ur I und ur II gratulieren ur III
11. Januar 2017 um 6:40 Uhr von urEine der schönsten Wiederholungen: Viel Glück zum vierten Geburtstag, mit den besten Dankeswünschen an die Teams von Matthias
Zumstein und Charles Dumont am Inselspital Bern 2013!
Eine der schönsten Wiederholungen: Viel Glück zum vierten Geburtstag, mit den besten Dankeswünschen an die Teams von Matthias
Zumstein und Charles Dumont am Inselspital Bern 2013!
Soeben live auf France Musique Concert donné le 10 mars 2004 à la Cité de la Musique à Paris. Katia Labèque & Marielle Labèque, Piano, The Swingle Singers, Orchestre National de France, Ingo Metzmacher, Chef d’orchestre.
Luciano Berio, Concerto pour deux pianos et orchestre.
Was für ein Meisterwerk, welche Musikalität! Berio hat mehrere Gesichter. Dieses Werk kommt in vergleichbare Nähe zu Répons von Boulez.
Soeben live auf France Musique concert donné le 01 octobre 2016 à Strasbourg avec l’Orchestre National des Pays de la Loire, Pascal Rophé : Chef d’orchestre.
Henri Dutilleux, Timbres, espace, mouvement ou „La Nuit étoilée“ pour orchestre (1977 – 1978 | révisée en 1991).
Michaël Jarrell, Emergences – Résurgences (2016).
Alberto Posadas, Kerguelen (2013).
Francisco Guerrero (Lehrer von Posadas), Sahara (1991).
Drei starke Stücke ohne Hektik, aber mit intensiver Dramatik, das vierte in einem xenakischen Sturm. Eines der besten Konzerte 2016.
Soeben live auf Ö1 vom 30. November 2016 in Wien Wiener Symphoniker, Dirigent Ludovic Morlot, Klavier Nicolas Hodges, Schlagwerk Victor Hanna.
Olga Neuwirth, Trurliade-Zone Zero. Konzert für Schlagwerk-Solo und Orchester
Bessere Aufnahme als im Sommer in Luzern, alle Schlagzeugteile hier gut hörbar. Das Stück erscheint eher als etwas Leichtes denn ein Kampf, aber das ist gut so.
Soeben live auf SRF 2 Orchestra della Svizzera italiana, Dennis Russell Davies, Leitung, Konzert vom 18. November 2016 in Lugano (50. Todestag Hermann Scherchens).
Vier Orchesterfassungen des Scherchenschülers Bruno Maderna von Pergolesi, Frescobaldi, Gabrieli und Grossi da Viadana.
Eine Orchesterfassung Hermann Scherchens von Bachs Kunst der Fuge – in Ausschnitten (50 Minuten).
Das ist nicht sehr viel Engagement gegenüber dem Fastluganeser Scherchen mit Wohnsitz in Gravesano. Aber immerhin: Scherchens Bachbearbeitung ist eine Entdeckung.

Gravesaner Dorfkern mit der Casa Scherchen irgendwo (vom Monte San Salvatore in knapp acht km Distanz, 27. 10. 2016)
Zusatz ein Tag später: soeben dasselbe Konzert noch einmal, wenigstens Scherchens Stück, auf Deutschlandradio Kultur.
Adorno über Scherchen, der ihn 1924 mit Alban Berg bekannt machen musste: „Seine modernen Programme sind die besten, die existieren; er kennt sich [als Dirigent] in Kompositionen aus, das geschieht nicht oft. Er ist für Schönberg dagewesen, als alle anderen noch zu feig waren. Er hat Strawinsky in Deutschland bekannt gemacht. Er hat sich für die junge Berliner Generation eingesetzt, als sie noch bei Schreker Unterricht nahm. Unvergeßlich: man hat von ihm erstmals und exemplarisch die Wozzeck-Bruchstücke gehört.“ (GS 19, S. 456-457)
Gestern Abend live auf Deutschlandradio Kultur vom 25. November 2016 in der Hamburger Kunsthalle, Makart-Saal:
Steffen Schleiermacher, Klavier und Erläuterungen
Karlheinz Stockhausen, Klavierstück V // Paul Dessau, Drei Intermezzi für Klavier // Morton Feldman, „Intermission V“ für Klavier // John Cage, Music for Piano 53-68 // Sylvano Bussotti, Five Piano Pieces for David Tudor // Morton Feldman, „Intermission VI“ für Klavier, Bernd Alois Zimmermann, „Konfigurationen“. Acht Stücke für Klavier // Leopold Spinner, Fantasy op. 9 für Klavier // Olivier Messiaen, „La Chouette hulotte“ (aus „Catalogue d’oiseaux“) für Klavier // sowie elektronische Musik von Jean Dubuffet, Pierre Schaeffer, Pierre Henry und György Ligeti.
Eine mutige Konzertveranstaltung über eine wichtige und spannende Zeit der Musik- und der Kunstgeschichte, die 1950er Jahre. Da ich diesen Radiosender als Internetradio höre, ist der Sound etwas schräg; trotzdem sind die beeindruckenden pianistischen Interpretationen so unterschiedlicher Ästhetiken auf einem Haufen ein Hochgenuss.
Zum ersten Mal hörte ich etwas von Leopold Spinner und vom Einfluss Pierre Schaeffers auf Messiaen (der aber in letzter Zeit offenbar von allen Seiten her aufgearbeitet wird). Erstaunlich, dass Messiaens Musik dieses Impulses bedurfte… Das elektronische Stück von Ligeti war mir vorher möglicherweise entgangen – mich dünkt, es gebe noch ein anderes, das weniger nach Varèse sondern eher nach Nono tönt.
Gestern Abend live auf SWR 2 aus den 1990er Jahren irgendwo: Chor und Kinderchor des Théâtre Royal de la Monnaie, Orchester des Théâtre Royal de la Monnaie, Leitung Sylvain Cambreling.
Hans Zender, Stephen Climax, Oper in 3 Akten.
Letzte Woche hatte ich mir gewünscht, diese Oper hören zu können – und schon realisiert sich der Wunsch… Man hört durch den Ulysses, in dem die Dubliner Nelsonsäule prominent erscheint, die ereignisarme Geschichte des berühmtesten Säulenheiligen Simeon (in der Rezeption von Hugo Ball: im gleichen Zeitraum geschrieben wie der Ulysses von Joyce). Die Verpfropfung von zwei Geschichten funktioniert auch ohne Bühnensicht unter Kopfhörern gut. Allerdings überschreitet die musikalische und dramaturgische Ästhetik den Rahmen von Bergs Wozzeck kaum wirklich – ich erwartete in dieser Hinsicht einen kompositorischen Ein- oder Ausbruch, quasi einen Einspruch. Das grosse und grossartige Werk bleibt in gewisser Weise brav & sittsam.
Soeben live auf France Musique du 27 septembre 2016 à Strasbourg: l’Ensemble Linea de Strasbourg, Jean Philippe Wurtz Direction.
Alberto Posadas, La lumière du noir (2010), Anamorfosis (2006), Oscuro abismo de llanto y de ternura (2005).
Eine schöne, aber in nichts verklärende Musik. Sie versteht es in kritischer Intention, alle Schwierigkeiten in den Kompositionen so zu meistern, dass nie jemals Tonalität aufscheinen muss. Eine grossartige Musik, die man partienweise mit Sciarrino vergleichen könnte.
Gestern Abend live auf SWR 2 vom 11. Juni 2016 im Nationaltheater Mannheim:
Salvatore Sciarrino, Superflumina, Opera in un atto, Libretto vom Komponisten. La donna (Die Frau): Anna Radziejewska, Un giovane/Voce lontana (Ein junger Mann/Ferne Stimme): Matthew Shaw, Un passante/Un poliziotto (Ein Passant/Ein Polizist): Nikola Diskic, Altoparlanti degli annunzi (Durchsagestimmen): Francesco Damiani, Orchester, Chor, Bewegungschor des Nationaltheater Mannheim, Leitung Roland Kluttig.
Eine wundersam packende neue Musik, die ein grosses junges Publikum finden könnte, mit einer nicht nachlassenden Spannung über die ganzen 100 Minuten hinweg. Man denkt an Zwei aus alten Zeiten: Cathy Berberian und Demetrio Stratos.
Gestern Abend direkt live auf France Musique L’Orchestre National de France, Neeme Järvi direction.
Dmitri Schostakowitsch, Siebte Symphonie (Leningrader).
Ich schätze Schostakowitsch nicht als erstklassigen Komponisten, da seine Erfindungsgabe nur wenig ausgeprägt ist, die Einzelstimmen ohne Phantasie und ihr Zusammenspiel sei es in der Harmonie oder im Kontrapunkt ohne Raffinesse gesetzt sind. Wenn die Komposition ihr Material in die Enge treibt, ist die Lösung kaum je bewundernswert, und man folgt ihr ohne Staunen: in den kleinen Formen, die jedes Stück Beethovens oder Schönbergs zum Meisterwerk machen, steckt keine Glut. – Die Leningrader Symphonie, Nummer 7, steht (mit Babi Jar, Nummer 13) einzigartig im Gesamtwerk von Schostakowitsch und hat eine besondere Qualität. Sie offenbart sich gegen den Schluss hin, wo Partikel aus dem langen Geschossschrecken der ersten Hälfte wie Nebelbänke in der toten Landschaft treiben und wie eben nur in grosser Kunst mit dem Signal der geschichtsphilosophischen Not ins Langzeitgedächtnis hinabgleiten, dass das nicht mehr geschehen darf.
Es scheint mir klar, dass sich die grosse Kunst dieser Musik erst nach vielen Jahren hat zeigen können – in den siebziger Jahren erschien mir auch dieses Stück des Komponisten, dessen Symphonien alle der Reihe nach im Radio gesendet wurden, bloss plump, ohne tiefer gelegene Schicht von Rätseleffekten. Erst die Distanz treibt die hoffnungslose Dringlichkeit in die Welt der Erscheinung.
Stellt man die Stösse der Leningrader Symphonie neben die Kindertrompete der Geschichte des Soldaten, zeigt sich die erbärmliche Seite des Igor Strawinsky, in der ihm der Faschismus nur Anlass ist, sich witzig über die Pünktlichkeit seiner Züge zu freuen.
Soeben live auf WDR 3 Aufnahme aus der Kölner Philharmonie und aus der Philharmonie Essen 2016 mit Sarah Wegener, Sopran, Lutz Koppetsch, Altsaxofon, WDR Sinfonieorchester, Köln, Leitung Brad Lubman.
Luciano Berio, Récit (Chemins VII) für Altsaxofon und Orchester. – Unerreichbar.
Alban Berg, 5 Lieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg, op. 4 für Sopran und Orchester. – Grosse Klassik.
Enno Poppe, Torf für Orchester, Kompositionsauftrag der Philharmonie Essen und des WDR, Uraufführung. – Windig und leer, geschlurft.
Philippe Manoury, Sound and Fury für Orchester, Kompositionsauftrag des WDR, Uraufführung (Neuversion). – Wuchtig und lebendig.
Soeben direkt live auf SWR 2 das SWR Symphonieorchester, Personal aus dem IRCAM, Mike Svoboda (Posaune), Leitung Alejo Pérez: Schlusskonzert der Donaueschinger Musiktage 2016.
Elliott Carter, „A Symphony of Three Orchestras“. – Eh man sich’s versieht, ist er da, Sankt Peter: in der Widmung des Stücks an Pierre Boulez. Kaum dass man es selber merkt, setzt man sich gerade auf den Stuhl und folgt dem Stück in bewegungsloser Konzentration.
Franck Bedrossian, Twist für Orchester und Elektronik (UA). – „Das Stück springt einen an“, sagt der Moderator. Ich war also gewarnt … und trotzdem fast vom Stuhl gefallen. Pufff, ein doppelter Kinnhaken der Start! Wie die Mothers of Invention in ihren frühen Tagen. Wäre Gail Zappa noch da, sie klagte aus Gründen eines Plagiatsverdachts. Frank aber hätte seine Freude an Franck gehabt: endlich ein gelehriger Schüler und erst noch aus Frankreich. (Sorry für die Kalauerei.)
Georg Friedrich Haas, Konzert für Posaune und Orchester (UA). – Was bei Ablinger heute Mittag die Schlager waren, ist bei Haas abends der Strauss, von der Alpensymphonie am Anfang des Stücks bis zum Zarathustra am Schluss. Ich bin sicher, dass der Witzbold Sir Robert Scruton an dieser Ästhetik seine Freude fände (aber dieser philosophische Musikkomiker scheint um die Musik selbst einen grossen Bogen zu machen).
Soeben auf SWR 2 eine 90-minütige Sendung über die spanisch-deutsche Komponistin Maria de Alvear.
Eine Komponistin, die in diesem Jahr in Donaueschingen nicht vertreten ist, der aber einige aus dem Jahrgang 2016 kaum das Wasser reichen können.
Soeben direkt live auf SWR 2 das ensemble recherche plus Beate Anton, Gunnhildur Einarsdóttir, Gabriela Mossyrsch und Julia Weissbarth (alle vier: Harfe).
Wieland Hoban, Uròabrunnr, für 4 Harfen und Ensemble (UA). – Drei Nornen brünzeln zu viert an die Donauesche. Kindergartenkinder würden davoneilen, im vermeintlich „gut informierten Avantgarde-Publikum“ (Roger Scruton) wird ganz ohne Beimischung von Buhrufen applaudiert.
Peter Ablinger, Die schönsten Schlager der 60er- und 70er-Jahre für Ensemble (UA). – In sechs Teilen sollen sechs Schlager auf der Giftmülldeponie entsorgt werden. Das ist ein interessanter Gag, der einen zum aktiven Hören ermuntert. Losgelöst von der Rätselfrage wird diese Musik aber nicht überleben. Das spricht indes nicht gegen das Stück als Kunstwerk – ich würde es in nächster Zukunft gerne nochmals hören. Dass ich beim Zuhören aber ungefragt auch Schlagermusik aufnehmen muss, verletzt meine ästhetische Befindlichkeit.
Patricia Alessandrini, Leçons de ténèbres für Ensemble und Elektronik (UA). – Die drei Nornen haben sich auf wundersame Weise vermehrt und wimmern um die Wette. Das aufwendige Kompositions- und Aufführungsverfahren ist vielversprechend. Der Gehalt der Vorlage kommt aber mit den Problemen der heutigen Zeit in die Quere. Lasst den Kirchenglauben ruhen. Fürs nächste Stück möchte ich als Thema vorschlagen: It’s so fucking great to be alive.
Martin Smolka: a yell with misprints – two movements für Ensemble (UA). – Back in the kindergarten. Immerhin war am Schluss ein Buhruf zu vernehmen: gratuliere!!!
Die frivolen Leute tun gut daran, sich darüber klar zu werden, dass der Geist von Saint Pierre nur wenige Flügelschläge von Baden Baden her machen muss, um sie heimzusuchen.
Soeben direkt live auf SWR 2 von den Donaueschinger Musiktagen 2016 das Calder Quartet, die geniale Sopranistin Audrey Luna und Personal aus dem IRCAM (nur sehr zurückhaltend in der Musik von Eötvös).
Nathan Davis, Echeia für Streichquartett und Elektronik (UA). – Die Idee wäre interessant, die in der römischen Antike bei Theaterbauten praktizierte Stimmverstärkung durch architektonische Zusätze heute durch besondere elektronische „Verstärkung“ zu realisieren. In dem Stück von Davis wird der elektronische Zusatz aber zum Zentralen und also zu einem blöden, letztlich unmusikalischen Spielzeug.
Daniel Wohl, radiance für Streichquartett und Elektronik (UA). – Ja, da glänzt Amerika in einer Lawine elektronischer Flageoletts wie eine Überdosis Schlagrahm auf dem Tisch. Ich ziehe dieser Musik diejenige von Steve Vai vor; auch sie ist fragwürdig, aber der Typ ist mit ihr auf eine Weise sozialpädagogisch aktiv, die Applaus verdient (und bei Zappa war er ja wirklich eine Bombe).
Peter Eötvös, The SIRENS CYCLE für Streichquartett, Koloratursopran und Elektronik. – Waren die ersten beiden Stücke der Amerikaner zusammen kaum eine halbe Stunde lang, dauert Sirens Cycle ca. 45 Minuten. Der Hauptteil der Zeit gehört dem ersten Teil mit einer halben Stunde. Er wiederholt Berios geniale Vertonung der Sirenenpassage im Ulysses von „Bronze by gold heard the hoofirons…“ mit einzelnen Auslassungen bis zum Absatzende „Done. Begin!“ (Berio endete bei Liszt’s rhapsodies in der Mitte, benutzte aber durchgehend alle Worte.) Leider habe ich keine Anspielungen auf Omaggio a Joyce ausmachen können, als ob Eötvös sich zu einer Auseinandersetzung nicht getraute. Und in der Tat scheint es mir eindeutig, dass seine Musik hinter die von Berio zurückfällt! Sie hat etwas Biederes, im schlechten Sinne Scheues. Omaggio a Joyce von 1958 hörte ich sicher dreissig Male, dem Sirens Cycle werde ich kaum je wieder begegnen. Der zweite Teil zitiert das Sirenenkapitel aus Homers Original, allerdings nur kurz. Das Altgriechische nervt, als ob Eötvös Bildungshuberei nötig hätte (hat er indes überhaupt nicht). Eine deutsche oder englische Übersetzung wäre okay, einfach als Stütze fürs Publikum (der Satz müsste dann wohl länger sein). Musikalisch bietet der Mittelteil nichts Erwähnenswertes, ausser eben dem Umstand, dass einem der Klang des Altgriechischen in einer Welt, die fürs heutige Griechenland zittert, unangebracht vorkommt. Der dritte Teil referiert die Variante von Kafka, die einen schon während des Hörens zum Nachdenken über Kunst und ihre verfehlte Rezeption bringt. Referieren ist hier natürlich ein monströses Wort, denn der Gesang ist es, der das Stück trägt: auch wenn die Streichquartettkomposition lahmt, folgt man der Stimme mit offenem Kiefer und starren Blickes. Wer ist da der Zuhörer? Uli isses.
Gestern Abend direkt live auf SWR 2 Eröffnungskonzert der Donaueschinger Musiktage 2016, mit dem Arditti Quartet, dem SWR Experimentalstudio, Moritz Eggert als Schreistimme und dem SWR Symphonieorchester mit dem Dirigenten Pierre-André Valade.
Jan W. Morthenson, Omega für Orchester (UA). – Leicht alt aussehend gleich am Anfang.
James Dillon, The Gates für Streichquartett und Orchester (UA). – Eines dieser englischen Stücke, wo man ständig an Alice denkt.
Martin Jaggi, Caral für Orchester (UA). – Ein Teilstück aus einem grösseren Zyklus. Die Spur des Komponisten führt in zeitlich wie örtlich weit entfernte Gegenden, deren Sedimente der aktuellen Musik amalgamiert werden. Neben die Momente von grosser Spannung, Dichte und Farbigkeit gesellen sich zuweilen auch solche des Kitsches. Die ästhetische Richtung ist interessant, die Lösungen in wenigen Teilen fragwürdig.
Klaus Schedl, Blutrausch für Stimme, Orchester und Elektronik (UA). – Gegenaufklärung, wie sie Deutschland liebt, eine Art Salonrammstein im Stimmungsgeraune von Sloterdijk. Da Schedl im Fach Komposition versagt, setzt er Kniffe der Schlagerwelt ein, um tiefe Gefühle auszulösen. Immerhin konnte sich nach dem Scheiss eine Buhstimme Gehör verschaffen.
Gestern Abend Besuch der Vernissage von Balz Raz in der Galerie Hammer an der Hammerstrasse 86 in Basel. Von auswärts kommend nimmt man den Bus 30 Richtung Badischer Bahnhof (nach dem Ausgang Bahnhof SBB schräg links auf der anderen Strassenseite) bis Haltestelle Hammerstrasse. Man geniesst im berühmten Chläybaasel Klein Istanbul und bemerkt auf der Höhe des Claraparks eine frisch herausgeputzte helle Galerie. Auf zwei Stockwerken gibt es 35 Werke zu bewundern und zu kaufen, im Preis von 300 bis 6000 Franken.
Die Bilder und Objekte von Balz Raz sind entschieden besser und wirkungsvoller im Original aufgehängt und aufgestellt als auf den Fotografien.
Soben direkt live auf WDR 3 aus der Beethovenhalle Köln das WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung: Marek Janowski.
Hugues Dufourt, Ur-Geräusch, Uraufführung.
Ganz nach meinem Geschmack.
Ich schreibe meinen Vortrag über Musik & Philosophie zügig zuende, und weil noch genügend Zeit ist, klebe ich die einzelnen Abschnitte auf handtellergrosse Kartonscheibchen. Dann geht es durch die Gänge der weitläufigen Universität, wo ich den vorgesehenen Raum betrete, bestuhlt ohne eigentliches Vorne und Hinten wie ein Bierzelt. Darin schon viele Studis, ich setze mich ohne langes Suchen irgendwohin, wo es gerade Platz hat, mittendrin, packe meine Sachen aus und merke, dass es eng werden könnte, da immer mehr in unmittelbarer Nähe Platz nehmen, J. B. links, die offenbar immer schöner wird und nicht gewusst hat, dass ich heute vortrage, rechts ein Unbekannter, der eine Art Mechano Kinderspielzeug ausbreitet und vorhat, während der Stunde damit zu spielen. Es wird stetig enger, was meinen Vortragsunterlagen nicht entgeht: je mehr ich von ihnen auspacke, desto kleiner werden sie selbst wie im gleichen Zug auch die bereits ausgebreiteten. Sie werden nicht nur kleiner, sondern auch zerschnitten; diese einzelnen länglichen Schnipsel ringeln und verkleben sich. Ich habe nun vor mir ein Gebilde liegen wie ein Wollknäuel und versuche mit wachsender Verzweiflung, die verklebten Schnipsel auseinander zu drehen und auseinander zu ziehen, ebenso die verklebten Partien voneinander abzuziehen. Am linken Rand des Raumes (gemäss meiner Sitzrichtung) entnimmt Georg Jánoska eine Platte aus ihrer Hülle und startet sie auf dem Plattenteller, John Coltrane. Merde, jetzt auch noch der abgestandene Kampf gegen den Jazz… Ich weiss, wer ihm den Mist gebracht hat. (So funktioniert das Schlechte in der Welt: man drückt den Ahnungslosen etwas Simples in die Hand, das erwiesenermassen mit der Sache nichts zu tun hat, nicht via Medien, sondern im massiven Strukturzusammenhang der Kulturindustrie. In den Ahnungslosen bilden sich starke Affekte, die in der Zeit sedimentieren und die Wahrnehmungskanäle oder -organe erodieren; werden solche Subjekte aufs Reale hin angesprochen, ist kein Raum mehr für es da, sondern alles immer schon materiell verstellt.) Bevor ich es nur noch mit einzelnen Buchstaben zu tun habe, gehe ich zum gut gelaunten Professor und zeige ihm mein Malheur, wenigstens die Resten des Ganzen. Er missversteht, was er sieht, und findet es lustig, einen Vortrag auf so winzigen Schnipsel geschrieben zu haben, was doch gar nicht stimmt. – Leider bin ich schon an dieser Stelle aufgewacht, weil es einfach keinen Sinn macht, Coltranes Geguugge mit Philosophie in Verbindung zu bringen, schon gar nicht improvisierend.
Gestern Abend direkt live auf Deutschlandradio Kultur aus der Philharmonie Berlin Leila Josefowicz, Violine, Berliner Philharmoniker, Leitung: John Adams.
John Adams, „Harmonielehre“ für Orchester.
John Adams, „Scheherazade“ – Zweite Dramatische Sinfonie für Violine und Orchester.
In dieser Musik wird nicht ein Gebilde entfaltet, das es in einem Bezug zu allen anderen Werken der Gegenwart und der Geschichte der Musik zu entziffern gelte; sondern einer spricht in dreister Unvermitteltheit zum Publikum, der weiss, dass er vom Geist der künstlerischen Allmacht durchströmt ist und sein Gesicht – seine Wahrhaftigkeit – unter der Burka nicht zu zeigen braucht. Ich fühle mich in niederträchtiger Weise bedrängt, wie sich die vielen Einzelnen in denjenigen fernen Gesellschaften fühlen müssen, wo sich die US-Amerikaner aufdrängten, um ihre eigenen fadenscheinigen Interessen durchzusetzen. John Adams wehrt sich gegen das Gesellschaftliche in der Musik und polemisiert gegen die fortschrittliche, aber bei kaum einem anderen Komponisten ist das Gesellschaftliche so offensichtlich … und so ätzend.
