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Nichtprofanbauten und ihre Zusätze in der Landschaft

Freitag, 7. Juli 2017

Die Aufzeichnung rechtfertigt den Gegenstand. Auch bei einem rein bildgebenden Aufzeichnungsverfahren sind sowohl der Anstoss wie das Deutungsziel begrifflich motiviert: man fotografiert einen Gegenstand oder einen Ausschnitt in der Landschaft, weil etwas Bestimmtes zu sehen ist und weil es auf eine bestimmte Weise gesehen werden soll. Der einzelne, im konkreten Bild bestimmende Begriff ist aber kein eindeutiges Einzelnes, sondern bildet einen Zusammenhang, dessen Teile in dem Masse wahr oder falsch sind, wie sie vom individuellen Meinen und Glauben und der gesellschaftlichen Ideologie abhängen.

Eisten-Stellinu (Saastal)

Wenn es der Menschheit gelingt, das globale Strohfeuer der religiösen Unvernunft zu bewältigen, werden die materiellen und immateriellen Gebilde der Religionen ausserhalb des Glaubens und des theologischen Gezänks deutbar sein. Sobald die nötigen Bedingungen explizit gemacht werden, sind sie es auch heute schon (wie sie es im übrigen vor der unverhofften Explosion des Religiösen schon einmal waren). Sie hören auf, Zeugnis abzulegen und werden zu gewöhnlichen Zeichen, die wie alles andere im Wirklichen wahrzunehmen sind, zuweilen mit grossem Interesse, zuweilen mit nur kleinem.

Die dörflichen Kirchenbauten beherbergen eine Stätte des Opferns, also einen Platz des Opfers als Gegenstand, und sie sind selbst eines, genaugleich wie die Kapellen und die Bild- und Opferstöcke. Die Wege, die diese Bauten miteinander verbinden, ruhen für denjenigen, der sie als Einzelner täglich geht, auf dem Urbild, dass die Gemeinschaft als Ganzes, in der Form der Prozession, auf ihnen steht und ständig wacht. Die Wege sind wie die Bauten Zeugnis einer gelebten Einheitlichkeit und zugleich Drohung einer Autorität, die sich darüber hinaus weder zu zeigen noch zu rechtfertigen braucht.

Das bewusste, strategische Opfer weiss, dass es nichts erreicht und aus anderer Einsicht getan wird als der, etwas im Anspruch der Verbindlichkeit erreichen zu wollen. Es ist kein Symbol im Opfer, und es selbst ist an keines gebunden, auf das es sich beziehen und das sich benennen liesse. Weil sie eine Beiläufigkeit und einen Zusatz der Verstandestätigkeit darstellt, bezeugt die allgemeine Opfertat nichts – im Gegensatz zum Glauben ist sie keine Konkurrenz zur Verstandestätigkeit. Sie ist dieselbe, die weiss, dass sie ihrem eigenen Argwohn untersteht.

Die Opfertat folgt zwei Tendenzen. Ihr Tun begnügt sich nicht mit dem Gefühl desjenigen, der die Tat ausführt und der Welt im Ganzen, in der sie geschieht. Sie umgarnt anderes, das in dem empirischen Verhältnis nicht aufgeht, weder in ihm wirklich ist noch einen einzigen, unwidersprochenen Namen hätte. Kein Tun gibt ihm so viel Realität wie das Opfer, obwohl es auch ausserhalb desselben ist. Zugleich ist diese Realität im Opfer indes wertlos. Das allgemeine Opfer bringt einen Gegenstand zum Scheinen, der keinen weiteren Wert haben darf als den, zu erscheinen und für die anderen im Ganzen dazustehen.

Weil er das Allgemeine übersieht und das Opfer konkretistisch und speziell deutet, sieht der religiöse Verstand die Bauten in der Landschaft nicht als Zeichen, sondern als Zeugnis – als gebe es nur diese Art des Opferns. Aber das allgemeine Andere im Opfer ist nicht das ganz Andere der Religionen; das Göttliche ist blosser Zusatz und dem Opfer nicht wesentlich. Zudem kann die religiöse Deutung der Fotoobjekte als Zeugnisse des Glaubens nicht sagen, ob dieser Glaube aus freien Stücken praktiziert wurde oder im Rahmen von Einschüchterungen und der Androhung von diesseitigen und jenseitigen Strafen durch diejenigen Instanzen, die den Glauben repräsentieren.

Das Opfer ist kein Opfer, sondern alter Teil der Verstandestätigkeit. Als sein allgemeines Resultat gibt es das Besondere, dass das Opferzeichen ein Vermögen darstellt, den Positivismus, den der Verstand inszeniert, zurückzudrängen. Das selbstgepflückte Blümchen in der Vase korrespondiert mehr mit dem Opfer als der Pomp in der Kathedrale, denn das Opfer ist nichts anderes als die geschenkte Zeit zur Wahrnehmung und Würdigung des Unscheinbaren, dessen, was ohne Glanz erscheint und da ist, um das, was als das Ganze erscheint und doch im Tod sein Ziel hat, erträglich zu stimmen.

Dem Positivismus kann dann nichts mehr entgegengestellt werden, wenn die Bereitschaft zur Opfertat nur noch darin besteht, sich zu schminken, bevor man sich in die Disco aufmacht, den Hort der Regression und des kalkulierten Glücks, um die vorzivilisatorische Befriedigung der Primärbedürfnisse so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Doch der allgemeine Positivismus ist kein Spielzeug. In ihm müssen sich die Waffen messen, weil sich in ihm alles darin realisiert, wofür es geschaffen wurde.