Anderson, Carter, Saariaho
Montag, 4. April 2011Soeben live auf France Musique Concert enregistré le 11 février 2011 à la Cité de la Musique in Paris, Ensemble Intercontemporain, Ludovic Morlot, direction.
Julian Anderson, The Comedy of Change (création française). Andersons Afterligetismus schlingert um die schwarzen Löcher der Tonalität wie der gefürchtete Walliser Pensionär mit Strohhut, Hosenträgern und einem dicken Stumpen im Maul um die Schlaglöcher die Passstrasse herab, in einem rapidähnlichen Gefährt, sonntags nach vier Ballons Weissem für den Apéro, einem Halben Roten zum Gsottnu und zwei doppelten Marc zum Café.
Elliott Carter, On Conversing with Paradise, pour baryton et ensemble (création française), Leigh Melrose, baryton. Der Hundertzweijährige komponiert nun gänzlich befreit vom Zugriff der Statthalterin Strawinskys, eine frische Musik, in deren Libretto einer unter der Federführung Ezra Pounds ein Ereignis für einen Hundertachtjährigen deliriert, wenn ich die Passage richtig gehört habe. Nicht nur Witz hat er immer noch, auch gute Musik schreibt er, ohne pubertärers Zwinkern hinüber in die Tonalität … so dass man frei von jeder Scham auf noch weitere hofft!
Kaija Saariaho, Graal Théâtre, pour violon et ensemble, version pour orchestre de chambre, Jeanne-Marie Conquer, violon. Es dünkt mich die ganze Zeit, das Stück schon mal gehört zu haben – und finde es auch in den bereits bewerteten Stücken der Komponistin. So avanciert wie vor ein paar Jahren erscheint es mir nicht mehr, indes um nichts weniger schön, in einer Ruhe, die mir jetzt sehr zupass kommt und gefällt. Carter imponierte mir heute Abend nichtsdestotrotz ein unverschämtes kleines bisschen mehr…
Zusatz: Nach dem Konzert wurden noch zwei unterschiedliche Stücke von Julian Anderson ab CD gespielt. Diptych I. Parades, II. Pavillons en l’air, BBC Symphony Orchestra, Oliver Knussen, direction bestätigt die ersten schwachen Eindrücke, die Alhambra Fantasy, London Sinfonietta, Oliver Knussen, direction erschien mir wie von einem anderen Komponisten erdacht, frei von den missverständlichen Ligetismen, ein Werk, das ich gerne nochmals hören würde. Man muss aufpassen, dass man da, wo man einen Komponisten zum ersten Mal aufführt, die gute Intention nicht mit einem schwachen Stück vermasselt. Offenbar komponiert Anderson nicht immer auf demselben erforderlichen Reflexionsniveau.