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Hugues Dufourt, Apollon et les continents

Samstag, 23. April 2016

Soeben direkt live auf WDR3 von Witten 2016.

Hugues Dufourt, Apollon et les continents, d’après Tiepolo für Ensemble, Uraufführung des Zyklus, ensemble recherche. L’Afrique d’après Tiepolo (2004), L’Asie d’après Tiepolo (2009), L’Europe d’après Tiepolo (2011), L’Amérique d’après Tiepolo (2016).

Eine grossartige farbige Musik, die mittels Mehrfachklängen aus einem kleinen Orchester ein symphonisches hervorzaubert. Ein zweistündiger Werkkomplex, der zum Deuten herausfordern wird.

Die unmittelbar beeindruckende Komposition bezieht sich auf ein Monument der Freskenmalerei, das einem modernen Menschen unbekannt ist, da es einen mehrmaligen Gang in die Würzburger Residenz voraussetzt und wegen seiner räumlichen Komplexität an den Deckenwänden nur behelfsmässig in einem zweidimensionalen Format, sei es gedruckt oder am Bildschirm, reproduziert werden kann. Der Prunk der Residenz, der sich durchaus in dem der aktuellsten Potentaten weltweit widerspiegelt, stösst einen ab und lässt einen im falschen Glauben zurück, die Malerei Tiepolos hätte nur in Affirmation zur Gewalt der Herrschaft realisiert werden können. Denn dem scheint nicht so zu sein. Der bildende Künstler der alten Zeit verwirklichte verschiedene Deutungsphantasien, die sich wenn nicht als politische, so doch als Zeitkritik rekonstruieren lassen. Wie auch immer: der Zusammenhang der Kritik ist unwiderruflich mystifiziert (gewöhnlicherweise religiös motiviert) und kann nicht ohne Gehaltsverlust in die moderne Sprache übersetzt werden. Wegen der unbestreitbaren Bedeutsamkeit des musikalischen heutigen Werkes wird die Frage lange zu diskutieren sein, wie der Komponist die kritischen Impulse der Malerei sowohl in sein Medium wie in die heutige Zeit umzuschmelzen vermochte. Gelungen ist ihm Grosses – doch was eigentlich, muss man erst noch herauszulesen verstehen.