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Einlassbegehren ins Gefängnis

Mittwoch, 2. Juli 2014

Ich hatte gestern Gelegenheit, die Luzerner Staatsanwaltschaft zu besuchen. Von ihrer Internetseite und von Google Earth her war mir bewusst, dass es nicht leicht sein würde, den richtigen Eingang zu finden. Kaum war ich aus dem Bus an der Haltestelle Kupferhammer ausgestiegen, klirrte es beim Warten am Zebrastreifen, weil ein Soldat auf dem Weg zur Allmend-Kaserne seinen geschulterten prallen Waffensack durch eine unbedachte Bewegung auf meinen Beinarm knallen liess. Ich schaute ihn bösen, zivilisierten Blickes an: Du bist noch nicht im Krieg, dummer Mann, ein anderer hätte schreien müssen. Ein Wegweiser auf der anderen Strassenseite zeigte den gesuchten Weg an einer anderen Abzweigung als gedacht, in einem kleinen Abschnitt geht man auf einem blossen Trampelpfad durchs Gebüsch, den Google Earth und die Maps verschweigen. Das Gebäude, das sich dann vor einem in den Weg stellt, ist beeindruckend und nicht ohne ästhetischen Reiz. Doch wo genau befindet sich der Eingang zur Staatsanwaltschaft? Der beabsichtigte Effekt des Gebäudes stellt sich unverhofft ein, einen als kleinen Bürger dastehen zu lassen. Hat man sich für eine der vier Seiten als Eintrittsseite entschieden, gibt es zwei Eingänge. Beinahe im Gleichschritt neben mir traf ein Typ mit Glatze, kurzen Hosen und Sporttasche auf dem Vorplatz ein. Zielstrebig steuerte er, wie mich dünkte in guter Miene, den kleinen Eingang an. Als er verschwunden war, meldete auch ich mich an der Gegensprechanlage. Ich habe die befremdliche Information zur Kenntnis genommen, nicht total überrascht, aber auch nicht wirklich so erwartet. Wer kennt schon einen in seinem Bekanntenkreis, der an einer Gefängnispforte hat um Einlass begehren müssen? Nun denn, man bestaune die Architektur, denn sie ist nicht alltäglich, wähle aber mit Bedacht den rechten Eingang, wenn einem die Freiheit lieb ist.

Im Innern gelangt man an einen geräumigen Anmeldungsschalter, wie er im Spital an seinen vielen verschiedenen Stellen nicht viel anders angesteuert werden muss. Zunächst der amtliche Ausweis, der neben dem Portemonnaie auf die Schaltertheke gelegt wird, dann die Frage, was ich sonst noch auf mir tragen würde. Nichts ausser Papiernastücher. „Gehen Sie durch die Schleuse!“ Teufel, war das ein Alarm! Ich hatte vergessen, den kleinen Hausschlüssel zu erwähnen. Mich dünkte, die Polizisten würden mich schief anschauen; sie begnügten sich aber mit meiner Auskunft, führten mich in ein winziges Räumchen, das gleich wie der Eingangsraum weiterhin mit dem Schalterraum durch eine Glaswand verbunden ist, gaben mir die Dokumente und liessen schliesslich die gewünschten Kopien anfertigen. Erst auf der Heimreise im Zug dämmerte mir, dass es das viele Titan in der linken Schulter war, das den Alarm auslöste. Vielleicht machen sich Leute mit chirurgischen oder orthopädischen Hilfsmitteln im Körper besser klar, dass es zumindest auf Flugplätzen heutzutage ebengleiche Schleusen mit Metalldetektoren gibt. Man macht sich das Leben leichter, wenn man sich auf eine solche Situation vorbereitet und leicht entzifferbares Bildmaterial zur Hand hat, das die aufgeschreckten Schleusenwärter ohne Verzug zu informieren vermag.

Am Bahnhofkiosk kaufte ich mir ein Cola. Um das Herausgeld entgegennehmen zu können, benötige ich beide Hände, die dem Verkaufspersonal das offene Portemonnaie so weit wie möglich entgegenstrecken, am Schluss mit der rechten Hand allein noch ein paar Zentimeter weiter in die Luft (keine Hand kann Münzen aus einer weiteren Körperdistanz als 10 cm entgegennehmen). Ich stellte die Tasche mit den kopierten Akten der Staatsanwaltschaft auf die ausgelegten Zeitschriften und machte den umständlichen Handel mit dem Getränk. Dann spazierte ich dem langen Zug entlang, bis zur Spitze mit dem meist ruhigen ersten Wagen. Beim Einsteigen überkam mich ein flaues Gefühl, dann eine heftige Bewusstseinstrübung mit Sternchen in der schwarzen Nacht… – Keine Panik, obwohl ich während eines langen Moments mir überhaupt nicht vorstellen konnte, wo die Tasche geblieben sein könnte, ruhte sie, anscheinend noch unangetastet, am genannten Platz.