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… wie komponiert

Donnerstag, 24. Mai 2007

Schmerzgebilde in Gelenken zu beschreiben, deren Malignität noch nicht bestimmt ist und die also auch aus bloss frühalterndem Chondrom-Material bestehen können, führt einen tief hinein ins prekäre Vokabularium und die unabschliessbaren Vorstellungswelten der neuen Musik. Über einen langen Zeitraum, in einem Gebilde jetzt schon seit vier Monaten, in einem anderen seit drei Jahren, verändern sich die Schmerzempfindungen permanent, ohne je schon unerträglich geworden zu sein, ohne je sich abgeschwächt zu haben, ohne Wiederholung in ihren Erscheinungsweisen – jeden Tag. Was für eine neue Erlebniswelt von Nuancen! Das linke Sakralgelenk begann – nach einem wilden Jahr 2006 mit blinden Schüssen in die Umgebung – vor vier Monaten als kleiner schrumpliger Holzapfel und zuckt schon mal in den Oberschenkel wie ein Frühsommergewitter, die rechte Schulter begann 2003 als sanft wärmendes Kerzenlicht, das heute zuweilen kracht wie ein mit der Axt nicht zur Gänze durchgehauener Brennholzklotz. Ist das zu erfahrene Körperspiel Maurice Ravels’s Bolero, mit der Aufführung noch im ersten Zehntel, oder Morton Feldman’s Crippled Symmetry, oder Luigi Nono’s Prometeo? Mit John Cage liess ich mich noch so gerne ein – dennoch ist es eines bestimmt nicht, sein vor vier Jahren in Halberstadt angesetztes und doch eben erst begonnenes Stück Organ2 – As Slow As Possible … ich wäre auf dem Weg, ein über 600jähriger Bozu zu werden.