Archive für 3. März 2012

Zemlinsky, Puccini: 2 Opern

Samstag, 3. März 2012

Soeben auf France Musique Concert donné le 29 janvier 2012, Opéra de Lyon : Festival Puccini plus.

Alexander von Zemlinsky, Une tragédie florentine (Eine florentinische Tragödie), Opéra en un acte, 1917. Livret du compositeur d’après la pièce d’Oscar Wilde, A Florentine Tragedy. En allemand. Orchestre de l’Opéra de Lyon, direction musicale : Bernhard Kontarsky.

Giacomo Puccini, Gianni Schicchi, Opéra en un acte, 1918. Livret de Giovacchino Forzano. En italien. Nouvelle Production, Orchestre et Maîtrise de l’Opéra de Lyon, Direction : Gaetano d’Espinosa.

Das Festival Puccini plus gab dem Publikum die luxuriöse Möglichkeit, Il trittico an einem einzigen Abend als dreiaktiges heterogenes Opernwerk oder auf drei Abende aufgeteilt mit je einer Kurzoper Schönbergs, Hindemiths oder Zemlinskys ergänzt zu Gemüte zu führen. Am heutigen letzten Abend wurde neben Gianni Schicchi Zemlinskys Eine florentinische Tragödie gespielt, eine Komödie Oscar Wildes, in der ein Alter seinen jungen Nebenbuhler killt, worauf er, unverhofft, von seiner sehr jungen Frau wieder geliebt wird. Die Musik ist deswegen von Interesse, weil seit einiger Zeit eine Art Revival Zemlinskys in der Reproduktion seiner Werke angekündigt wird und man also gut beraten ist, die Gelegenheit zum Hören schwierig aufzuführender Werke nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Am letzten der drei Pucciniabende widersprechen sich die zwei gegenübergestellten Werke am wenigsten. Beide Stoffe sind unterbelichtet – gleichwie beide Musiken mehr oder weniger leicht verstaubt. Zur Zeit der Uraufführung war Eine florentinische Tragödie indes ein grosser Erfolg – ich höre zuviel Strauss, immerhin neben einem Walzer auch Straussens gute dramatische Seiten.

Gianni Schicchi ist der Abschluss von Puccinis Il trittico, der Inhalt eine Episode aus Dantes Divina Commedia, eine nur wenig berührende Erbschleichergeschichte, in der sich die Nebenfigur einer Erbengemeinschaft ins Totenbett legt und dem Notar ein neues Testament diktiert, in dem aber, entgegen den Abmachungen, fast alle Erbstücke diesem Akteur zugesprochen werden durch ihn selbst, geschützt durch die angedrohten Gesetze, die geständigen Erbschleichern schwereren Schaden zukommen liessen als einen leeren Beutesack. Die lustige Musik Puccinis erscheint mir wie ein entgangenes Erbe, als erwarteter Leerlauf aller herkömmlichen Oper.

Hindemith, Puccini: 2 Opern

Samstag, 3. März 2012

Gestern Abend auf France Musique Concert donné le 28 janvier 2012, Opéra de Lyon : Festival Puccini plus.

Paul Hindemith & August Albert Bernhard Stramm, Auteur, Sancta Susanna (1922), Opéra en un acte. Orchestre de l’Opéra de Lyon, Chœurs de l’Opéra de Lyon, Maîtrise de l’Opéra de Lyon, Bernhard Kontarsky, Direction musicale.

Giacomo Puccini & Giovacchino Forzano, Librettiste, Suor Angelica (1918), Opéra en un acte. Orchestre de l’Opéra de Lyon, Chœurs de l’Opéra de Lyon, Maîtrise de l’Opéra de Lyon, Gaetano d’Espinosa, Direction musicale.

Erst jetzt durchschaue ich die Vorgänge der drei aufeinanderfolgenden Opernabende. Puccini komponierte während des ersten Weltkrieges drei stark kontrastierende Kurzopern mit Stoffen aus weit entlegenen Zeitaltern, die schon in der Uraufführung zu einem Tryptichon zusammengefasst präsentiert wurden, als drei Akte einer Einheit, auch vom Komponisten genannt Il trittico. Was in Lyon 2012 geschieht, ist aber nicht unüblich, die Präsentierung der einzelnen Teile je an einem Abend zusammen mit einer Kurzoper des zwanzigsten Jahrhunderts eines anderen Komponisten.

Sancta Susanna ist eines von Hindemiths besten Stücken, selbst in der Trilogie, zu der es mit Mörder-Hoffnung der Frauen und Das Nusch-Nuschi gehört. Die expressionistische Explosion ist ungeglättet, die Form ebenso offen und im Kleinen vorwärtstreibend wie das Dargestellte fast hundert Jahre später gewissermassen zeitgemäss: eine junge Nonne wird wegen ihrer weltabgewandten Glaubenszeremonien von den Mitschwestern bewundert, nach zwanzig Minuten zum Teufel gejagt, als ihr Anbetungsdelirium in einem Orgasmus mit dem Kruzifix kulminiert. (Die Handlung ist in Wahrheit brüchiger und gleichzeitig dynamischer, indem eine Nonne der Sancta Susanna erzählt, wie sie solches eben Erwähnte einmal gesehen hätte, worauf die geistige Anbetung bei Susanne erst sich in eine in der Weise bezeichnete satanische verwandelt; durch die Erzählung im Geschehen wird die ganze Mädchengruppe im Kloster sexuell aufgeladen.)

Das Puccinistück Suor Angelica fällt weit ab und wirkt wie aus dem Zentrum dessen, was das Opernleben so überflüssig und hassenswert macht. Eine junge unverheiratete Frau wird in ein Kloster weggesperrt, da sie ein Kind geboren hat. Nach sieben Jahren erhält sie Besuch, der ihr mitteilt, ihr Sohn sei soeben gestorben, worauf sie sich umbringt. So wenig einen der Stoff in seiner historischen Abstraktheit zu berühren vermag, so wenig hatte schon der Komponist einen musikalischen Weg zu ihm gefunden – die Musik hängt mit nichts verbunden wie als Vorwegnahme von Unterhaltungsmusik aus dem Radio in der Luft.