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Maunzi und die Amsel

Dienstag, 19. Mai 2009

Oft weiss ich noch zu Beginn des Aufwachprozesses, dass ich träume und kann mir dann gut den Traum als Retention vergegenwärtigen und gegenwärtig werden lassen – am Leben erhalten. Soeben war das anders, und erst zwei bis drei Minuten nach dem Aufwachen knapp vor 2.45 Uhr wurde mir klar, dass ich träumte. Deswegen bleibt hier nur die kleine Schlussszene erhalten, die nach einem sehr langen und umfassenden, sozusagen lebendigen Geschehen in einer Stadt mit vielen bekannten und unbekannten Personen passierte, mit Vorgängen in der anonymen Masse wie in heimeligen und fremden Wohnungen. Ob die Schlussszene in der eigenen oder in einer fremden, eventuell zu hütenden stattfand, ist unentschieden. Auf dem Balkon, der dem vor 35 bis 30 Jahren gleicht, spielte ich mit der Katze Maunzidong, die in einer Art Körbchen war, dessen Form und Grösse im ersten Teil unbestimmt blieb. In diesem Körbchen gab es auch noch ein Stück blaues Plastik, das neuerdings die Zahnärzte, jedenfalls diejenigen, die es noch nicht erwiesenermassen können, gruusigerweise dem Opfer in die Fresse pressen, damit sie während der nächsten unvergesslichen vier Stunden ja nicht mit der Idee des Fliehens liebäugeln, denn sie wären nicht imstande, sich der furchterregenden Maske zu entledigen. Maunzi verwandelte sich in einen Vogel, in eine junge Amsel, auch sie ein Weibchen, nicht ganz so umwerfend sexy wie die junge Verkäuferin im Taschengeschäft untertags in einem Berner Kellergewölbe heute, aber fast um nichts weniger süss. Ich fütterte sie, wie ich es ungeplant immer noch mit den Meisen auf dem Fenstersims tue, weil sie bei einer Unterlassung drohend und klagend am Fensterrand umhertanzen bis ich nicht anders kann als ihnen zu dienen, und spielte mit ihr. Bei diesem Spiel duckte sie sich vor dem weissen Mandelstück, das ich ihr hinhielt, und sie duckte sich ins immer tiefer werdende Körbchen. Aber ach! ohweh! sie ist gar nicht die verwandelte Katze Maunzidong, sondern dieselbe erscheint nun hinter dem blauen Plastik, der das Körbchen, das einem 30 cm tiefen Trichter aus Handgeflecht gleicht, unterteilt. In der einen Hälfte duckt sich das Vögelchen immer tiefer, auf der anderen Seite guckt Maunzi, nicht viel älter aber leider doch schon konkret hoffnungsvoll immer gespannter über den blauen Zaun. Meine Befindlichkeit wird zunehmend konfuser. Ich bin am Spielen und betrachte beide Tiere gleichfalls als spielend, und im gleichen Zug weiss ich, dass da keine Post abgehen soll und ich meine Sinne bis aufs äusserste geschärft halten muss. Es dauert eine Weile, in der sich alle Drei aktiv benehmen, sich ihr Benehmen aber mehrfach ändert. Spielt Maunzi ein übles Spiel, und bin ich überhaupt am Füttern des Vögelchens? Und ist Maunzi noch in ihrem Teil des Körbchens oder schon in dem der schutzbedürftigen Amsel? Das ist es! Da ist gar keine Trennwand mehr, sondern der blaue Zahnarztfetzen ist irgendwo im Körbchen, und mal sehe ich die Amsel, mal die Katze. Ich greife ein und ins Körbchen hinein, so dass Maunzi es mit meinem Arm zu tun hat, was ihr zwar missfällt, sie aber nicht dazu bewegt, aus dem Korb zu steigen. Ich erwische das Vögelchen, das stark den weiblichen Erlenzeisigen ähnelt, die ich am Abend auf meiner Website betrachtete, 2009. Es ist nun entschieden mehr als ein Gewusel im Gange, ja ein regelrechtes Kampfgeschehen tobt, in dem der Vogel aus den schmucken Klauen der Katze mit viel Herzblut befreit wird und schliesslich entkommt. Kann das Vögelchen denn schon fliegen? Oder habe ich es mir in den Sack gesteckt? Keine Ahnung, denn jetzt steht Maunzi allein im Mittelpunkt, und ich muss die grosse Trickkiste des Umsorgens öffnen, um sie zgrechtem trösten zu können. Aber das Vögelchen aus dem Taschenladen geht mir auch nicht mehr aus den Sinnen.