Chaya Czernowin in Bern
Donnerstag, 8. Dezember 2011Soeben auf DRS 2 Konzert vom 20./21. Oktober im Kultur-Casino Bern mit dem Berner Symphonieorchester, Leitung: Mario Venzago. Mit Alexander Kaganovsky, Violoncello, dem Ensemble Nikel, dem Herrenchor der Stadt Bern und Robin Adams, Sprecher.
Chaya Czernowin: Stück mit einem Namen, den nachzufragen DRS2 zu faul war (wie die Radiostation auf Felgen auch nicht imstande ist, ein gewöhnliches, in der Reihenfolge der Stücke verlässlich informierendes Konzertprogramm zu notieren).
Luigi Nono: Incontri. Nono in Bern? Sind bessere Zeiten im Anzug? Mich freut’s mit Incontri doppelt, da Nonos Musik sowohl in jede Programmzusammensetzung passt wie dieses frühe Stück zeigt, dass auch eine historisch überwundene Ästhetik noch Momente aufzuweisen vermag, die unmittelbar berühren und das Denken in Schwung versetzen.
Chaya Czernowin: «Zohar Iver» (Blind radiance) für Ensemble und Orchester. Wie das Anfangsstück des Konzerts, von dem ich nicht wissen kann, ob es als Publikumsüberraschung konzipiert worden ist (was mir unangebracht schiene) mit grossem Orchester und einer elektrischen Gitarre, die ich gerne noch mehr in Orchesterstücken hören würde, da sie äusserst diszipliniert gespielt wird (wie verwunderlich gut ihr die komponierte Selbstdisziplin nur steht…), nicht selten in spannendem, auf verschiedene Weise verschmelzendem Duo mit dem Solosaxophon, weit ab von Jazz & Rock. – Wie zu lesen ist, hat Czernowin ihre frühen Werke zurückgezogen: hoffentlich macht sie diesen Schritt rückgängig, da es für Aussenstehende nicht selten interessant ist, Spuren von Denkprozessen da zu verfolgen, wo die Schöpfer meinen, sie radikal überwunden zu haben. Die neuesten Stücke gefallen mir zwar entschieden besser als die frühen, aber ich hatte auch in diesen Erstversuchen immer den Eindruck, einem interessanten Gebilde auf der Spur zu sein.
Joseph Tal: Symphonie Nr. 1. Das Werk wurde nur als Fragment gesendet – es wäre gefälligst zu wiederholen, in Wiedergutmachung der unverzeihlichen Panne öftere Male. Ich lese gerade die Autobiographie Tonspur (Tal hatte immerhin Varèse zuhause besucht und war mit ihm gut ausgekommen, kein schlechtes Zeugnis), und das Stück hätte ich als erstes seiner Werke zu hören bekommen, wenn bei DRS2 eine technische Kontrolle noch zur Grundausstattung des Senders gehören würde.
Ernest Bloch: Schelomo. Hebräische Rhapsodie für Violoncello und Orchester. Es überrascht immer wieder, wie unter der antiquarischen Ästhetik sich in vereinzelten Formvorgängen interessante Impulse breitmachen können.
Arnold Schönberg: A Survivor from Warsaw (Ein Überlebender aus Warschau) op. 46. Mit diesem Stück zusammen, das wie alle anderen des Konzerts sehr fesselnd und klärend aufgeführt wurde, ist dem Berner Symphonieorchester möglicherweise einer der besten Konzertabende seit langem gelungen.