Vorwurf der Natur
Donnerstag, 14. April 2011Vorgestern wurde die Konstruktion des Futterplatzes auf dem Fenstersims entfernt, ohne weitere Reinigung. Die wenigen Vögel, die während den letzten Wochen noch hierher fanden, putzten auch die kleinsten Reste weg. Gestern Morgen wusch ich den Platz sauber, nicht nur den Sims, sondern auch die Lücken im Fensterrahmen und das Fenster selbst. Am Nachmittag erfolgte das Desaster: zuerst kam der junge Star, machte einen Veitstanz mit gefährlichen Luftsprüngen und hackte fast eine halbe Minute mit dem riesigen Schnabel in die Wandmauer, nicht ohne zwischendurch wütende Blicke durch die Fensterscheibe zu schleudern. In der Dämmerung trank ich ein Glas Wein in der Küche, rauchte eine Zigarette und hielt das Fenster offen, das parallele zum Fotofenster. Eine dunkle Kohlmeise, die sich vom Hintergrund nur schwächlich abhob, hüpfte auf die Innenseite des Fensterrahmens, hielt den Kopf schräg und schaute mich von unten an, stumm aber voll des Vorwurfs. Ich hatte kein schlechtes Gewissen – aber ich schaute sehr genau dorthin, wo ihre Augenpunkte waren.