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Dialektik des kulturindustriellen Schlechten

Freitag, 27. März 2009

Sind die Gebilde, mit denen man sich auseinandersetzt, nicht lose Einheiten, die ab einem gewissen Mass an Unterqualifiziertheit tel quel von sich geschoben werden können, sondern in unendliche Serien festgebunden, die als Ganzes zu begreifen wären, macht sich einer schnell lächerlich und wird zum blossen Stänkerer, wenn er in ihnen das Schlechte und Falsche bei jedem Erscheinen von neuem dingfest macht.

Um vom Mist in der anstehenden Zeit kulturindustrieller Analysen schweigen zu können, muss er bezüglich a) den Websites und Blogs und b) der verfolgten Radiostation DRS 2 (mit einem Wechsel bei akuter Blödheit zu Swiss Classics) nach den Gewissensfragen von möglichen persönlichen Verletzungen erst mal in seinen Teilen auf einen Haufen geworfen werden. Solche Teile wären a) im Internet die Favorisierung der Themen und Stile aus der Werbe-, Religions-, Militär- und Fernsehwelt, Scraps, Stamps und andere Bastelidiotien, Frischgeborenenvisagen und Tellergerichte, Inszenierung der eigenen Person und Infantilisierung der AdressatInnen, b) im Radio Wiederholungen von Ankündigungen, Wiederholung von Nachrichten bis zu einer solchen Verstimmung, die dann ein Hören der Hauptnachrichten nicht mehr zu ertragen vermag und so Uninformiertheit nach sich zieht, Pointengier in Nachrichten, die einen nicht zum Lachen bringen sondern zu denken geben sollen, Wiederholung von Betonungsfehlern, die offenbar so eingeübt werden mussten, Aufzählung von Sendethemen in einer auf eine Pointe abzielenden Serie, die inhaltlich durch nichts Verbindendes motiviert ist und deshalb die Intention der Liste, einen Überblick zu verschaffen, ins Leere laufen lässt, Rätselspiel und Überraschungen in einer Sendung, in der man sich während 45 Minuten konzentriert mit dem Weltgeschehen auseinandersetzen will, Schnutenbildung und Pflege von persönlichen Ticks bei männlichen Ansagern, die zuweilen in misslungener Abwehr auf den Knien ihrer Grossmutter phantasiert werden, Verbannung aller ernster Musik vor Händel und nach Dvořák, allmähliche Ersetzung der Kunstmusik durch Gershwin und Bernstein, Jazz, Marschmusik und Schlager. Die Kategorien des Schlechten in der Kulturindustrie setzen ein unterschiedliches, aber nie geringes Mass an Professionalität voraus und beruhen keineswegs in persönlichen oder technischen Unzulänglichkeiten, über die man hinwegsehen würde. Mit der alten Erfahrung der Fribourger wird ein Zaun um den Misthaufen gezogen, damit keiner in Versuchung gerät, bei der Durchführung der philosophischen Kritik davon zu schnausen.

Es ist wie in der grossen Politik im Zuge der transkontinentalen Wertvernichtung durch die Spekulanten. Da immer irgendwo ein sachliches Moment als unzugänglich erscheint oder wie die schon in Gang gekommene Massenarbeitslosigkeit sich noch weiter zu intensivieren droht, steht einer schnell in der Ecke der Schwätzer, der die Entscheide der Tagespolitik kritisiert. Sie geschehen seit einem halben Jahr wie unter dem Schutz eines geheiligten Tabus, und wer in diesen objektiven Verhältnissen zuständig wäre, die sozialdemokratischen Parteien, agitiert auf irrationalen Nebenschauplätzen wie der partiellen Verteidigung des Bankgeheimnisses, wo die Kategorien der Macht, der Bevölkerung, der Ökonomie und der Verwaltung so durcheinander gewirbelt werden, dass durch Vereinnahmung der Eindruck erweckt wird, auch der verachtete, aus der Gesellschaft ausgeschiedene Rentner zeige gleich allen Verführten Empörung darüber, dass mit dem Bankgeheimnis Momente seiner geistigen Substanz aus dem Weg geräumt würden. Was seit dreissig Jahren zu tun wäre, wird auch fürderhin auf die lange und ideologisch vernebelte Bank geschoben, Handelsregeln auszuformulieren verknüpft mit einem komplexen Subventionensystem auch mit Ländern in Afrika, die einem gewöhnlichen Bürger einer europäischen Gesellschaft nicht weiterhin das Gefühl vermittelten, bei jedem getauschten Franken würden den Ländern aus dem Süden 100 Rappen als supplementäre Beute aus den Taschen gezogen.

Die Verhältnisse müssen besser werden, wenn sie die Würde der Kritik wieder durchgängig erfahren sollen. Die Thematisierung der Kulturindustrie wird folglich das, was offensichtlich schlecht ist in ihr und auf irgendeine Weise immer einem Effekt der Regression geschuldet ist, nicht an die grosse Glocke hängen. Die eigentümliche Art der Kulturindustrie, die historisch vorliegenden herausragenden Gebilde so zuzurichten, dass sie nicht mehr kritisch mit einer substantiellen, die Unterhaltung überschreitenden Gier auf weitere wahrgenommen werden, ist schauerlich genug; die weitere Herausstellung der trivialen Missstände, die den Konsum gewisser Medien für eine ernsthafte Person unerträglich machen, würde sie nur unnötig künstlich skandalisieren. Als Zusatz sind sie allerdings in jedem schlechten Moment mit angesprochen. Uns so hat man der Kulturindustrie in einer gewissen Positivität gegenüberzutreten, die wie gegenüber einem Gott ein Hadern zwar erlaubt, dessen Negativität sich wie im theologischen Zusammenhang aber in einem leeren Umsichnegieren erschöpft. Ihre Momente sind die stärksten der gesellschaftlichen Realität und weitaus ernster zu nehmen als die der Ökonomie, weil sie direkten Zugriff auf die Massen ausüben, die empirisch zwar die Ökonomie beherrschen könnten, als Meute der Kulturindustrie aber, gezogen von den Kräften der Regression immer schon, dunkleren Pfaden folgen.