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Jazzleichen, jugendliche

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Wer sich heute nicht nur neugierig aus der Distanz, sondern wohlgebettet auf einer lebenslangen und umfassenden Erfahrung und in einer affirmativer Haltung mit der improvisierten Musik auseinandersetzen will, aus einem Impuls heraus, den ein besonders gelungenes Konzert improvisierter Musik freisetzte und der die Frage heraufdämmern liess, wie heute über sie verbindlich zu sprechen sei, sticht in ein Wespennest, deren Individuen sich zu geben scheinen teils wie Nachtigallen, teils wie kaum flügge gewordene Adler oder wolfshungrige Walliser Lämmergeier. Die Vergesslichkeit zerrüttet nicht nur ihre ontologische Identität, mit einer solchen sich auch in einem geglückten Leben spielen liesse, sondern zersetzt in alzheimerschen Masse ihre Kunstproduktion von Grund auf: sie scheint nur möglich, weil die MusikerInnen sofort vergessen, was sie soeben gespielt haben, dasselbe nämlich, was sie jetzt spielen und alsbald wieder spielen werden. Wann immer man etwas von ihnen hört, heute, erscheinen zu viele von ihnen wie Schnapsleichen, ausserstande, in der Aufführung einem aufmerksamen Ohr klar zu machen, was Neues sie dem interessierten Publikum schmackhaft machen wollen. Auch in der geschriebenen Musik gibt es viele schlechte Schöpfer und Schöpferinnen. Einige von ihnen schaffen aber über alle Massen fesselnde Werke – weil diese einem neu erscheinen, als Gegenteil von immergleich. Das berührt die gesellschaftliche Anerkennung der schlechteren KomponistInnen nicht. Mit Recht wurde noch nie infrage gestellt, dass auch die weniger innovativen schreibenden MusikerInnen von allen möglichen Instanzen Gelder zugesprochen erhalten müssen, weil die Entwicklungsbahn der Einzelnen nicht vorausgesagt werden darf.

Der Artikel von Thomas Meyer und die Wurfgeschosse der bösen Jugend sind hier ausgestellt: http://reactionsmeyer.blogspot.com/