Totsein nach Mahlers Neunter
Mittwoch, 16. Juni 2010Gestern Diskothek im Zwei Mahlers Neunte, heute nach angestrengter Zusammenstellung der Alpen im Bezirk Entremont um acht Uhr plötzlich das Verlangen, diese Symphonie ganz zu hören. Ich habe sie mit Abbado, Live 1988. Da die Diskussion vorgestern äusserst ergiebig und aufschlussreich verlief, geschah das Zuhören heute entsprechend intensiv, im Anschluss daran ständiges Nachfragen, wie weit man im rein existenziellen Rahmen verharren dürfe. Lösung: mit dem Alter verliert sich das Bedürfnis, Kunstwerke gegeneinander auszuspielen. Ob man es nun darf oder nicht – dieses Werk ergreift einen tief, und man soll gegen den Genuss des Erlebens nicht anrempeln. Gleich danach zufrieden, aber äusserst müde Schlafen gegangen, mit viermal hintereinander demselben Alptraum, sehr kompliziert. Ich bin am Bildschirm, navigiere auf meiner Website, auf den Alpen im Val des Bagnes. Man muss irgendein Bild verschieben, dann irgendwo hin klicken. Dann bin ich – viermal geschieht dasselbe, nach kurzem Aufwachen – in einer Art Disko, dunkel, mehrstöckig, vielräumig (ich war nie an solchen Orten, kenne nur Bilder aus der Unterhosenpresse). Ich mache etwas Ähnliches wie die Anderen, nur zum Teil bin ich auch mit Bekannten zusammen, an einem Tisch oder nicht. Im Verlauf wird klar, dass alle schon gestorben sind und sich in einer Art Warteschlaufe befinden. Ich finde es grauenhaft und wehre mich mit aller Kraft gegen diese Tatsächlichkeit, wonach ich aufwache, sehr bald aber wieder eindämmere und dasselbe nochmals erlebe. Nach drei, vier oder fünf Malen frage ich mich, ob das alles in einem einzigen Traum geschehen sei oder tatsächlich in so vielen einzelnen, schlafe aber richtig für zwei Stunden ein, traumlos.