallelwelten suggerieren (wahnhaft wären sie gleichwie zu nennen). Als Kind unter sieben Jahren machte ich mir oft einen Spass daraus, zu denken, was wäre, wenn ich an einer bestimmten Stelle statt nach rechts, zu uns, nach links, zu Grossenbachers, abgebogen wäre. Würde ich in einer anderen Welt weiterleben als in der manifesten? Die Träume in den letzten Tagen erscheinen mir wie eine Variante der Kleinkindphantasien. Eines der Ereignisse am Tag, sei es in Bezug aufs Wetter, auf ein e-Mail, auf den Haushalt oder anderes Gewöhnliches erscheint im Traum völlig identisch und wird erlebt in demjenigen zeitlichen Abstand, den das Ereignis vom Schlaf trennt, durchwegs in Kunstlicht. Ich träume seit jeher äusserst häufig von Wohnungen, aber immer enthalten diese viel Fremdes, Unbekanntes, oder es handelt sich um Mischungen aus allen Wohnungen, in denen ich einstmals hauste. Die Traumwohnung der letzten Nächte zeigt sich indes haargenau als diejenige, in der ich auch tagsüber wohne. Das könnte einem unheimlich vorkommen – aber keiner dieser Träume war beunruhigend.

Kapuzenmann

Freitag, 30. Dezember 2011

Eine jubilierende Menge in einer riesigen Bahnhofshalle, insbesondere einer mit einer Kapuze wurde gross verehrt. Nur ich wusste, was es mit ihm auf sich hatte. Er stand mit wenigen anderen in einer Gruppe direkt vor mir, er allein immer abgewandt. Ich sprach ständig auf ihn ein, damit er sich umwende und die dumme Masse zu merken begänne, was es mit ihm auf sich habe. Er drehte sich nur immer noch drohender halb an mich, damit ich Ruhe gäbe. Ich setzte wegen der Dringlichkeit und Wichtigkeit alles auf eine Karte, ging mitten in diese Gruppe und schrie ihn an. Nun musste er sich vollends umdrehen, um auf mich einschlagen zu können. Ich spurtete zurück zur grölenden Masse, der Sensemann hinter mir herstolpernd, unter der Kapuze nicht der Totenschädel, sondern eine flache, grell weiss leuchtende Platte, nur zweidimensional, die Augen zwei nicht angezündete elektrische Birnen, verglast wie bei den Autos. Ich triumphierte, zurück in der davonstiebenden Meute.