Archive für 2. Dezember 2012

Ilija Trojanow: Eistau

Sonntag, 2. Dezember 2012

Heute gelesen Ilija Trojanow, Eistau, München 2011 (natürlich geschenkt bekommen, weiss schon lange nicht mehr, wie eine Buchhandlung innen ausschaut).

Der Anfang ist sehr beeindruckend, und auch im weiteren Verlauf staunte ich nicht wenig über die sprachliche Potenz, die in kompositorischer Feinabstimmung unterschiedliche Situationen einander gegenüberstellt, um peu à peu eine grosse Spannung entstehen zu lassen. In der Pointe des Schlusses verpufft der Kunstanspruch des Werkes ein wenig – er zeigt sich so, als ob der Autor von Schönberg nichts mitgenommen hätte. Aber eine Stelle dünkt mich erwähnenswert, wo der Begriff der Hölle auf eine Weise definiert wird, wie ich ihn noch nicht angetroffen habe. Die Hölle ist das, was der Mensch in seinem Leben versäumt hat zu tun. Ah, das tut einem gut, der die Hölle zu erwarten hat. Ich zittere ob ihrer gruseligen Gänge nicht im geringsten.

Schönberg: Moses und Aron

Sonntag, 2. Dezember 2012

Soeben live auf SWR2 Arnold Schönberg, „Moses und Aron“, Oper in 3 Akten (Fragment), Konzertante Aufführung, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung: Sylvain Cambreling, (Aufführungen vom September 2012 in Berlin, Luzern, Freiburg und Strassbourg).

Schönberg ist der letzte Künstler der Epoche der Metaphysik, der in ihr zugleich die Frage nach der verbindlichen Form der Wahrheit so weit vorwärts getrieben hat, dass sie das Falsche der kommenden Epoche, derjenigen der Kulturindustrie, entschieden zu benennen vermochte. Der Gehalt der wahren Kunst darf sich nicht ans Äusserliche verraten, sondern muss unerbittlich mit den Materialien korrespondieren, die sowohl innerhalb wie ausserhalb der Kunst sich in der Zeit entwickelt haben. In dieser Oper selbst erscheint diese Haltung als Prinzip in der Gestalt von Moses, ihre Gefärdung sowie Schönbergs Vorahnung der Kulturindustrie in der von Aron. Die Pointe der Fragment gebliebenen Oper für uns in der neuen Epoche ist, dass keines der ästhetischen Prinzipien obsiegt.

Eine umwerfende Aufnahme! Endlich!