Archive für 27. Mai 2011

Nakatani, Franke, Gelmini, Hartmann

Freitag, 27. Mai 2011

Soeben auf Bayern 4 gehört direkt live: Musica Viva, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung: Lucas Vis.

Toru Nakatani: „For 54 players“ (Uraufführung). Ein Stück in äusserst interessanter mikrotonaler Stimmung, von dem man während des Hörens meint, es fehle ihm der Formwille, bis man ihn in den Bewegungen der Stimmung selbst herauszuhören beginnt. Ich würde es gerne noch mehrere Male auf CD hören, in einer Studioaufnahme ohne Huster und ohne Cablecom-Fehlgeräusche der Übermittlung.

Bernd Franke: „Praya Dubia“ (Uraufführung). Hübsch gemachte Unterhaltung, in der Ästhetik so fragwürdig wie John McLaughlin oder Zappa mit Orchester, wenn auch besser, immerhin. Ich protestiere dagegen, dass man eine interessante Stelle von Varèse kopiert (ein bis zwei Minuten nach dem Anfang) und dann so etwas Leichtes dahinbastelt.

Caspar de Gelmini: „Nightline“ (Uraufführung). In den erst später einsetzenden Orchesterparts höre ich gerne zu, in den dünn gesetzten Stellen nimmt mich das kompositorische Denken zu wenig gefangen. Ich wage die Behauptung, dass der Komponist zu wenig lange die serielle Musik studiert hat, um souverän sich davon distanzieren zu können. Er müsste zur Selbstdisziplinierung ein Stück für Blockflöte schreiben müssen, von dem er die Behauptung zu verteidigen hätte, dass aus ihm seine ganze Ästhetik herauszulesen wäre.

Karl Amadeus Hartmann: Symphonie Nr. 2 – Adagio. Ich kenne dieses Stück schon seit dreissig Jahren und habe es fast immer gerne gehört, auf Schallplatte, das letzte Mal vor über zehn Jahren. Heute dünkt mich, ich hätte etwas Neues gehört, in dem nur die akzentuierten Streicher die Erinnerung wachrufen. Ich folge der Aufführung fasziniert und freudig angespannt – Hartmann wäre ein wahrer Widersache von Schostakowitsch, und man müsste ihn ebenso oft im Radio spielen wie diesen, beide vorzugsweise zeitlich nahe beieinander.

Zusatz: Offenbar verspüren auch andere eine Nähe Hartmanns zu Schostakowitsch, denn als Füller nach dem Konzert bis zur Programmfortsetzung spielte man just Musik des Letzteren.