Gurrelieder
Freitag, 26. November 2010Gestern auf Radio DRS 2 die Gurre-Lieder (1900-1911) von Arnold Schönberg aus dem KKL Luzern vom 14. September 2010, mit Christine Brewer, Petra Lang,Stephen Gould, Andreas Conrad, Stephen Powell, Wolfgang Schöne, Tonhalle-Orchester Zürich, Orchestre de la Suisse Romande, NRD Chor, Damen des Choeur du Théâtre de Genève, Staatlicher Akademischer Chor „Latvija, Leitung: David Zinman.
Ich höre Musik mit offenen Augen und träume dabei nichts Gegenständliches. Bei den Gurre-Liedern gerate ich seit jeher in Schwierigkeiten, der Struktur zu folgen, insbesondere im ersten Teil. Gestern dissoziierte ich mich die ganze Zeit in die Gegend des Pic Tenneverge, zuerst sehr lange auf der französischen Seite in die wilden Pâturages de Prazon, in die Passage de la Rigole, durch die Gures und ins Vallon de Tenneverge (einer der vielen Bäche, leicht südlich, heisst Cascade des Gurrets), im kurzen zweiten Teil auf den Col de Tenneverge und in die Nähe der Pointe de Finive, im dritten Teil wie ein Echo der ganzen Gegend zu den Sauriern und zu den Seen von Emosson. Vor allem die französische Seite mit einer abstrus deponierten Hütte ist eine Zone, die ich jahrelang auf der Karte begaffte, wo ich mich aber schon früher nicht hätte herumtreiben können.
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Boulez benutzte den Spruch von Klee, An der Grenze des Fruchtlandes, unter Streichung des ersten Wortes „Monument“; Schönberg komponierte den ganzen vor ihrer eigenen Zeit, der Schönbergs und Klees, in dieses Werk.
Schade, dass der Applaus zugunsten der aufdringlichen Radionachrichten abgewürgt wurde – die Spannung war auch unter Kopfhörern so immens, dass man ihn als Teil der grossartigen Aufführung hätte miterleben wollen. Die Sprecher trampen in den Medien herum so elegant wie Saurierprotze.
(Zusatz 28. 11. 2010: Drei Tage später die Gurre-Lieder nochmals gehört, die alte Aufnahme mit Boulez von 1974, die ich einmal kaufte, weil ich die von Ozawa nicht ausstehen konnte. Sie ist immer noch sehr frisch und zeigt die Soundscapes der überladenen Orchestrierung in klaren Schichten. Die Struktur des ersten Teils ist nicht wirklich kompliziert, aber die Motivmomente schieben sich zuweilen arg in- und übereinander. Mit ein wenig Distanz und trainierten Ohren nach mehrmaligem Hören in kurzer Folge wird es eine leichtfüssige Musik.)