Archive für 26. Mai 2011

Traumland Graubünden

Donnerstag, 26. Mai 2011

Nicht die Länge des Traumes ist ungewohnt, sondern die Stabilität und Kohärenz in ihr, als hätte er die ganze sechsstündige Schlafenszeit gedauert, von der ich aber überzeugt bin, dass sie einmal kurz unterbrochen war, sei es am Anfang, in der Mitte oder gegen Ende der sechs Stunden. Ich bin im Bündnerland zu Besuch, in einem Haus in mittlerer Höhe eines grossen Hangs, ältere Generation aus der Verwandtschaft. Sehr gute, angenehme Atmosphäre mit intellektuellem Gedankenaustausch. Abends kommen noch andere zu Besuch, ein bisschen als ob mein eigener Besuch dadurch gewissermassen geehrt würde, wie nach alter Sitte. Es wird nach Wein gefragt, und statt Nein zu sagen sage ich Ja, mit der Gegenantwort, man hätte nicht vor, viel zu trinken, nicht als Warnung zu verstehen, sondern gegenteilig als ahnungslose Beruhigung. Nun beginnen interessante, anspruchsvolle Spiele, in denen nichts zu tun ist ausser zu sprechen für die einen, zuzuhören mit Kommentaren und Ergänzungen für die anderen. Ich bin in höchster Bewunderung dafür, was diese Leute alles von sich zu geben wissen. Bei einem Spiel wird es für mich etwas peinlich. Es geht darum, auf ein gegebenes Stichwort hin etwas zu schaffen, ich glaube, ich hätte ein Lied singen oder pfeifen müssen, vielleicht auch nur es beschreiben. Das Wort, das irgendjemand für mich in die Runde wirft, ist Bach. Meine Güte! Alle konnten mit ihren Worten etwas machen, nur bei mir stockt das Spiel. – Es wird Morgen, und ich gehe auf einen Spaziergang den Hang hinunter, in der Ebene irgendwo in ein Haus, darin in den ersten oder zweiten Stock, in einen Raum mit Sicht zurück gegen den Hang. Mich dünkt, das wäre nun die Gelegenheit, mich nützlich zu machen, denn der Hang sieht wunderschön aus, und ich bin überzeugt, die Gastgeber hätten ihre schöne Wohnlage noch nie so gesehen. Ich gehe zurück, um Fotoapparate und Einbeinstativ zu holen, komme tatsächlich in dasselbe Haus wieder zurück, gehen in den ersten oder zweiten Stock des vorhin stillen Hauses. Mittlerweile sind seine Bewohner aber erwacht. Als ich ins Zimmer schleiche, wo ich durchs Fenster hinaus fotografieren will, lässt man, physikalisch nicht nachvollziehbar, eine Sonnenstore herunter, die mir die Sicht nimmt. Ich sehe mich gezwungen, nach unten zu gehen, um in der Store ein Loch zum Fotografieren zu finden. Unter der Store ist ein grosser Raum mit Lebewesen, der Raum selbst mit einer Fensterwand abgeschlossen. Man ist am Frühstücken, aber ich bin nicht sicher, auf welcher Seite. Ich bekomme aber ohne weiteres die Erlaubnis, den Raum zu betreten, um die Foto machen zu können. Ich gehe durch die Glastüre ins Innere und werde gewahr, dass die Lebewesen Äffchen sind, mal etwas grösser, mal kleiner, mal deformierte Menschen, mal schön und herzig, mal weniger. Einige könnten bedrohlich sein, aber von der anderen Seite her ist man aufmerksam. Insgesamt wirkt der Raum mit den ungewohnten Lebewesen, der offen scheint wie in einer Gartenwirtschaft an einem sonnigen Morgen, nicht bedrohlich. Dennoch bin ich bald wieder draussen, denn von unten kann ich den Abhang wegen zu nahe stehender Häuser nicht gut fotografieren. Die Ebene hat eine Gegenhöhe, auf die eine Strasse mit Pappeln führt, zuoberst mit einer Kirche oder einem Schlossgebäude, eine Anlage, wie sie des öfteren in Europa zu sehen ist. Bis zuoberst will ich nicht gehen, weil der Morgenspaziergang nur kurz sein soll, und auf dem Weg nach oben hat es zuviele Bäume und Sträucher. In der Mitte gibt es eine Abzweigung in ein Wäldchen, das mit einer Mauer umgeben ist, auf der ich den Hang mit dem Haus der Gastgeber zu fotografieren gedenke, über die Ebene mit dem Haus der Äffchen hinweg. Ich mache dieses, auch mit einem Panorama, gehe auf der Mauer zurück zur Burg- oder Kirchenstrasse. Ich sehe schon, wo ich hinuntersteigen will, als eine Gruppe etwa zwanzigjähriger Frauen an dieser Stelle auftaucht, in gar nicht zurückhaltender Stimmung, als ob sie mich nicht wirklich sehen würden und partout meinen wollten, der Mann aus der Fremde könnte ihnen nur gefallen. Zwei von ihnen gefallen indes mir selbst ausserordentlich, und unversehens sind sie auf der Mauer, und eh der Tag wirklich beginnt, ist ein Liebesrausch ohne jede Hemmungen im Gange, nur mit der kleinen Verwunderung darüber, dass die heisse Haut der jungen Bündnerinnen nicht braungebräunt, sondern sehr weiss erscheint, wenn auch in der Heissblütigkeit und süssen Schweissesglätte nicht adelig.