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LaSalle

Mittwoch, 17. Februar 2010

Wenn Poe in der Geschichte vom Pendel das Problem zur Sprache bringt, das Lebensgefühl des Bedrohtseins, findet sich im Spiel der Streichquartette Alban Bergs mit den Musikern von LaSalle die Lösung. 1971 publizierten sie sämtliche Quartette der damals so genannten Neuen Wiener Schule (heute betont man die Souveränität der Einzelnamen, ohne Berg und Webern als Schüler Schönbergs weiterhin kleinhalten zu wollen). Das frühe Quartett mit nur zwei kurzen Sätzen von 1909 und die Lyrische Suite mit sechs Stücken von 1926 funkeln in dieser Aufnahme wie zwei besonders grosse und scharfe Kristallgruppen, die ein Strahler nach monatelanger Schwerstarbeit im Fels und geduldiger Bergarbeit dem Publikum präsentiert. Man vertraut der Musik vom ersten bis zum letzten Ton und hat kein einziges Mal das Gefühl, etwas sollte anders komponiert worden sein („weniger langweilig“) oder anders interpretiert werden („spontaner“). Ohne Anstrengung und ohne disziplinarisches Zutun bleibt die Aufmerksamkeit während 45 Minuten gleichschwebend durch alle Passagen, man könnte auch sagen: gebannt, weil sie sich gänzlich zwanglos der Fülle der Reize hingeben darf. Adorno gebraucht diesen Ausdruck Freuds, der seinen späten statischen vom Vorrang des Objekts vorwegnimmt, nie, jedoch, und das fällt in der Tat auf, die Formel davon, dass schon im ersten Quartett alles gleich nah zum Mittelpunkt stehe, in einem Werk für Heutige noch völlig abgestützt auf die Füsse der Tonalität, indes schon dialektisch zwölftönig gedacht, wo der Verlauf im Kleinen das Ganze voraussetze wie die Form, die zerstörte Sonate, aus den Ereignissen im Kleinen aufzuspüren sei.

Man könnte noch AMIL erwähnen von Urban Gwerder, das ich zu den Zeiten, als Derrida den Facteur der Wahrheit verfasste, in einem Beizenkonzert mit der Gruppe nicht Wiesengrund, aber immerhin Wiesenkraut vortrug, als Flötist, „… wir müssen jetzt sehr vorsichtig sein…“, von wo es anderswohin weiter ginge, Alla Zappa: man kann die Quartette Bergs ganz ohne Schaden sich auch mit den Ohren des Rocks zu Gemüte führen.